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#1 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, Thomas!
Um das Leben zu schätzen und zu ermessen, muss man nicht religiös sein. Religiöse Menschen tun sich bloß leichter mit der Sterblichkeit, weil sie sich ja dank ihrer Verstiegenheit "auf der sicheren Seite" glauben. Je nach Glaubensrichtung haben alle ihr fertiges Ablebensrezept in der Tasche, das sie dank Abschaltung höherer Hirnfunktionen über das kommende Ende hinwegtröstet. Wir logisch Denkenden, die mit einem Sterben ohne Nachleben rechnen, schneiden das Thema oft weniger gern an. Allerdings machen auch wir uns natürlich Gedanken. In diesem Falle wollte ich die Tropfen mit der Existenz der Menschen vergleichen: Gerade weil wir endlich sind, leuchten wir im rechten Lichte umso heller, weil wir wenigstens im Gedächtnis der Nachwelt ein wenig Unsterblichkeit erringen wollen. Dies ist die "Wonne" im Sterben, dieser Glanz und diese Größe, derer wir fähig sind, weil wir erschaffen, wohl wissend, dass unser Dasein ein stetes Sterben, ein Verfall ist, wie das Verdunsten der Tropfen auf dem Glase. Und dennoch - ich erinnere mich des Leuchtens, und so haben sie, verglichen mit der Dauer ihrer Existenz, auch ihre Unsterblichkeit gefunden. LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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#2 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 14.03.2009
Ort: wien
Beiträge: 4.893
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hallo erich,
ich muss sagen, die conclusio hat mich doch überrascht, vor allem, weil ja die erste zeile noch ganz anders abschließt. das bild, das sterben mit dem ausgewittert-haben zu vergleichen, finde ich höchst interessant. das gefällt im ausnehmend gut. insgesamt ist das gedicht ein in sich versammteltes schmuckstückchen, wie ein kleiner diamant, in dem sie sonnenstrahlen funkeln. und mich beschleicht ein leiser grundverdacht: dass nämlich leben und sterbn gar nicht so grundverschieden sind ...... fein gemacht, mein glückwunsch! larin (anmerkung zum wort "reiligiös", das viele verwenden und damit "konfessionell gläubig" meinen: "religio" in der ursprünglichen wortbedeutung heißt: "sich zurück verbinden" - und das kann man tun, mit und ohne konfessionellem background. man kann "religiös" sein - und trotzdem keiner konfession sich nahe fühlen. somit wäre das also kein widerspruch. quod erat demonstrandum: erich hats bewiesen!)
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich! Geändert von a.c.larin (06.01.2012 um 12:06 Uhr) |
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#3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Lieber Erich,
danke, dass du das erklärt hast. Nachdem ich nun verstehe, wie du denkst, wird dir vermutlich auch das folgende Distichon von Friedrich Schiller zusagen: UNSTERBLICHKEIT Vor dem Tod erschrickst du? Du wünschest unsterblich zu leben? Leb im Ganzen! Wenn du lange dahin bist, es bleibt. Das ist ausführlicher z.B. in seinen 'Philosophische Briefen' dargestellt, wo er die Frage beantwortet: 'Wie ist es möglich, dass wir den Tod für ein Mittel halten, die Summe unserer Genüsse zu vermehren? Wie kann das Aufhören meines Daseins sich mit Bereicherung meines Wesens vertragen?' Und zwar ohne 'die Voraussetzung von einer Unsterblichkeit, d.h. ohne dass wir 'der Anweisung auf ein anderes Leben' bedürfen. (Bitte nicht vom Sturm-und-Drang-Stil des jungen Schillers abschrecken lassen.) Das mit der Religion sehe ich ähnlich gelassen, wie Larin; Religion ist einfach der Versuch der Antwort auf die Fragen der eigenen Rolle im 'Ganzen' und somit wahrscheinlich gar nicht sehr unterschieden, von dem, was du denkst. Liebe Grüße Thomas |
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#4 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, larin, Thomas!
Jetzt seid ihr bei mir! Genau das wollte ich ausdrücken. Und...danke für das "Schmuckstückchen", larin! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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