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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 26.11.2012, 19:58   #1
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 3.375
Standard Der Dreher

Der Dreher

Abends, bevor er heimgeht, betrachtet er freudig die Arbeit,
Glänzend liegt alles parat, was er heute gedreht.
Alle Teile im Maße geschruppt, geschlichtet, gestochen,
Jedes ist ganz akkurat nach der Zeichnung geformt.
Schön sind die Teile aus silbernem Stahl und goldenem Messing,
Kunstvoll und klar ist die Form, wie sie der Drehmeißel stach.
Einmal noch wischt er vergnügt beim weggehen über die Drehbank;
Schon seit der Jugendzeit liebte er dieses Gerät,
Folgte bewundernd des alten Meisters emsigen Händen,
Übte und lernte mit Fleiß, kunstvolle Formen zu dreh’n.

Dreht in der Welt sich, und dreht sich im Leben doch alles um alles,
Sonne und Sterne und Mond, kreisen am Firmament.
Immer entsprießt Verjüngtes aus abgestorbenen Zweigen,
Wechselnd kreist Tod und Geburt. Stets rollt das Rad der Zeit.
Aber die kreisende Drehung erzeugt nicht und schafft keine Wirkung.
Nur der Vorschub allein, bildet die neue Gestalt,
Denn nur der Gang des Meisels schneidet die Späne vom Werkstück,
Nur der Fortschritt bewirkt, dass die Produkte entsteh’n.

Sind wir nicht alle vom Schicksal gespannt zwischen Futter und Reitstock?
Ist es nicht herber Verlust, was es uns manchmal entreißt?
Weine den Spänen nicht nach, denn nur so kann das Werkstück entstehen!
Bleibst du im Wesen dir treu, gibt dir dein Schicksal Gestalt.
Groß ist der Plan des erhabenen Wesens, welches uns bildet.
Froh ist der Meister und stolz, wenn er die Werkbank verlässt.
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Alt 26.11.2012, 22:28   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Beiträge: 9.912
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Guten Abend Thomas,

ich bin beeindruckt.

Astreine Hexameter, die sich sehr schön lesen lassen.

Das Bild des Drehers mit dem ewigen Kreislauf zu verknüpfen ist dir sehr gut gelungen.
Genial finde ich die Idee, daß eben doch nicht alles nur aus dem Kreislauf heraus entsteht, sondern nur indirekt, weil da ja noch etwas ist, was auf das sich Drehende einwirkt, sozusagen als schöpferische Kraft.
Auch das schließliche Einspannen des Daseins in die alltäglichen Zwänge ist hier schön dargestellt.
Ebenso die abfallenden Splitter, denen nicht nachgeweint werden soll, weil die Entfernung jener ja das Werkstück erst zum Vorschein bringen (das erinnert auch an die Bildhauerei).

Wichtig ist der "gute" Kern, dem der Mensch treu bleiben sollte.

Sehr weise Zeilen sind das.

Etwas schlechter zurecht komme ich, was Wunder , mit der vorletzten Zeile, aber darüber wollen wir hier nicht diskutieren und es stört mich auch nicht weiter in Anbetracht der Gesamtqualität dieser Zeilen, obwohl dies natürlich die zweite Betrachtungsebene in diesem Text darstellt.

Aber auch der Mensch darf stolz sein, wenn er etwas Schönes (oder Nützliches) erschaffen hat.

Auf jeden Fall hast du auf deiner Lyrikwerkbank ein astreines hexametrisches Werk gedreht.

Das liest man nicht alle Tage und ich habe es genossen.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.11.2012, 16:28   #3
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Hallo Falderwald,

danke für das Lob. Die letzten Zeilen brauchen wir meiner Meinung nach auch deswegen nicht zu diskutieren, weil wir (obwohl wir inhaltlich wahrscheinlich gar nicht so weit auseinander liegen) das Thema aus so entgegengesetzten Perspektiven betrachten, dass wir uns nur unnötig die Köpfe heiß reden würden.

Liebe Grüße
Thomas

Hallo Lipiwig,

normalerweise bewegt man das Werkzeug entlang der Oberfläche des Werkstücks, also parallel zur Drehachse. Bewegt man es senkrecht zur Drehachse, also in das Werkstück hinein, dann nennt man das stechen.

Natürlich kann und soll man an sich selbst arbeiten, aber die Arbeit an sich selbst (bei der man gerne etwas fahren lässt, eben weil man sich selbst verbessert) spreche ich hier nicht an, Ich spreche vom Schicksal, dem man sich ungewollt unterworfen sieht, wo es gar nicht so selbstverständlich ist, dass man den Verlust positiv sieht, versteht oder akzeptieren kann. Wenn einem z.B. ein geliebter Mensch vom Herzen weggerissen wird.

Deine Gedanken sind, wei ich es sehe, ganz richtig und ich freue mich, dass du auf sie gekommen bist und sie ausdrückst, obwohl das Gedicht, wie jedes, begrenzt ist.

Liebe Grüße
Thomas
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