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Alt 15.01.2012, 18:48   #1
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo wüstenvogel,

das hätte ich beinahe übersehen...

Zitat:
Ideologien gleich welcher Art haben die Menschheit schon immer an den Rand des Verderbens geführt.
Ich teile auch deine Kritik an bestimmten Auswüchsen des Islam, des Judentums und vor allem des Christentums. Die Hexenverfolgungen stehen für mich auf einer Stufe mit den Judenverfolgungen im "3. Reich".
Dem stimme ich zu.
Ich möchte nur noch hinzufügen, daß diese Hexenverfolgungen, die sich ja gegen Frauen und Männer gleichermaßen richteten, nicht nur ein Produkt verblendeten Glaubens waren, sondern auch Mittel zum Zweck unerwünschte (politische) Gegener aus dem Weg zu räumen, Wissen, Fortschritt und andere Weltanschauungen zu unterdrücken und vor allem auch, um sich materielle Besitztümer wie z. B. Ländereien anzueignen.


Zitat:
Das spricht aber nicht gegen bestimmte Ideen des (Ur)Christentums.
Gehen wir einmal davon aus, daß es die historische Person Jesus von Nazareth gegeben hat.
Er selbst konnte sich noch gar nicht als Christ in diesem Sinne bezeichnen, er war ein jüdischer Prediger, denn er hatte nichts anderes als das alte Testament, auf das er aufbauen konnte.
Ich gehe (mit Schopenhauer) davon aus, daß Jesus, der aus einer armen Zimmermannfamilie stammte, bei seinem Bildungsstand eine ägyptische und damit für die damaligen Zeiten eine kosmopolitische Erziehung genossen haben muss.
Dabei hat er erkannt, daß es nicht nur ein auserwähltes Volk gibt, sondern daß alle Menschen gleich seien und dies war der Inhalt seiner Lehren und somit war die alte Ordnung in Palästina bedroht.
Erst nach seinem gewaltsamen Ableben entwickelte sich das Christentum und gründete auf Wundern und Offenbarungen, die man den naiven Menschen der damaligen Zeit nahezubringen versuchte.
Jesus wurde zu einer Legende stilisiert, die genau in das Bild der Zeit passte.
Man musste schon daran glauben, um es als wahr anzunehmen.
Dieser Glaube basierte auf erfundenen Geschichten und Allegorien und es ist egal, welche Moral damit transportiert werden sollte, es ist und bleibt eine Moral, die den vorhandenen menschlichen Egoismus benutzt, um moralisch wertvolle Handlungen zu erzielen, sozusagen eine geschickte Psychologie in einem einfachen Gewande.
Himmel und Hölle, Gott und Teufel, Zuckerbrot und Peitsche.
Und alles basierend auf einer des Menschen widernatürlichen, das Leben verneinenden Art, welche auf ein völlig unbewiesenes Jenseits abzielt und solcherweise mit Versprechungen lockt, die nicht eingehalten werden können.
Und der Clou des Ganzen ist, bisher hat sich noch niemand darüber beschweren können.
Für mich stellt das Ganze eine Farce dar, eine auf Lügen und Unwahrheiten aufgebaute Geschichte die zu einer moralischen Wahrheit hinführen soll.
Ich behaupte hingegen, daß dies wertlos im eigentlichen moralischen Sinne ist, denn alle Handlungen, die nicht aus eigener Überzeugung geschehen, sind erzwungene Handlungen, eines freien Menschen unwürdig und degradiert ihn zu einem bloßen Lebewesen, was nicht in der Lage ist, aus sich selbst zu erkennen, was Gut und Böse ist.
Das einzige was der Mensch bräuchte, wäre Mitleid in ausreichendem Maße, also die Fähigkeit sich selbst im anderen zu erblicken.
Nur wenn ich diese besitze, mich also selbst im anderen zu erkennen, als leidendes und fühlendes Wesen, wird es mir möglich sein, moralisch einwandfreie Handlungen zu begehen.
Und dafür bedarf es keines Gottes oder irgendeiner höheren unglaublichen Macht.

Deine Worte sagen ähnliches aus, aber dann frage ich, wofür die Religiosität überhaupt noch gebraucht wird.

Sind die Menschen immer noch so naiv wie vor zweitausend Jahren, daß sie so etwas benötigen? Hätten sie sich, nicht zuletzt durch Kant und Kollegen, weiter entwickeln können?

In jeder Religion finden sich Wahrheiten, aber alle sind nach demselben Schema gestrickt, denn nur so können sie funktionieren.

Der Buddhismus macht da die einzige Ausnahme, weil er auf Freiwilligkeit und die Fähigkeit der eigenen Erkenntnis setzt.
Nötig ist er hingegen genau so wenig.

Neulich sagte jemand zu mir, nachdem ich seinen Glauben abgelehnt habe, er würde für mich beten.
Ich antwortete ihm, er solle seine Energien sinnvoll nutzen, einem Alten oder Einsamen ab und an Gesellschaft leisten, einem Kind Lesetraining geben oder sich sonstwie sozial engagieren und praktische Lebenshilfe geben, anstatt in einer Kirche seine Lebenszeit sinnlos zu verschwenden mit unnützen Gebeten an einen nicht vorhandenen Gott in der Hoffnung seines eigenen Seelenheils.

Ich kann keiner Religion irgendetwas abgewinnen.

Und noch viel weniger kann ich mir bei meinem heutigen Wissenstand vorstellen, um es einmal mit Arthur Schopenhauer zu sagen, daß ich eines Tages vor ein individuelles Wesen treten und mich rechtfertigen soll:
Einst war ich nichts, dann hast Du mich aus Nichts erschaffen, dafür bin ich Dir dankbar und wenn ich gefehlt haben sollte, dann ist das meine Schuld.

Das kriege ich beim besten Willen nicht fertig.

Ich hoffe, du nimmst mir meine Ausführungen jetzt nicht übel, aber das sind meine Gedanken...


Danke für die erneute Rückmeldung...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 15.01.2012, 20:42   #2
wüstenvogel
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Hallo Falderwald,

warum sollte ich dir deine sehr ausführlichen und nachdenkenswerten Ausführungen übel nehmen?

Sicher war Jesus nicht mehr und nicht weniger als ein bemerkenswerter Mensch (wenn es ihn überhaupt gegeben hat). Ob er besondere Kräfte und Fähigkeiten besessen hat, kann niemand (mehr) sagen. Das wird sehr gut in dem Buch "Ein Mensch namens Jesus" von G. Messadie beschrieben.

Da ich nicht GLAUBE, dass die Entwicklung allen Lebens bloßer Zufall und eine Entwicklung von gewissen (günstigen oder ungünstigen) Umständen ist, sondern dass dazu so etwas wie ein "göttlicher Funke" oder eine Idee notwendig ist, würde ich mich als religiösen Menschen bezeichnen.

Was mich an der Person von Jesus so fasziniert, ist die Einheit von Theorie
und Praxis in seinem kurzen Leben und sein konsequentes Eintreten für die Menschen am Rande der Gesellschaft. Das hätte natürlich auch ein "normaler Mensch" tun können.

Du hast es sehr gut auf den Punkt gebracht:

"Das einzige, was der Mensch bräuchte, wäre Mitleid in ausreichendem Maße, also die Fähigkeit, sich selbst im anderen zu erblicken."

Jesus hat dazu gesagt: "Was ihr dem geringsten meiner Brüder angetan habt, das habt ihr mir getan."

Ich denke schon, dass die religiösen Propheten notwendig sind - so lange, bis wir ihre Lehren verinnerlicht haben und sie damit aufgehoben, überflüssig sind.

Vielleicht hast du aber auch Recht, wenn du sagst, dass die Religonen mehr Unheil als Heil bewirkt haben - einiges spricht dafür, anderes dagegen.

Wichtig ist, was du in deinem neuesten Gedicht so klar ausgedrückt hast, dass wir Menschen uns in Toleranz üben müssen.

Viele liebe Grüße

wüstenvogel
wüstenvogel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.01.2012, 20:55   #3
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo wüstenvogel,

ich glaube auch nicht, daß das Leben sich zufällig entwickelt hat.
Aber ich glaube daran, daß es eine Folge der sich bietenden Umstände war.
Das Streben der Natur ist die Existenz als solche.
Wie diese Existenzen aussehen, hat sie immer wieder mannigfaltig unter Beweis gestellt.
Aber einen göttlichen Funken kann ich nicht erkennen.
Die Lebensenergie ist nicht unerklärlicher, als die Elektrizität, der Magnetismus, die Gravitation, die chemische Reaktionsfähigkeit der Stoffe usw...
Es muss kein göttlicher Wille dahinterstecken, aber es kann.
Aber das ist nur eine von unendlich vielen Möglichkeiten. Und die endgültige Wahrheit werden wir wohl in diesem Leben nicht mehr in Erfahrung bringen können.

Dein Beitrag ist ein sehr schönes Schlusswort und wir sollten das als Abschluss einer netten Diskussion so stehen lassen...


Liebe Grüße

Falderwald
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