Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Denkerklause

Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 27.01.2015, 20:41   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Der Gefangene

Er hatte oft den schmalen Weg genommen,
hinunter nach dem Dorf in morschen Schuhen
und weiter dorthin, wo die Toten ruhen.
Dort stand er lange Stunden wie beklommen

an jenem Grabe mit dem schlichten Steine,
darin er Frau und Kinder wusste liegen;
dann später war er wieder hochgestiegen,
als trüge er sein Leiden so ins Reine.

Wer wüsste nicht denselben Weg zu schreiten
und nicht Verluste auch, sie zu beklagen?
Wir gehen - oder fallen - durch die Zeiten,

und alles Weh, das wir im Herzen tragen,
kann uns die Seele schnüren oder weiten:
Es macht uns leben - oder ganz entsagen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (28.08.2016 um 22:55 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.01.2015, 03:23   #2
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
Benutzerbild von Lailany
 
Registriert seit: 23.05.2009
Ort: nördlich von Auckland/Neuseeland
Beiträge: 945
Standard

Kia ora Eky,
wieder eins Deiner berührenden Werke, die einem beim Lesen die Kehle trocken und die Augen feucht werden lassen.
Dass man bei Deinen Texten immer wieder rare lyrische Perlen entdeckt, ist ja eins Deiner Hallmarks und ich hab immer wieder meine helle Freude daran, sie als 'ganz besonders fein' hervorzuheben:

'darin er Frau und Kinder wusste liegen'.... wunderschön formuliert.

In S3 Z2 komm ich nicht ganz klar, worauf sich 'sie' bezieht und lese ich mir immer wieder ein 'die' ein.

S2 Z3:
Hier gefiele mir sogar ein weiteres 'und' noch besser als das lapidar simple 'dann', das sich bei Deiner hochglanzpolierten Sprachführung als besonders mausgräulich hervortut.

Tja, Deine Fangemeinde ist verwöhnt. Selbst schuld.

Sehr gern gelesen und besenft.

HG von Lai
__________________
.................................................. ...........................................
"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

Geändert von Lailany (28.01.2015 um 03:41 Uhr)
Lailany ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.01.2015, 17:20   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Lai!

Danke für die "Fangemeinde" - ich wusste nicht, dass ich eine habe. Einzelne vielleicht, die meinen "altmodischen" Stil zu schätzen wissen - aber gleich eine ganze Gemeinde?! Das freut den alten Reimeschinder!

S3Z2 - ist korrekt so. Wen oder was zu beklagen? - "sie", die Verluste.

Bei dem "dann" habe ich selbst länger hin und her überlegt, ob das oder ein "und" besser wäre - letztlich richtete ich mich nach Sprachflüssigkeit und Satzmelodie, und da erschien mir das "dann" etwas bündiger.
Dass es dir zu lapidar erscheint, will ich schweren Herzens () in Kauf nehmen.

Vielen Dank für die freundlichen Gedanken!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.01.2015, 17:37   #4
Chavali
ADäquat
 
Benutzerbild von Chavali
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Mitteldeutschland
Beiträge: 13.001
Standard

Servus Erich

da bin ich auch mal wieder bei dir!
Ein Sonett, das anspricht und tiefes Mitgefühl auslöst.
Zitat:
darin er Frau und Kinder wusste liegen;
Diese Formulierung bzw. Satzverdrehung finde ich im Gegensatz zu Lailany nicht so gelungen.

Ansonsten bin ich auch wieder ganz angetan von diesem Text, denn fast niemand hier versteht es so wie du,
tiefe innere Gefühle zu verdichten und philosophische Schlussfolgerungen zu ziehen.
Der arme Mann ist Gefangener seiner eigenen Trauer und vermag sich nicht mehr daraus zu befreien.

LG Chavali


__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
Chavali ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.01.2015, 18:45   #5
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard

Lieber eKy,

ich war zwischendurch Sekretärin einer Domgemeinde und damit ein Gemeindeglied.
Wären die Kommentare darauf beschränkt, hättest du sie (die Gemeinde) eh.

Nun aber zum Sonett:

Du lässt abermals ein Leben in die Leben einfließen und vollendest es in Lyrik.

Die erste Strophe und die ersten Verse der zweiten benennen ein Schicksal - die weiteren führen zum "Umgang" mit Schicksal und Schmerz an sich.
Darin liegen Antworten und Möglichkeiten, wie sie im Einzelnen gegeben und durchlebt werden.
Ein Jeder für sich - aber über die (deine) Lyrik berührend und tröstend ob der Unterschiedlichkeit.
Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr gut ich es finde.

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.01.2015, 21:51   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Chavali!

Danke für das Lob!

S2Z2 - An sich bin ich auch kein Freund von Inversionen, aber hier gefiel mir die Wendung sprachmelodisch sehr gut, daher gestattete ich mir diese Ausnahme.


Hi, Dana!

Auch dir herzlichen Dank für die wohlwollenden Worte!


LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 09:51 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg