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Gesperrt
Registriert seit: 15.09.2012
Beiträge: 223
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Hallo Erich,
ich bin ein Kriegskind, ich bin Jahrgang 41, ich habe die ersten Lebensjahre im schwer bombardierten Zentrum Berlins zwischen nächtlichem Sirenengeheul, Luftangriffen und Todesangst verbracht. Was ich dabei empfunden hatte, so klein, wie ich war, und obwohl ich vieles noch nicht verstand, macht mir noch heute, ohne dass ich es will, Gänsehaut. Da hat sich mir etwas meinem Unterbewussten für das ganze Leben eingeprägt. Natürlich interessiert mich aus diesem Grunde ein Gedicht mit dieser Thematik sehr. Wenn ich dein Gedicht lese, fällt mir als erstes auf, dass hier kein Kind spricht, sondern eine Erwachsene, die über Erlebnisse ihrer Kindheit spricht. Und wenn ich diesen Aspekt in Betracht ziehe, dann erscheint mir das Gedicht nicht nur sprachlich zu sehr "geglättet" - wie übrigens alle deine Texte. Was mich aber wirklich an diesem Gedicht unberührt lässt, ist nicht das sprachliche Glatthobeln, sondern die Substanzlosigkeit der Einsichten, die das LI daraus schöpft und die du ebenfalls "glatthobelst", vorausgesetzt, Einsichten von Substanz waren überhaupt vorhanden. Schließlich spricht hier ein Erwachsener, der eine tiefgründigere Einsicht in Zusammenhänge haben müsste, als du sie hier offenbarst. Eine wirkliche Rückschau auf schreckliche Kindheitserlebnisse ist dein Gedicht für mich nicht. Selbst wenn ich ein angenommenes Trauma deines LI in Betracht ziehe, das es ihm verweigert, sich zu erinnern. Für deine Generation ist Krieg ein Teil Geschichte, die vorbei war, als du auf die Welt kamst. Du kannst also nicht aus eigenem Erleben sprechen, stellst dir irgend etwas vor, dass es so hätte gewesen sein können, und das erklärt auch die nicht zu übersehende "Flachheit" beim Herangehen an das Thema, um es mal so zu nennen. Ehe man solche, durchaus gutgemeinte Gedichte schreibt, sollte man lieber keines zu diesem Thema schreiben, das ist meine Ansicht. Weil es den Krieg zu einer harmlosen Angelegenheit erklärt, die man als "Kindheitserlebnis" hinter sich lassen könnte oder müsste oder sollte - auch wenn dir das nicht bewusst sein sollte. Aber nicht nur deshalb. In meiner literarischen Ausbildung gab es einen Standardsatz: Schreibe nur darüber, was du kennst. Und wie sich an diesem Text erweist, reicht es eben nicht, etwas nur "irgendwie" zu kennen. Lieben Gruß Antigone Geändert von Antigone (22.12.2012 um 14:12 Uhr) |
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#2 |
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TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, gestrenge Antigone!
Es lag mir fern, mich mit fremden "Federn" schmücken zu wollen, und bezüglich der Tiefe magst du recht haben. Es war allerdings nie meine Intention, möglichst "authentisch" zu klingen. Ich wollte nur meinem Mitgefühl für diese Menschen Ausdruck verleihen, meinen Respekt für ihr Leiden zum Ausdruck bringen. (Lies den Kommi über dem deinen) Wäre ich selbst derlei ausgesetzt gewesen, ich wäre wahrscheinlich sprachlos geblieben - zuviel Unbewältigtes und Schmerzliches, um darüber zu dichten! Die sprechende Person in diesem Gedicht ist eine von jenen, die verdrängt, totgeschwiegen haben, die innerlich daran zerbrochen sind und nie Heilung fanden. Ihre innere Kälte hat sie nie losgelassen, und das Leben (wie die Erinnerung) ist Zustand der Gleichgültigkeit, den sie lapidar beschreibt. Natürlich kommt so keine tiefere Auseinandersetzung mit dem Trauma zustande, wenn es so gründlich sublimiert wurde. Dein diesbezüglicher Vorwurf erscheint mir also, bedenkt man die seelische Verfassung der Protagonistin, ungerechtfertigt. Ich schreibe ohnehin selten sozialkritisch, weil ich weiß, wie schwierig es ist, nicht in Pathos oder Heuchelei abzugleiten. Jedem gerecht werden kann man da ohnehin nie. Mehr als die eigene Vorstellungskraft hat man als Friedenskind nun mal nicht, um das Unbeschreibliche zu beschreiben. Du hast eine Meinung zu meiner Umsetzung, ein anderes Kriegskind vielleicht eine andere. LG, eKy PS: Liegt es an mir, oder klingt tatsächlich jeder kritische Einwand von dir wie ein persönlicher Vorwurf? Du scheinst es jedenfalls immer wieder zu schaffen, verletzend, ja herabwertend zu formulieren. Wahrscheinlich versuchst du nur ehrlich zu sein, aber es kommt oft auf ziemlich herablassende Weise herüber, so als wäre jeder Mangel anderer in deinen Augen deren persönliche Schuld. Nun, ich versuche davon auszugehen, dass es dir mitunter nur ein wenig an Einfühlungsvermögen in anderer Leute Empfindlichkeiten mangelt - und wer von uns könnte da wohl ohne Schuld den ersten Stein werfen?
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (22.12.2012 um 23:57 Uhr) |
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