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#1 | |
asphaltwaldwesen
Registriert seit: 31.03.2009
Ort: österreich
Beiträge: 961
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![]() Ich vergleiche mal einen lyrischen Text im besten Sinne mit einer Kalligraphie - also einer Handschrift, die um der Handschrift willen und ihres eigenen Reizes zu Papier gebracht wird. Kein Computer der Welt kann das leisten, weil gerade die kleinen "Schnitzer" oder "Kanten" fehlen, die der Mensch nun mal macht, weil er keine Maschine ist und die perfekte Spiralform oder den einwandfrei gezogenen Kreisbogen eben nicht auf den hundersten Millimeter und die Winkelsekunde genau ziehen kann. Auch kann man keinem Computer einprogrammieren, dass zum Beispiel bestimmte Buchstaben (wegen ihrer Formen) geringere Abstände untereinander brauchen als andere, um für das menschliche Auge besonders harmonisch zu wirken als gesamtes Schriftbild. Das Programm des Computers unterscheidet da nicht - und das sieht man solchen Computer-erstellten "Handschriften" auch an - egal, welche Font verwendet wird. Sie sind "unbeseelt" würde ich das mal nennen. Ich glaube, dass man auch einem "lyrisch anmutenden Text", der mit einem Programm erstellt wurde, anmerken/ansehen würde, dass er "unbeseelt" ist. Und das ist etwas geringfügig anderes als einfach nur "kein hervorragender Text" zu sein. Ist aber nur eine These. Wäre ein spannendes Experiment. Das "Poetron" leistet ja leider nur vers libre Dichtung auf Wunsch und Mouse-Klick... da ist ja viel weniger "messbar"/spürbar, ob da jetzt einfach nur einer glaubt, er wäre "avantgardistisch" unterwegs als Lyriker und der freieste unter den freien Verse-Schmieden... (und dass es davon genügend Exemplare gibt, wissen wir wohl alle *kicher). Also ist es da viel einfacher, ein Programm mit einem ...ähem..."eigenwilligen Dichter" aus Fleisch und Blut zu verwechseln. Liebe Grüße, fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan Geändert von fee (13.01.2013 um 19:26 Uhr) |
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#2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Hallo Falderwald und fee,
ich hoffe es stört euch nicht, wenn ich an euch gemeinsam antworte. Ich denke, das ist gut und kürzer so, weil fee schon genau in der Art geantwortet und weitergeführt hat, wie ich es getan hätte. Gegen die Verlegung des Themas habe ich nichts einzuwenden. Es ist da ohnehin nur gelandet, weil ich nicht wusste wohin damit und mir nichts Besseres einfiel. Ich finde es interessant, dass die Frage des Computertextes, welchen ich eigentlich nur zur Verdeutlichung erwähnt habe, besonders aufgegriffen wurde. Wahrscheinlich bringt es die Frage nach diesem schwer zu definierenden Etwas auf den Punkt. Aber zuvor muss ich Faldwalds Frage beantworten, ob ich einem von ihm auf die beschriebene Weise "computergenerierten Text von vorneherein absprechen würde, ein lyrischer Text zu sein." Höchstwahrscheinlich ja, obwohl ich das wahrscheinlich nicht so im Forum schreiben würde, weil ich versuche nur Kommentare zu schreiben, die konstruktiv sind. Ich habe übrigens ein solches Experiment schon gemacht. Nicht im Forum hier! An dem mit einem Programm simpelster Art erzeugte Produkt wurden besonders die "eigenständigen Einfälle" und das "Meistern des poetischen Ausdrucks" gelobt. Die Frage kommt aus der Diskussion der Künstlichen Intelligenz, wobei sie als Definition für das Vorhandensein von KI benutzt wird. Diese Definition ist meiner Meinung nach wissenschaftlich recht unbrauchbar, weil sie ersten keine Idee des Begriffs gibt und zweitens von anderen Definitoinen, z.B. was ist eine Unterhaltung, ein Gedicht etc. abhängt. Wenn ich z.B. Gesundheit als Abwesenheit von Krankheit definiere, ist das vielleicht für den Klinikalltag praktikabel, aber es gibt keine Idee von Gesundheit und zweitens hängt Alles von der Definition von Krankheiten ab. Um es kurz zu machen, die Antwort ob ein Computertext als Poesie erkannt wird, hängt davon ab, was der Antwortende unter Poesie versteht. Vor vielen Jahren stieß ich auf eine Untersuchung, bei der Testpersonen Gedichte und Computerlyrik vorgelegt wurden, wobei keine statistisch relevante Unterscheidung getroffen werden konnte, welche Texte vom Computerprogramm stammen. Fazit: Computerlyrik ist nicht von menschlicher zu unterscheiden. Als ich mir die Gedichte angesehen habe, war mir auch klar warum. Es waren ausnahmslos Texte der modernen Lyrik. Da verstand ich das Ergebnis. Es ist jedenfalls kein Beweis für KI. Um dein Frage zu beantworten, muss ich also zuerst die Frage beantworten: Was ist Lyrik? Was zeichnet Poesie wirklich aus? Friedrich Schiller sagte: "Spricht die Seele so spricht ach! schon die Seele nicht mehr." Es lassen sich entsprechende Stellen anderer Dichter finden, die wussten worüber sie bei dem Begriff Poesie sprachen, dieses hier scheint mir jedoch besonders kurz und gut geeignet. Der Satz "Spricht die Seele, so spricht die Seele nicht" ist natürlich ein Paradox. Durch die Hervorhebungen die Schiller in dem Text macht und die Worte welchen einen zeitlichen Übergang andeuten, wird er zu eine tiefen Wahrheit für die Poesie. Das wesentliche der Poesie ist meiner Meinung, dass sie genau auf dem von Schiller markierten Grenzpfad zwischen Emotion und Geist das Unaussprechliche aussprechen kann, d.h. etwas logisch nicht Aussprechbares. Es ist nicht der Inhalt an sich, es ist nicht die Form, sie ist nur notwendig damit verbunden, weil etwas gebraucht wird, das über die Sprache an sich hinausdeutet (Deswegen sind die sogenannten freien Formen meiner Meinung nach so problematisch). Es ist schwer zu erklären, aber jeder der sich selbst schon beim Niederschreiben eine poetischen Idee erwischt hat, die so schön ist, dass er weinen musste, weiß vielleicht, was ich meine. Mir ist bewusst, dass ich damit erst einmal sehr radikal einen Großteil dessen, was als Poesie daherkommt, ausschieße. Auch viele meiner eigenen Gedichte. Das ist aber nur nötig, wenn ich mir Klarheit über das Wesentliche machen muss. Ist das klar, dann kann ich wieder lockerer an die Sache herangehen, genauso wie ich mich an Produkten des Kunsthandwerks erfreue, ohne sie mit den Werken der größten Maler vergleichen zu müssen. Also nochmals zur Frage zurück. Wenn ein Künstler einen Computer zur schöpferischen Art nutzt, dann ist das meiner Meinung nach im Prinzip kein Unterschied zu der Feder und dem Papier, oder der Tastatur und dem Bildschirm. Das Werkzeug selbst wird niemals schöpferisch tätig, auch wenn es aus einem riesigen "Netz" besteht, dem von manchen "Intelligenz" zugeschrieben wird. Hoffentlich kommen noch viele Ideen zu meinem "Definitionsversuch" (der übrigens für mich selbst aufgeschrieben wurde, und eigentlich gar nicht für das Licht der Öffentlichkeit bestimmt war) hinzu. Liebe Grüße Thomas P.S.: Wenn es doch wenigstens ein Computerprogramm gäbe, welches absolt sicher verhindert, dass Erich in meinen Texten keine Rechtschreibe- und Satzzeichenfehler mehr findet!
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller Geändert von Thomas (13.01.2013 um 12:14 Uhr) |
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#3 |
Slawische Seele
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
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Hey, hey, was läuft denn hier?
Ein feines Thema - außerdem wusste ich nicht, dass es solche Programme bereits gibt. ![]() Ich neige dazu, dem "modernen Zeug" nicht sofort mit Misstrauen zu begegnen, aber nicht deshalb, weil ich "jung und offen" ![]() ![]() ![]() Die künstliche Intelligenz greift und schreitet fort. Sie wird sich auch in der Lyrik platzieren, davon bin ich überzeugt. Ob sie auf Jahrzehnte überzeugt, das wird und soll sich erst zeigen. Wahrscheinlich werde ich es nicht mehr erleben. Wenn man bedenkt, was heute mit einem "Klick" gemacht werden kann und was für unsere Vorfahren undenkbar gewesen ist, dann muss man schon staunen, wobei ich hier auch Technik einschließe. Z.B. waren sich anfangs alle einig, dass die vom Bäcker einst von Hand gebackenen Brötchen viel besser schmeckten, als die machinell hergestellten. Unsere Kinder wissen gar nicht mehr, dass man ohne Maschine Brot und Brötchen backen kann. (Na ja, vielleicht nicht ganz.) Ich kann auf jede gestellte Frage per Klick eine Antwort bekommen, in Sekunden und unendlich ausführlich. In 30 Jahren gibt der Enkel meines Sohnes per Klick Informationen über seinen Großvater ein, um ihn mit einem Gedicht zu ehren. Ich kann mir schon vorstellen, dass dieses Gedicht gut, bis sehr gut werden kann, ohne dass es beginnt: "Kaum zu glauben, aber wahr ...." ![]() Und nun die Feier selbst. Der Kuchen wird geliefert, prachtvolle Torten, Kleingebäck und allerschönste Deko. Dazwischen wird ein selbstgebackener Kuchen aus Urgroßmutters Zeiten präsentiert, von Jaqueline, die inzwischen 75 Jahre alte ist. Sie wird ganz sicher viel Lob bekommen, weil sie es noch kann und viele werden zugreifen, weil es ein besonderer Kuchen ist. Vielleicht wird man nicht einmal abwägen, ob dieser Kuchen auch besser schmeckt. Auf die prachtvollen Torten wird man sich bestimmt stürzen. Die Lyrik nimmt sich da nicht aus. Sie lebt, weil Menschen sehr individuell sind. Jeder hat so seine "Eigenarten" und manche dichten eben. Wie gut und wie schlecht, kann man lesen. Wie sie mit der gemeinsamen Eigenart miteinander auskommen, auch. ![]() Eines bleibt zu fürchten: ![]() Wenn es bald computergesteuerte Lyrik gibt, dann wird sich jeder Dichter sehr, sehr anstrengen müssen, um diese unfehlbare Technik per Kopf und Tastatur zu übertreffen. So wie Thomas bereits schrieb, waren Leser dieser Gedichte voll des Lobes, d.h. sie waren irgendwo beseelt, zumindest kamen sie so an. Das Hobbydichten und große Dichtung werden deshalb nicht "aussterben", weil wir eben individuell gepoolt sind. ![]() Selbst wenn die künstliche Intelligenz die Welt einmal lyrisch überrollt, stelle ich mir vor, dass sie immer und immer wieder in Mode kommt, bzw in Abständen "in" sein wird, und zwar weil hand- und hirngemacht. Aber auch Faldi sagte schon richtig, dass die Programme erst vom Hirn gefüttert werden müssen. Wie man "gute Lyrik" definiert, weiß ich nur für mich selbst, und zwar für mein Empfinden. Dabei urteile ich hauptsächlich nach Berührung, die ein Text auf mich ausübt und erst danach betrachte ich Reim, Klang und Ausdruck. Eine allgemeine Definition scheint nicht möglich, dass erkennt man schon am Streit, wer wirklich ein guter Dichter ist oder gewesen ist. Man hat seine Lieblingsautoren, unter den Großen Alten, seinen Lieblingsdichter. Ja, ein interessantes Thema, lieber Thomas. Das Nachdenken und Reden machen Spaß. Wir müssen ja nicht zu einem Ergebnis kommen. ![]() Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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#4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Hallo Dana,
du hast völlig recht, "Hobbydichten und große Dichtung werden nicht aussterben". Vermutlich wird die Dichtung gerade durch die Computerisierung bei immer mehr Menschen einen noch höheren Stellenwert bekommen. Genau wie die Industrialisierung eine Sehnsucht nach Natur bewirkt hat, die es früher in dieser Form gar gab (Typisch der Wald, der im Märchen immer der bedrohlich Urwald ist und in der Romantik zum erstrebenswerten Zufluchtsort wurde). Je mehr künstliche Intelligenz (was immer es auch sei) den Menschen umgibt, desto mehr wird er sich danach sehnen, sich als besonderes Individuum auszudrücken. Und dafür ist die Poesie sehr gut geeignet- denke ich. Deswegen versuche ich auch möglichst genau zu verstehen, was das überhaupt ist. Wenn ich jetzt den Text, den ich eigentlich nur als Notiz für mich selbst aufgeschrieben hatte und zu voreilig eingestellt habe, nochmals lese, merke ich, dass ich ihn gründlich überarbeiten muss. Wenn ich etwas Zeit finde, werde ich das auch tun. Aber als erste Annäherung taugt er vielleicht vorläufig. Liebe Grüße Thomas
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
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#5 |
Lyrische Emotion
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Thema nach Rücksprache mit dem Autor verschoben.
i. A. der Moderation Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine) Für alle meine Texte gilt: © Falderwald --> --> --> --> --> Wichtig: Tipps zur Software |
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#6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Danke für das Verschieben.
Ich habe mir zu dem Text, der eigenentlich nur eine Notiz war, noch einige Gedanken gemacht und ihn in einer neuen Version eingestellt, damit die Kommentare, die sich auf die alte Version beziehen, verständlich bleiben. Mir ist klar, dass auch jetzt noch einiges recht unschaft ist, z.B. was singbarer Charakter bedeutet, oder komponiert. Vielleicht gibt es ja weitere Ergänzungen und positive Kritik. Viele Grüße Thomas
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#7 | |
verkannt
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Beiträge: 332
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![]() Hallo Thomas, deine Herangehensweise an Themen begeistert mich ja immer wieder und du hast mich durch diese, ich nenne es mal These, dazu veranlasst mal ein wenig über Lyrik nachzudenken. Zitat:
als solches angeschaut. Meine Freundin Wiki sagt dazu; Zitat Wiki „Als Lyrik (griechisch*λυρική (ποίησις) – die zum Spiel der Lyra gehörende Dichtung) bezeichnet man die Dichtung in Versform, welche die dritte literarische Gattung neben der Epik und der Dramatik darstellt. „ Hmm … ich denke beim Lesen, dass der Begriff doch ein wenig zu grob umrissen dargestellt wird und ich überlege auch gerade ob ich denn schon mal einen Lyrikvortrag gehört habe zu dem dann die Lyra gespielt wurde und ob denn die Lyrik immer in Versform dargestellt sein muss (… und eigentlich weiß ich gar nicht wie eine Lyra klingt nur mal am Rande, aber das werde ich nachholen). Nee, habe ich nicht, das einzige was in meiner Erinnerung ist, stammt glaube ich aus dem Film „Quo Vadis“ in der ein brillanter Herr Ustinov diese Lyrik eben in einer sehr eigenen Art und Weise interpretiert. So ist die Frage nach einer neuen Definition nicht ungerechtfertigt, vielleicht bedarf es einer Anpassung an diese unsere schnelle Zeit. Interessant finde ich das Ausgrenzen von dem, was deiner Meinung nach keine Lyrik ist, um das zu erfassen was sie deiner Auffassung nach ist. Irgendwo muss man ja anfangen und den Ansatz finde ich schon mal gut. Hier gehst du auf das Komponieren ein und verweist darauf, dass es etwas Individuelles ist, etwas Spezielles das von einer Maschine nicht rekonstruiert werden kann, weil diese nicht die Gefühlswelten erfassen kann die unser Menschsein eben für sich in Anspruch nimmt. So habe ich es zumindest aufgefasst. Hier wurden ja auch schon die Versuche mit maschinengeschriebenen Texten angeführt. Ich schließe es nun mal nicht aus, dass es in einiger Zeit Programme geben wird, die wie Falderwad ja schon anmerkte, so komplex aufgebaut sind, dass sie in der Lage sein werden Lyrik zu „produzieren“, aber auch hier darf man nicht vergessen, dass in der Grundidee der menschliche Gedanke steckt und sich alles einfach weiter entwickelt, vielleicht sogar in so umfassende Dimensionen, dass wir es gar nicht mehr definieren können und vielleicht ein „die Dinge in Schubladen stecken Denken“ nicht mehr ausreicht, weil das Feld Lyrik ein zu breites Spektrum abdeckt und immer Neues dazu kommt. Vielleicht wird es ja in Zukunft Computerdichter geben. Ich sehe das eher wie in der Musik, da mischen sich auch die verschiedenen Musikrichtungen und es kommen neue dazu, so dass man einiges an Lyrik gar nicht mehr einordnen kann, weil sie so viele Seitenarme bekommen hat und ihre Betrachtung auch immer eine Sache der Perspektive des Lesers ist. Ein anderes Beispiel., die Kunst, so war Graffiti in ihren Anfängen verpönt und wurde (wird immer noch) als Sachbeschädigung geahndet, mittlerweile habe sich aber auch in diese Richtung auch eine neue Kunstform entwickelt. Soweit erst mal meine Gedanken dazu, aber mit Sicherheit noch nicht zu Ende gedacht. Lieben Gruß C.
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© auf alle meine Texte „Mir gefiel der Geschmack von Bier, sein lebendiger, weißer Schaum, seine kupferhellen Tiefen, die plötzlichen Welten, die sich durch die nassen braunen Glaswände hindurch auftaten, das schräge Anfluten an die Lippen und das langsame Schlucken hinunter zum verlangenden Bauch, das Salz auf der Zunge, der Schaum im Mundwinkel.“ Dylan Thomas |
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#8 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Hallo Cebrail,
es freut mich sehr, dass dich meine These (genau als das empfinde ich es auch) "dazu veranlasst mal ein wenig über Lyrik nachzudenken." Deine Gedanken regen wiederum mich und andere an. Mit dem Wiki-Zitat bis du zu Recht nicht zufrieden. Ich gehe darauf ein, weil ich glaube, dass ein allgemeineres Problem deutlich wird. Wiki sagt: "Als Lyrik (griechisch*λυρική (ποίησις) – die zum Spiel der Lyra gehörende Dichtung) bezeichnet man die Dichtung in Versform, welche die dritte literarische Gattung neben der Epik und der Dramatik darstellt." Das ist (obwohl es genauso lang ist wie meine These) so ungenau, dass es eigentlich falsch ist. 1) Es stimmt, dass der Begriff Lyrik auf zur Leider gesprochenen Text zurückgeht, und meiner Meinung nach ist das bis heute ein ganz wesentliches "Erbe" der Lyrik, welches ich versuche durch die Vorstellung des "singbaren Charakters" in den Griff zu bekommen. Die Tatsache allein, dass Lyrik ursprünglich zur Lyra gesprochen wurde, sagt in unserer heutigen Augenwelt wenig aus. 2) Lyrik als Dichtung in Versform ist zu formal und so einschränkend, dass es falsch ist. Ich versuche die besondere Verwendung von Sprachelementen (die sich von der Verwendung im Epos und Drama unterscheiden lässt) als wesentliches Kriterium zu verwenden. 3) Die Dreiteilung der Poesie in Epik, Dramatik, und Lyrik ist relativ neuen Datums (Sehr schön erkennbar durch Goethes Definition der Ballade als Ur-Ei der Poesie) und meiner Meinung nach gut. Durch diese Definition ist jedoch die Lyrik, die zuvor eine spezielle Art der Dichtung war (Neben hymnischer, epigrammatischer Dichtung etc.), zu einem Oberbegriff für alle diese ursprünglich gleichberechtig neben ihr stehenden Dichtungen geworden. Für Goethe und die damalige Zeit (Dramen wurden in fünfhebigen Jamben geschrieben!) war unproblematisch, zumal Goethes Definition eigentlich von den verschiedenen Relationen des Dichters und des Publikums ausgeht (mehr dazu in meinem "LyrikChat"), aber mit der Romantik und er immer "introvertierteren" und "experimentierfreudigen" Dichtung, wurde der Begriff sehr weit ausgedehnt. Deshalb ist es meiner Meinung nach wichtig, sich darüber Gedanken zu machen, nicht um Schubladen auszumessen, sondern um den eigenen Blick zu schärfen und das Wesentliche zu treffen, damit wirklich Neues erkannt werden kann. Ganz wesentlich scheint mir das, was ich mit dem Begriff "komponieren" zu erfassen suche. Achtung! Implizit behaupte ich damit, dass es so etwas wie kohärente Gesamtheit des Denkens und Fühlens, dass es einen (zumindest internen) Kosmos gibt, und dass das Schöpferische daraus entspringt. Der Prozess, wie sich Neues dann umsetzt ist noch komplexer, wie dein Graffiti-Beispiel zeigt. Das ist meiner Meinung nach ein gutes Beispiel, aber ich möchte darauf jetzt nicht eingehen, weil es mich zu weiteren Pfade verleitet, die von der Lyrik wegführen. Vielen Dank für deine Gedanken und die Anregung Liebe Grüße Thomas
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#9 |
Slawische Seele
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Mit meinem alten Onkel, der inzwischen verstorben ist, habe ich oft über die Definition Lyrik gesprochen.
Ich erinnere noch seine Begeisterung über die Wortableitung von Dichtung; das Verdichten der Sprache. Das kann man aber nicht in jeder Sprache ableiten. Mit "Poesie" kommt man schon weiter - "Erschaffen". Gesprochene Worte zur Lyra ist eine annähernde Definition - es ist kein Lied. Mit Liedern geht man eindeutiger um. Lyrik könnte ein ganz eigenes Gefühl sein und so unterschiedlich verstanden werden, wie sich eben Menschen verstehen und nicht verstehen. Gerade darum ist Lyrik etwas ganz Besonderes. Sie wird vom Einzelnen "erschaffen" und sucht die Berührung. Die großen und berühmten Dichter haben den "Nerv" getroffen, sie haben mit Aussage und Sprachschaffung berührt, angesprochen. An ihnen orientiert, hat man sich um eine Defintion bemüht. Sie blieb aber an Werke gebunden. Unsere Sprache verändert sich auch, also wird auch die Definition für Lyrik wahrscheinlich immer "dehnbar" bleiben. Letztendlich, von "Erbsenzählerei" ![]() Ich weiß es nicht, aber ein paar Gedanken zum interessanten Thema wollte ich doch lassen. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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#10 |
Gast
Beiträge: n/a
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Guten Morgen,
die vorgetragenen Kommentare sind persönliche Meinungen und haben so eine zureichende Berechtigung. Der Literaturwissenschaft halten sie nicht stand. Der Begriff Lyrik ist - wie jede andere Richtung auch - einer steten Veränderung unterworfen; sie ist ein Teil der Kultur und des Zeitgeistes. Betrachten wir sie im historischen Kontext, enden die bisherigen Einschätzungen in der klassischen bzw. romantischen Phase, der nun das Computerzeitalter gegenüber gestellt wird. Ähnlich wird ja auch mit moderner bildender Kunst verfahren. Solche Vergleiche greifen jedoch zu kurz. Ich möchte folgende Thesen in den Raum stellen: Was ist eigentlich Lyrik? Jeder glaubt es zu wissen, fast niemand weiß es wirklich. Handelt es sich um eine "gefürchtete Textsorte" (Enzensberger)? Ist sie deshalb gefürchtet, weil sie so schwierig ist? Was unterscheidet eigentlich ein Gedicht von einem Prosatext? Es gibt zahlreiche unterschiedliche Definitionen, die in Sachbüchern der Literaturwissenschaft oder in Handbüchern für werdende Schriftsteller zu finden sind. Vielleicht können wir uns auf drei allgemeingültige Antworten einigen: - Das Gedicht ist ein Verstext - Es ist ein lyrisches Gebilde - und es zeigt poetische Sprache In diesen Punkten liegen gleichzeitig die Unterscheidungsmerkmale gegenüber der Prosa. Sie umfassen die traditionelle gereimte Dichtung bis hin zu Schrägsten des Schrägen. Denn es gibt nun einmal zeitgenössische Dichtung. Und es gibt Bemerkenswertes darunter. Auch jenseits des Reims und jenseits tradierter Formen. Wir alle sollten uns dem gegenüber mehr öffnen, denn sonst haben wir von dem, was Lyrik ist und sein könnte, zu wenig verstanden. Im Sinne der Wissenschaft lassen sich literarische Strömungen ziemlich genau umreißen; in echt - spätestens seit Anfang des 19. Jahrhunderts - greifen sie ineinander, verwandeln sie sich in ein konkurrierendes Miteinander. Zum Teil hat das mit den technischen Veränderungen im Vertrieb von Büchern zu tun. Es gibt ein Leben nach Goethe! Es gibt: - Impressionismus - Symbolismus, - Jugendstil - Neuromantik - Futurismus - Dadaismus um nur einige zu nennen. Neben die traditionellen formalen Koventionen treten solche, dies aus anderen Kunstrichtungen übernommen werden. Die Sprache selber tritt in den Vordergrund, freie Verse verdrängen die metrisch regulierten. Der Bezugsrahmen der Lyrik wird international. Experimentelle Lyrikartisten stehlen exentrischen Rappern die Show, gelehrte Poeten werfen ihre Philosophie in die Manege, Computerfetischisten ihren Kram und gemäßigte Traditionalisten machen weiter wie bisher. Das alles ist Lyrik. Und d e s h a l b liebe ich sie. |
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