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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 28.08.2011, 01:58   #1
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
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Beiträge: 9.955
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Moin Ida,

ja, vieles liest sich leicht und ist schwer zu verstehen, besser gesagt, man hat kein Verständnis dafür, weil es eben über dieses hinausgeht, was natürlich eine rein moralische Betrachtung sein soll.

Leider kann man nicht hinter die Fassaden schauen, so daß man eigentlich immer die Katze im Sack kauft. Und was willst du machen, dann suchst du dir halt den schönsten Sack aus, in der Hoffnung, kein räudiges Katzenvieh darin zu finden. So ist das Leben...

Und so besteht das Leben eben auch häufig aus Enttäuschungen mit daraus resultierenden Leiden, die dem Menschen schwer zu schaffen machen.
Die eigentliche Glückseligkeit aber besteht doch wohl eher darin, die eigenen Leiden zu verhindern, zumindest aber sie zu mindern, so daß in solchen Fällen durchaus diesem Zwecke auch einmal ein Traum geopfert werden darf.
Vor allem, wenn sich der einstige Wunschtraum allmählich in einen Alptraum verwandelt hat.
Dann finde ich es legitim, aufzuwachen und diesen zu beenden, oder?

Ich habe das Sonett gewählt, weil ich finde, daß es eines der schärfsten Schwerter ist, was die Lyrik aufzubieten hat.
Ein Sonett richtig angewandt, wird zu einer gefährlichen Waffe in der Hand des Dichters.
Es gibt auch schöne oder besser gesagt, romantische Sonette, doch wie man hier sehen kann, erfüllen sie auch präzise und punktgenau andere Zwecke.


Ich freue und bedanke mich über deinen Kommi und das "sehr gern gelesen"...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 28.08.2011, 14:17   #2
Stimme der Zeit
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Benutzerbild von Stimme der Zeit
 
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Ort: Stuttgart
Beiträge: 1.836
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Hallo, Faldi,

Zitat:
Wie war es denn für dich, als all die Guten
erwachten und zu Tode sich erschraken?
Denn aufgeschlitzt von dir am Fleischerhaken,
begannen sie im Herzen auszubluten.
"Wie war es denn für dich" - das ist eine Frage, die ich mir schon mein Leben lang vergeblich stelle. Welche Art von Befriedigung erlangen Menschen wie der, von dem du hier in deinem Gedicht erzählst, durch ihre Vorgehensweise? Weshalb befriedigt sie das "Aufschlitzen" und "Ausbluten" anderer überhaupt? Das erzählende LI stellt sich offenkundig auch diese Fragen. Derartige Empfindungen kann ich bestensfalls auf einer "Meta-Ebene" des Denkens nachvollziehen, aber das daraus resultierende "Gefühl" (bzw. weshalb es überhaupt empfunden wird) nicht. Das Motiv sehe ich als "Machtstreben" an, und der daraus resultierende "Triumph", der wohl ein "Gefühl der Befriedigung" verursacht. Hier erkenne ich, dass das LD, von dem hier berichtet wird, zunächst Alle erfolgreich zu täuschen verstand, bevor sich das "wahre Gesicht" zeigte - was allerdings früher oder später immer der Fall ist, keine Täuschung kann "ewig" gelingen. Sehr drastisch, die metaphorische Darstellung der Grausamkeit, die hier als Symbol einen Fleischerhaken benutzt. Nun, ich als Leserin "erschrecke" zwar nicht "zu Tode" beim Lesen, aber erschreckt hat mich die bildhafte Vorstellung (die unwillkürlich auftrat) durchaus! Menschen sind zu extremer Grausamkeit fähig ...

Zitat:
Zuerst nur Funken, dann erloschen Gluten
gestorbener Gefühle in den Laken
der Liebesleichen, die in den Kloaken
auf deiner Welt ertranken an den Fluten
Ja, Gefühle können sterben, erlöschen und ertrinken. Interessant, jetzt auf "formaler" Ebene, ist die von dir getroffene Wahl der "Reihenfolge". Zuerst die Tatsache des Sterbens, darauf folgt die Erklärung was gestorben ist und wie. Gefühle sind oft "schwer tot zu kriegen" (ich gestatte mir diese umgangssprachliche Redewendung, da sie sehr aussagekräftig ist), sie "erkranken" zunächst um dann zu "siechen" und erst zuletzt wirklich zu "sterben".

Die "Laken der Liebesleichen" die in den "Fluten aus den Kloaken" ertranken, machen deutlich klar, was mit dem berichtenden LI geschehen ist. Und erzeugen das Vorstellungsbild eines (gelinde gesagt) besonders abscheulichen Menschen.

Zitat:
ernüchterter Gewissheit, daß beim Sterben
der Träume die Gefühle nur genesen,
denn deine Liebe brachte das Verderben.
Ich erkenne eine Art "zweifache" Bedeutungsebene des Begriffes "Fluten". Ich konnte ihn (s.o.) auf die Kloaken beziehen, hier im ersten Terzett ergibt sich daraus die "Fluten ernüchterter Gewissheit". Nachdem die ersten Täuschungen durchschaut wurden, folgte eine Erkenntnis der anderen, wie eine "Flut", die irgendwann zum völligen Erkennen der Wahrheit führte - zur Gewissheit. Diese wiederum ermöglichte es dem LI, Träume (vielleicht auch Wünsche) aufzugeben, an denen zuvor vielleicht noch festgehalten wurde, denn sie aufzugeben ist nicht leicht. Möglich wurde es sicher durch das Erkennen, dass die "Genesung" nur eintreten konnte, wenn sich endlich von ihnen befreit wurde, da sie das LI an der "Krankheit" festhielten, und so ein Gesunden unmöglich machten. Ein kleiner semantischer Widerspruch: Nicht die Liebe brachte das Verderben, sondern eine Lüge, die sich ein Etikett anklebte und das Wort Liebe lediglich darauf schrieb ... Die Liebe ist nicht verderblich. (Wobei ich von dem spreche, was Liebe ist, nicht von etwas, das lediglich behauptet, sie zu sein.)

Zitat:
Nein, hässlich warst du nicht, das sah ein Blinder,
nicht äußerlich, jedoch dein wahres Wesen
verätzt sogar die Seelen deiner Kinder.
Äußerlichkeiten sind bedeutungslos, denn: Ich esse bei einer auf Hochglanz polierten Orange nicht die Schale, es ist der Inhalt, der mir Nahrung gibt. "Nicht hässlich", "nicht schön", "hässlich", "schön", diese Worte sagen im Grunde - gar nichts aus, wie ich finde. Das "wahre Wesen" liegt im Inneren. Ich habe schon mehrere Male in meinem Leben in einen knackig aussehenden Apfel gebissen - um auf ein verfaultes Kerngehäuse zu stoßen ...

Am schlimmsten finde ich den letzten Vers:

Zitat:
verätzt sogar die Seelen deiner Kinder.
Kinder sind unsere "Zukunft". So lange es Menschen gibt, wird es "weiter gehen", durch sie. Ein Mensch, der in der Lage ist, aus persönlichem Egoismus seinen eigenen Kindern zu schaden ist für mich eine wahre Abscheulichkeit. Selbst im Tierreich kämpfen Mütter und sterben lieber selbst, als zuzulassen, dass ihren Jungen Schaden zugefügt wird. Ein Armutszeugnis für jeden Menschen, der sich durch die darinliegende Unmenschlichkeit selbst das Recht auf die Bezeichnung "Mensch" nimmt. Ich jedenfalls spreche ihm dieses Recht ab.

Ein Gedicht, das mit Fug und Recht im Forum "Trauer und Düsteres" steht. Sehr eindringlich und emotional aufwühlend, dein Sonett.

Formal betrachtet absolut einwandfrei, darüber brauche ich mich nicht weiter aus zu lassen. These, Antithese (hier ergänzende Erklärung) und die Synthese in Form der Erkenntnis sind sehr treffend dargestellt.

Ebenso stimmig sind Metrum, Kadenzen und Reimschema. Es ist eine Erzählung, ein Bericht über Ereignisse der Vergangenheit, dessen Folgen sich offenbar bis in die Gegenwart hinziehen.

Am Anfang irritierten mich die "umarmenden" Reime ein wenig, aber wenn ich die zweite Bezeichnung, nämlich "umfassende" Reime hinzuziehe, sehe ich sie doch als "passend" an - denn sie stellen die Thematik "umfassend" dar. Ein Sonett bietet mehr Möglichkeiten, als häufig gedacht wird. Es ist eine Frage der Auffassung, denn diese Gedichtform ist flexibler und vielfältiger, als gemeinhin angenommen. Sie kann durchaus einen dramatischen und düsteren Inhalt "tragen".

Besonders möchte ich auf das Enjambement hinweisen, das vom zweiten Quartett zum ersten Terzett führt. Die "Weiterführung" des Begriffes "Fluten", die deshalb zwei Bedeutungsebenen darstellt, ist ein hervorragendes "Stück Handwerkskunst". (Ich hoffe, du verstehst diese Anmerkung richtig.)

Mein persönliches Fazit: Ein sehr, sehr gut gelungenes Werk! Aufgrund der Thematik vermeide ich den Begriff "schön", aber du weißt sicher, wie ich es meine.

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
__________________
.

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Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


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