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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 10.02.2017, 10:50   #1
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 27.08.2014
Beiträge: 470
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Hey Erich!

Hier hast du eine tolle Metapher gelungen im ganzen Sonett ausbreitend dargestellt und zielführen zu Ende genutzt. Sowas mag ich. Ganz kykalsch!
Sprache und sonstige Qualitäten bei Dir müssen wohl kaum unter die
Lupe genommen werden.
Gern gehabt. Terrapin.
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.
Terrapin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.02.2017, 11:36   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Laie, Pinni!

Es geht wohl (fast?) jedem so, dass er eine Zeit im Leben hatte, da er sich unvollkommen und mangelhaft empfand und darob scheu und zurückhaltend war.
Manchen bleibt dies ein Leben lang, und sie müssen um jeden Schritt ins Erleben kämpfen, vor allem, wenn sie von Menschen verraten oder sonstwie enttäuscht wurden.

Ich bin ein solcher Mensch: isoliertes Einzelkind mit sozialen Defiziten, immer der kleinste und dickste in der Klasse, Brillenträger, gekleidet in den Modegeschmack von Pensionisten (alte Eltern) - ein echter Freak/Nerd, nur dass man diese Worte damals noch nicht kannte.
Entsprechend niederschmetternd war dann über die Jahre meiner Schulzeit auch mein sozialer Werdegang. Das perfekte Opfer: trotz aller äußerlichen Mängel war ich mir meiner Klugheit und geistigen Überlegenheit über die meisten meiner Mitschüler bewusst (auch wenn meine Noten das nie bestätigten) und ließ sie, die mich über Jahre quälten, dies auch spüren, wo ich konnte: meine einzige Möglichkeit, Selbstwertgefühl aufzubauen in diesem täglichen Spießrutenlauf der Demütigungen und Gehässigkeiten.
Mein Zynismus machte mich bald zum "Klassenkasper", und mein Mundwerk war gefürchtet. Dennoch blieb ich immer - bis zum Abitur! - der verachtete Sonderling, der kleine Fettsack mit Brille in Omaklamotten, der im Turnunterricht immer als letzter gewählt wurde (unter Augenrollen und Gestöhne), und dem man seine Arroganz neben den üblichen Erniedrigungen auch gern mit Prügeln heimzahlen konnte.
Sowas kann einen schon für's Leben prägen, und Teile davon schleppe ich bis heute mit mir herum. Es hat Jahrzehnte gedauert, mich endlich aus dieser Umklammerung der Niederlage zu lösen. Vertrauen zu den Menschen habe ich nie wieder in dem Maße gefunden, dass ich enge Bindungen eingegangen wäre. Zu tief saß mir das fingerzeigende schallende Gelächter meiner Kindheit und Jugend in der Seele.

Als Teenager führte ich eine "schwarze Liste" mit einer stets aktualisierten Rangliste all jener, denen ich später eine hochnotpeinliche Todesart durch meine Hände zugedachte, weil sie sich meinen glühenden Hass redlich verdient hatten!
Heute trage ich niemandem mehr etwas nach - wir waren jung und stocherten erst unwissend im Leben herum, und so etwas wie Gnade der Weisheit war unbekannt und wurde auch nicht erwartet. Zum Teil war es ja auch meine eigene Schuld, dass ich nie aus diesem Teufelskreis herausfand.

Fazit bleibt jedenfalls, dass ich prädestiniert bin, derlei zu verstehen. Zuweilen begegnet mir ein Schüler, der dieselben - oder sehr ähnliche - Fehler macht wie ich damals. Bist du erst mal in dieser Rolle des allumfassenden Sündenbocks, bleibt dir kaum etwas anderes übrig als allumfassende Verachtung im Gegenzug, und solch aufgesetzte Selbstverteidigungs-Hybris schmeckt natürlich den anderen nicht - und schon ist man auf der Spirale abwärts!
Die schulischen Leistungen rasseln dann ähnlich in den Keller, denn wozu sollte sich jemand mit zerschmettertem Selbstwertgefühl um sich selbst bemühen? Und alles, schlechte Noten und Verachtung, der Kummer, den man den Eltern macht, die Enttäuschung in ihren Augen und in denen der Lehrer - all das gerinnt irgendwann zu einer täglichen Hölle aus Depression, Tränen, Selbstisolation und Selbstverachtung, die einem irgendwann wie selbstverständlich wird, so als könnte das Leben gar nichts anderes sein, wenn man groß wird.

So kann es denn geschehen, dass man ein Leben lang lieber an der Oberfläche bleibt - vielleicht bestenfalls mal den Zeh reinsteckt oder - wenn man geschubst wird, pflichtschuldigst mal ne Runde im Becher schwimmt. Aber letztlich bleibt man lieber trocken, weil das weniger weh tut.

Wie gesagt - derlei kenne ich aus erster Hand. Darum bemerke ich es auch oft an anderen und kann es verstehen. Die Gründe mögen andere sein - kein Schicksal ist das gleiche, aber die Konsequenzen ähneln sich. Ein Sprichwort sagt: Nur der leidende Dichter kann Großes schaffen!
Vielleicht - nur vielleicht - stimmt das sogar ...


LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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