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Alt 29.11.2011, 13:16   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Ticktack

Wie ausgehebelt hängt in dunklen Räumen,
die wir aus unserer Substanz geschält,
ein Uhrwerk aus Bedürfnissen und Träumen,
das immer rasselt und uns immer quält.

Sein Ticken ist die Zeit, die wir verlieren,
wenn wir uns mit den Zeigern willig drehn
und hasten nach den ungezählten Türen,
durch die wir das Ersehnte deutlich sehn.

Doch kaum sind wir den halben Weg gegangen,
verblasst ihr Licht, die Pfade werden kalt.
Schon tickt in uns ein anderes Verlangen
mit aller Widersprüchlichkeit - und Urgewalt.

So immerfort beschreibt sich unser Leben,
das wir an Tand und Illusion vergeben,
als wären sie die Mitte, die uns fehlte,

weil wir den Wecker, dem wir uns ergaben,
tagtäglich selber aufgezogen haben,
als sei sein Klingeln alles, was je zählte.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (01.12.2011 um 16:08 Uhr)
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Alt 29.11.2011, 16:18   #2
Stimme der Zeit
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Hallo, eKy,

schön, da ist es ja. Soll ich ab und zu mal auffordern? Wenn es hilft, jederzeit und gerne!

Spaß beiseite. Ein schönes Gedicht, inhaltlich und formal. Hier "vermischen" sich italienisches und englisches Sonett miteinander. Englisch: Kreuzreim sowie 3 Quartette; dazu die zwei Terzette aus dem italienischen. Auch das Versmaß, der jambische Fünfheber, ist eingehalten. Mir gefällt das sehr, für Variationen bin ich immer zu haben.

Vom Inhalt, in dem du ein typisches menschliches Verhalten beschreibst, nehme ich mich in Sachen "Illusionen und Träume" nicht aus. Allerdings vom "Bedürfnisse und Tand-Aspekt" schon. Ich habe meinen Fernseher abgeschafft, habe weder Führerschein noch Auto (wollte sie auch nie), Kleidung kaufe ich Second-Hand und Schuhe nach praktischen Gesichtspunkten, etc.pp. Nein, "Tand" zählt für mich nicht, überflüssiges Zeugs, das ich nicht brauche und auch gar nicht "haben" will. Kaum zu glauben, aber trotzdem wahr.

Aber ich weiß nicht, wird wirklich schon "vorher" das nächste "Ziel" angesteuert, noch bevor das erste erreicht ist? Ich denke, dass die meisten Menschen nicht, so wie im Gedicht beschrieben, bereits vor dem Erreichen eines Wunschziels schon umkehren. Ich sehe das Problem eher darin, dass hier das "Nie-zufrieden-sein"-Prinzip vorherrscht. Wenn jemand einen nagelneuen Plasmafernseher hat, muss unbedingt noch ein passender DVD-Recorder dazu und dann noch ein Sound-System und dann ... Kennst du das Ludwig Bechstein-Märchen von "Mann und Frau im Essigkrug"? Das beschreibt diese "Es ist nie genug"-Haltung besonders anschaulich, samt "letztendlichem Resultat":

ht tp://w w w.maerchen.com/bechstein/mann-und-frau-im.php (Nur die Leerzeichen entfernen und in die Adressleiste des Browers eingeben)

Im vollen Ernst, Erich, es gibt auch Menschen die den "Wecker" schon vor einer ganzen Weile aus dem Fenster geworfen haben. Ohne dieses ständige "Uhrwerkgerassel" ist es viel ruhiger im Leben ...

Das ist keine Kritik, aber ich finde, hier

Zitat:
Doch kaum ein Stück weit Wegs gegangen,
"klingt" diese Alliteration nicht ganz so gut, sie passt nicht zum sonstigen Sprachduktus des Gedichts. Es fehlt irgendwie die sonstige "Eleganz" der Formulierung, die du, wie ich feststellen konnte, bevorzugst. Wenn du "weit" einfach durch "des" ersetzen würdest, könnte der "Klang" des Verses besser "fließen":

Zitat:
Doch kaum ein Stück des Wegs gegangen,
Die beiden "s" am Ende "klingen" besser, und die Möglichkeit, versehentlich "weit weg" zu lesen, ist auch ausgeräumt. Was meinst du? Das ist nur eine Anmerkung, die du selbstverständlich nicht übernehmen musst!

Wie ich dich kenne, bist du mit "verlieren - Türen" und "fehlte - zählte" selbst nicht zufrieden; ich allerdings störe mich nicht daran. Ein stilistisch perfektes Gedicht macht noch kein gutes Gedicht, wie ich finde. Und ein stilistisch nicht absolut perfektes Gedicht noch lange kein Schlechtes!

Das hier ist ein sehr gutes Gedicht.

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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Alt 01.12.2011, 16:18   #3
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Danke für deine Gedanken!
Ich hab's nur deshalb geschrieben, um endlich wieder was einzustellen.
Eigentlich sollte am Ende ein normaler Vierzeiler sein, aber was mir einfiel, war AABB gereimt und passte nicht zum Schema der anderen Strophen.

Also hab ich einfach noch je eine Zeile extra an die Paarreime gehängt und 2 Dreizeiler draus gemacht, "wie" beim Sonett. Dass das dann eine Mischung aus englischem und italienischem Sonett sein würde, wusste ich nicht - ehrlich! Es hätte ja nicht mal ein Sonett sein sollen! (Wer weiß, vielleicht ist die Sonettform sogar ursprünglich genau so entstanden!!!?)

Dass das Sonett im Englischen 3 Vierzeiler hat, wusste ich nicht, genausowenig, wie dass man dieses Dreizeilerreimschema "italienisch" nennt. Man lernt nie aus - vielen Dank auch dafür!
So rettet der Zufall meine "Dichter"ehre!

LG, eKy

PS: Alle mäkeln an der "Stückweit Wegs" - Zeile rum! Okay, nun steht sie wieder da wie ursprünglich. Danke für den Tipp - mir hätte es ja gefallen, aber wenn alle dort motzen...
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Alt 01.12.2011, 18:09   #4
Stimme der Zeit
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Hallo, eKy:

Hi, Dana?

*Kicher*

Damit es kein Spam ist: Das englische Sonett hat einiges zu bieten, denn anstatt These, Antithese und Synthese findet in den drei Quartetten eine "Steigerung" bzw. "Klimax" statt, die im (heroic) couplet (zwei separate Zeilen) in Form einer Conclusio "gipfelt". Die Quartette sind im Kreuzreim und das couplet im Paarreim geschrieben. Ich schätze diese Sonettform sehr, umgangssprachlich wird sie auch "Shakespeare-Sonett" genannt, da Shakespeare sehr gerne in dieser Form schrieb. Da du englisch kannst (Ich hielt mich an die Übersetzungen, die leider immer nur "die halbe Miete" sind), empfehle ich dir die Lektüre seines Sonett-Zyklus: ht tp://shakespeare.mit.edu/Poetry/sonnets.html

(Nur das Leerzeichen bei http entfernen und den Link in die Adressleiste deines Browers eingeben). Es lohnt sich, ich war schon von der Übersetzung schwer beeindruckt.

Lass dich nicht davon irritieren, dass die Sonette ohne Absätze geschrieben sind, der Aufbau ist trotzdem korrekt.

Liebe Grüße

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Alt 01.12.2011, 18:35   #5
Erich Kykal
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Hi, Stimme!

Du titelst zwar: Hallo, eKy!, allerdings ist kein einziges Wort darunter an mich gerichtet oder behandelt das Gedicht selbst.
Tsts - soll ich jetzt schmollen!?

LG, eKy
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Alt 01.12.2011, 19:08   #6
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Lieber eKy,

jetzt lache ich wirklich. Sehr sogar.

Ich hatte dich kommentiert - nicht Dana.

Höchst amüsierte Grüße

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Alt 01.12.2011, 20:30   #7
Erich Kykal
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Uuups - da habe ich mich wohl verschaut.

Sorry - ich hab's echt nicht gecheckt, so wie es geschrieben war, klang es wie Fachsimpeln unter kundigen Mädels, und ich fühlte mich ein wenig außen vor...

Peinlich, peinlich...Asche auf mein Haupt - die von der besonders grauen Sorte...

VG (Verschämte Grüße), eKy
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