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#5 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Lieber Aufwind,
sei gegrüßt auf der Insel. Ich glaube das wesentliche Problem, was Erich als falschen Pathos empfand, besteht darin, dass du einen Aufruf schreibst. Die bekommen der Poesie nicht, da bei einem Aufruf der Zweck ganz im Vordergrund steht – ähnlich wie bei einer Gebrauchsanweisung, die selbst in gereimter Form nicht zum Gedicht wird, etwas „Sie müssen nur dem Nippel durch die Lasche ziehn...“ Wenn du die gleiche Aussage persönlich, bzw. zu etwas Persönlichem machst, besteht die Möglichkeit, dass sie poetisch wird. Der Leser kann dann erkennen und möglicherweise frei entscheiden, sich die darin enthaltene Aufforderung zu Eigen zu machen. ![]() Ich füge zwei Beispiele von Heinrich Heine an, bei denen mir das gelungen erschein. Liebe Grüße Thomas Doktrin Schlage die Trommel und fürchte dich nicht, Und küsse die Marketenderin! Das ist die ganze Wissenschaft, Das ist der Bücher tiefster Sinn. Trommle die Leute aus dem Schlaf, Trommle Reveille mit Jugendkraft, Marschiere trommelnd immer voran, Das ist die ganze Wissenschaft. Das ist die Hegelsche Philosophie, Das ist der Bücher tiefster Sinn! Ich hab sie begriffen, weil ich gescheit, Und weil ich ein guter Tambour bin. Enfant Perdu Verlorner Posten in dem Freiheitskriege Hielt ich seit dreißig Jahren treulich aus. Ich kämpfe ohne Hoffnung, daß ich siege, Ich wußte, nie komm ich gesund nach Haus. Ich wachte Tag und Nacht - Ich konnte nicht schlafen, Wie in dem Lagerzelt der Freunde Schar - (Auch hielt das laute Schnarchen dieser Braven Mich wach, wenn ich ein bißchen schlummrig war.) In jenen Nächten hat Langeweil ergriffen Mich oft, auch Furcht - (nur Narren fürchten nichts) - Sie zu verscheuchen, hab ich dann gepfiffen Die frechen Reime eines Spottgedichts. Ja, wachsam stand ich, das Gewehr im Arme Und nahte irgendein verdächtger Gauch, So schoß ich gut und jagt ihm eine warme, Brühwarme Kugel in den schnöden Bauch. Mitunter freilich mocht es sich ereignen, Daß solch ein schlechter Gauch gleichfalls sehr gut Zu schießen wußte - ach, ich kann's nicht leugnen - Die Wunden klaffen - es verströmt mein Blut. Ein Posten ist vakant! - Die Wunden klaffen - Der eine fällt, die andern rücken nach - Doch fall ich unbesiegt, und meine Waffen Sind nicht gebrochen - nur mein Herze brach.
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
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