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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 25.08.2011, 16:13   #1
Walther
Gelegenheitsdichter
 
Registriert seit: 09.11.2009
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Beiträge: 3.210
Standard Schleiertanz

Schleiertanz


Du spanntest Deinen roten Samtvorhang
Mir gerne über meine müden Augen.
Sie aus den tiefen Höhlen auszusaugen:
Du lachtest lauthals, als es Dir gelang.

Erzähle nicht, Du wolltest nicht betrügen:
Verbrämung gibt der Wahrheit selten Schwung,
Sie dient als Milchglas der Erinnerung
Und hilft beim elenden Sich-selbst-Belügen.

Längst war vergangen das, was für uns sprach:
Die Wünsche hängen oftmals Träumen nach
Und können den Verfall doch nicht bezwingen.

Du tanzt vor mir den gleichen Schleiertanz:
Ihm fehlen Jugendschmelz und alter Glanz.
Verlorenes kannst Du so nicht erringen.
__________________
Dichtung zu vielen Gelegenheiten -
mit einem leichtem Anflug von melancholischer Ironie gewürzt
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Geändert von Walther (05.09.2011 um 13:34 Uhr)
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Alt 26.08.2011, 16:55   #2
Stimme der Zeit
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Beiträge: 1.836
Standard

Hallo, Walther,

ich verstehe unter diesem "roten Samtvorhang" das samtig-weiche Umschmeicheln, um (in diesem Fall) Liebe vorzutäuschen. Das LD "saugte" die Augen des LI "aus". Ich denke, dem LI wurden "Tränen" heraus"gesaugt", also muss ihn das LD oft zum Weinen gebracht haben. Die Müdigkeit wird sicher durch das Wissen des LI ausgelöst, zu viel erlebt, zu viel gesehen, vielleicht ist auch der "Tränenvorrat" erschöpft ...

Zitat:
Du lachtest lauthals, als es Dir gelang.
Ich halte diesen für den eindringlichsten Vers in deinem Gedicht. Es klingt für mich nach Thriumph; das LD genießt die Macht, die es besitzt.

Strophe 2 spricht von Rechtfertigung. Allerdings scheint das LD dem LI nicht mehr zu glauben, sicher wurden die vorgebrachten Ausreden schon viel zu oft gebraucht. Sie "wirken" nicht mehr. Die Verse vermitteln mir aber auch den Eindruck, dass das LD wohl vor allem sich selbst belügt. Ergänzung und Antithese, miteinander im Einklang, das ist sehr gut gelungen. Übrigens: Das elende "Sich-selbst-Belügen" - ein Adjektiv, ja, ja ... *Zwinker".

Das erste Terzett spricht von Resignation. Welche Träume es auch gab, welche Wünsche auch daraus erwuchsen, es bleibt nur der Verfall. Alles, was LI und LD gemeinsam hatten, ist Vergangenheit, in der Gegenwart ist nichts mehr davon übrig.

Im zweiten Terzett erkenne ich das "Sich-selbst-Belügen" des LD wieder. Aber der Versuch, mit den alten, bislang bewährten Mitteln (Verführungskünsten) das LI zurück zu gewinnen, scheitert. Dem "Schleiertanz" fehlt der Glanz. Hier geht es nicht um tatsächliche Jugend, sondern um die Ermüdung des LI, das vom "Tanz" emotional nicht mehr berührt wird. Es funktioniert nicht länger.

Formal gefällt mir die Variante mit dem Wechsel der stumpfen / klingenden Kadenzen und der Schweifreim in den Terzetten. Das ist immer eine schöne Möglichkeit, diese auch reimtechnisch und optisch miteinander zu verbinden. Die inhaltliche Klimax führt von der Vergangenheit in die Gegenwart, von der "Tatsache" über die "Ausrede" über die Resignation zur letztendlichen (finalen) Erkenntnis: Was auch war, es ist verloren. Fein geschrieben!

Ich finde, hier zeigst du wieder deutlich, was du im Bereich "Sonette" kannst. Es war mir ein Genuß!
(Ich meine, was ich sage. Ich könnte an "Längst" betonungstechnisch haarspalterisch kritteln - mache ich aber nicht. Da das Metrum stringent ist, habe ich kein Problem damit.)

Liebe Grüße

Stimme
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Alt 26.08.2011, 20:38   #3
Dana
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Beiträge: 5.637
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Lieber Sonett-Walther,

mir gefällt dein Werk in seiner Tiefe.

Ich sehe ein oberflächliches, leichtfertiges lyr. Du, dass mit seinen "einstudierten Plänkeleien" nicht mehr überzeugt.
Es wurde entlarvt und kann nun niemandem, ganz besonders dem lyr. Ich, nichts mehr vormachen. Heute würde man sagen: "Liebste/Liebster das zieht nicht mehr!"

Die Verletzungen sitzen zu tief und das lyr. Du macht sich nur noch lächerlich (vielleicht spielt hier das Alter mit 'rein?)
Die Dinge (das Zusammensein) bleiben bestehen - es ist schlicht egal, weil es vorher auch nicht anders gewesen ist.
Die Macht der Gewöhnung oder Bequemlichkeit hat ihren Platz errungen.

Traurig, aber noch viel zu oft wahr.

Ein Feines!

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 05.09.2011, 13:55   #4
Walther
Gelegenheitsdichter
 
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Beiträge: 3.210
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Lb. Stimme der Zeit,

gerade habe ich wieder fürchterlich "Land unter", sozusagen "Hochwasser". Daher bin ich gerade mit dem Beantworten meiner Kommentare und der Einstellung eigener etwas im Verzug. Das wird im Laufe der Woche - eher gegen Ende - besser.

Zu Deinen Ausführungen: Auch hier schildert der Autor wieder keinen Ausschnitt aus seinem Leben, sondern er greift ein Thema auf, das sich um die Verführung eines anderen dreht, um damit die Kontrolle dieser Person zu erreichen. Das hast Du sehr schön aufgegriffen.

In der Tat kann es in Beziehungen zu solchen Wettkämpfen darüber kommen, "wer denn das Sagen hat". Auch kann es zum Abhängigkeiten kommen, die eine Trennung nicht mehr möglich machen.

Hier überwiegt die gegenseitige (Ent-)Täuschung eines Paares.

Danke für Deine lobenden Worte.

LG W.

LB. Dana,

auch Dir ein herzliches Dankeschön für Eintrag und Besprechung, aber auch für Deine Geduld. Deine Überlegungen gehen in eine ähnliche Richtung wie oben beschrieben.

LG W.
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