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Alt 15.08.2017, 09:11   #6
Kokochanel
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Liebe Liara,

habe lange überlegt, ob ich das Werk kommentieren soll, aber da du schriebst, du hast dir viel Mühe damit gemacht, möchte ich ein paar Gedanken dazu äußern.
Die Szene ist als Bild gelungen, man kann mitfühlen mit dem kleinen Jungen, denn dass „vergessene“ Kinder kein Einzelfall sind, ist sicherlich unbestritten.
Es soll zwar eine Art lyrische Kurzprosa sein, aber mir fehlt mir das Poetische. Auf mich wirkt es wie eine Beschreibung.
Ich würde also die Gefühle verstärken, indem ich Bilder einsetze, die die Gefühle des Kindes symbolisieren. Dass Vater nicht kommt, ist ausschlagebend, nicht, dass er arbeitet. (Aus Sicht des Kindes). Auch dass er auf einen Ausflug wartet, kommt nur im Titel. Mir ist das zuwenig.
Die Kurzsätze hingegen sind typisch für Kurzprosa, auch die Namenlosigkeit. Im Grunde bleibt der Junge unbekannt. Bis auf die kleine Szene. Typisch für Kurzprosa.

Ich habe es mal verändert, so wie ich es schreiben würde. Nimm dir, was du gebrauchen kannst:

Ein kleiner Junge steht auf der Fensterbank. Die Schildmütze mit dem bunten Logo tief ins Gesicht gezogen. Angestrengt schaut er auf die belebte Straße. Der Wind bauscht die geblümte Gardine, die sich wie schützend um seine zarten Schultern legt.
Er hat sich ausgehfein gemacht, sein coolstes Outfit angezogen: Das bunte Ringelshirt, seine dunkelblauen Shorts und seine Lieblingsturnschuhe. Vater soll stolz auf ihn sein, wenn er mit ihm den versprochenen Ausflug macht.
Der Kleine starrt auf die Straße, nun schon eine Stunde lang. Das Rucksäckchen, gepackt mit Vesper, Tee, einigen Matchboxes und Bilderbüchern drückt ihm an den Schultern. Er spürt es nicht. Er umklammert seinen Teddy, fester und fester, je mehr Zeit vergeht.
Unten läuft sein Freund vorbei und winkt. Er winkt nicht zurück. Kein Wort kommt von den Lippen, kein Lächeln verzieht seinen Mund. Unbeweglich steht er da, ein paar Stunden lang, sieht unzählige Autos in die Straße einbiegen, parken, Menschen steigen aus. Vaters blauer Van ist nicht dabei.
Irgendwann nimmt Mutter ihn von der Fensterbank, hält sie ihn in den Armen. Er weint nicht.


LG von Koko


PS. @Felix
Die Diachronie zeigt uns, dass Wörter sich in ihrer Konnotation verändern. Über das Wort „dichten“, seinen Ursprung und seine Bedeutungsentwicklung hin vom „Aufschreiben“ bis hin zum „Etwas Ersinnen, das poetisch ist“ gibt es verschieden Thesen. Deine ist eine davon.
Hier aber wiederum nur dazu angetan, eine Autorin süffisant zu maßregeln, denn dass Liara „verdichten“ im Sinne von „komprimieren“ meinte, ist doch völlig klar.
Lyrik ändert sich, Prosa ändert sich, Sprache ändert sich und die diachronische Sprachforschung hat genau zum Ziel, diese Entwicklungen zu beleuchten und wissenschaftlich zu erfassen.
Deine Argumentation ist irgendwo in der Vergangenheit angesiedelt. Sowohl moderne Kurzprosa ( verdichtet, komprimiert) hat heute ihre Daseinsberechtigung ebenso wie auch alte Epen, Dramen, lange Balladen.
Dies grundsätzlich. Und völlig abstrahiert von diesem Werk hier.
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