Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Stammtisch

Stammtisch Gesellschaft, Politik und Alltag

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 08.06.2011, 20:23   #1
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Stimme der Zeit
 
Registriert seit: 15.03.2011
Ort: Stuttgart
Beiträge: 1.836
Standard

Guten Abend, Faldi,

ja, die weißen Westen. Wo die wohl das Waschmittel herhaben? Unsereins könnte sich das gar nicht leisten. Obwohl, vielleicht mit Chlorbleiche, aber das greift den Stoff so an ...

Nein, natürlich hat der Protagonist in deinem Gedicht sowieso nie irgendetwas jemals gewusst oder auch nur geahnt. Fehlt nur der "Heiligenschein".

Für mich besteht die hohe Kunst der Politik ohnehin aus der Kunst, stundenlang zu reden ohne dabei auch nur ein Wort zu sagen. Rhetorikkurse und Redenschreiber, das kann man ja wunderbar (auf Staatskosten) lernen.

Wobei nun dieses Werk das "Gegenstück" der Rhetorikkunst ist. In wenigen Strophen präzise alles gesagt, was wichtig ist, und auf den Punkt gebracht. Fein gemacht!

Zitat:
Das konnte ich doch alles niemals ahnen,
ja davon habe ich auch nichts gewusst,
so eine Sache ist nicht einzuplanen,
wer denkt schon an Erinnerungsverlust.
Genial ausgedrückt. Eine Musterdarstellung vollkommen ahnungloser Unschuld. Das LyrIch hatte ja nie mit irgendwas zu tun, das es ja immer gar nichts von Nichts ahnte oder wusste. Deshalb konnte auch nie etwas geplant werden, natürlich nicht.

Zitat:
Ich wollte immer nur das Allerbeste
und strebte nach dem hohem Ideal,
stets wohlbedacht auf meine weiße Weste
ganz ohne Fleck als Sinnbild der Moral.
Selbstverständlich wollte er nur das Allerbeste, immer und ausschließlich und für Alle. Vor allem für die eigene Weste. Die Moral daraus? Fleckenlos, denn die Leichen schafft jemand anders in den Keller - damit man sich nur ja nicht schmutzig macht!

Zitat:
Ich lächle immmer, denn ich bin der Gute, - (Tippfehlerchen)
der höfliche Moment ist mein Programm,
an Ort und Stelle pünktlich zur Minute
erscheine ich gepflegt als Unschuldslamm.
Aber ja, immer Zahnpastareklame (wobei ich mich schon seit langer Zeit frage, wie man ein Dauerlächeln auf dem Gesicht "festkleben" kann?), immer höflich, immer superpünktlich und immer gepflegt. Den Anzug muss das LyrIch ja auch nicht selbst bezahlen, das übernimmt freudig der Steuerzahler. Die Reinigung auch. Damit das Lämmchen schön weiß bleibt.

Zitat:
Dort gebe ich die Antwort auf die Fragen
im allseits altbekannten Doppelsinn,
weil ich stets niederträchtig und verschlagen
mit voller Überzeugung Staatsmann bin.
Na ja, das hier ist die Conclusio bzw. die Auflösung - aber wo kommt denn hier plötzlich das Geständnis her??? Ist er high oder besoffen? Ich bezweifle doch sehr, so etwas jemals erleben zu dürfen (toll wär's ja, aber ich bin kein Phantast). Das ist ja ehrlich! Nicht zu fassen ...

In diesem Sinne: Gloria und Halleluja!

Sehr gerne gelesen und mit(ent)glorifiziert.

Liebe Grüße

Stimme

(Nr.1)
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


Stimme der Zeit ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.06.2011, 23:14   #2
Galapapa
Galapapa
 
Registriert seit: 19.04.2009
Ort: Nordschwarzwald
Beiträge: 878
Galapapa eine Nachricht über MSN schicken
Standard

Hallo Falderwald,
das hab ich mit Genuss gelesen! Einmal handwerklich perfekt; das nenne ich "gefällig zu lesen".
Und dann natürllich auch inhaltlich ein Genuss. Besonders gefallen hat mir, wie man sich beim ersten Mal durch den Text liest und insgeheim denkt: "Na, der ist aber von sich überzeugt!"
Dann reift mit den Strophen der Eindruck, dass "der" doch was zu verbergen hat oder versucht.
Schließlich die Aufklärung mit der letzten Strophe und das nicht unterdrückbare Grinsen.
Wenn ich darüber nachdenke, stelle ich fest, ich habe mich im Lauf meines Lebens daran gewöhnt, wie diese Leute sind und wie sie agieren und argumentieren. Ich denke mir schon gar nichts mehr dabei, es erscheint normal.
Stell Dir vor, in der Zeitung würde stehen "die meisten Politiker sind Gauner". Meine Reaktion wäre ein breites, zustimmendes Grinsen. Eigentlich unglaublich.
Gerade deshalb ist Dein Gedicht ein wichtiger Beitrag als Denkanstoß.
Danke dafür und herzliche Grüße an Dich!
Galapapa
Galapapa ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.06.2011, 19:12   #3
Dana
Slawische Seele
 
Benutzerbild von Dana
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 5.637
Standard

Lieber Faldi,

das Spannende an deinem Gedicht ist, dass man als Leser ( oder nur ich )noch in der 3. Strophe an einen "ordentlichen Biedermann" glaubt, den der Autor ein wenig auf die Schippe nimmt und der Leser noch ein paar "Verteidigungsgedanken" hegt: "Lass ihn doch, er will nur spielen."

Dann aber, nach der 4. Strophe weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Der Protagonist ist ein alter Bekannter.

Ein tolles Gedicht, Faldi. So bewährt wahr, dass man am Ende doch grinst, weil man weiß, sie werden nicht alle.

Ich frage mich, wie die sich selbst fühlen.
Manchmal ist man ähnlich. Man weiß etwas und behauptet zur Verteidigung, dass man es nicht gewusst hat. Es ist den Notlügen sehr ähnlich.
Man "behauptet" sich, trotz Wissen, fühlt sich nicht wohl und ist froh, wenn Gras darüber gewachsen ist. Irgendwann bekennt man sich, weil man damit doch nicht leben konnte.

Und jene? Kann es sein, dass sie darin so geübt und verstrickt sind, dass sie, um zu "überleben", ü b e r z e u g t sind von dem, was sie behaupten, versprechen und tun?
Sind es Automaten, die nur funktionieren, wenn sie Geld schlucken?

Liebe Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Stille, heilige Nacht Galapapa Finstere Nacht 16 11.02.2010 15:57
Rund um die Heilige Geburt Medusa Denkerklause 11 18.12.2009 16:05


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 19:18 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2025, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg