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#1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Die Telefonzelle
Sie war noch gelb, aus einer andern Zeit, als man noch mit dem Zeigefinger wählte, verbunden wurde und noch Kleingeld zählte, im Telefonbuch las; zur Sommerzeit den Hitzestau ertrug, im Winter fror, und meistens schrie, den Hörer dicht am Ohr. Was waren das noch Zeiten, als bisweilen die Menschen vor ihr wartend Schlage standen und Zeit für Schwätzchen mit den Nachbarn fanden; man notfalls bat, sich bitte zu beeilen; als Liebespärchen nachts in ihr verweilten und bei Gewitter stürmisch Küsse teilten? Doch schließlich stand die Zelle oft verwaist an ihrem Platz und harrte tapfer aus. Das Mütterlein kam manchmal aus dem Haus vor dem sie stand, und rief die Tochter meist vergeblich an, sie weinte dann beim Gehen, doch hat allein die Zelle das gesehen. Und eines Morgens stand sie da – geschändet: Die Glastür eingetreten und beschmiert, der Apparat hing schief und demoliert, der Hörer samt dem Geld im Schacht entwendet. So stand sie nun herum, ein halbes Jahr. Ein Penner nutzte sie als Pissoir.
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller Geändert von Thomas (03.06.2017 um 10:13 Uhr) |
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#2 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi Thomas!
S1Z2 - "mit dem Zeigefinger". Auch ich trauere diesem Stück Kindheit und Jugend nach, als es noch keine Handys und Smartphones gab und man zum Wählen Geduld haben musste. Natürlich hatte ich eine Möglichkeit, umsonst zu telefonieren: Man baue aus einem elektronischen Feuerzeug den Funkengeber aus, elektrisiere den Schlitz des Münzeinwurfes - und schon kann man für 99 Schilling quasseln, soviel man will! Oder konnte es damals zumindest ... ![]() So leicht war die analoge, unisolierte Technik damals zu überlisten! ![]() ![]() Tja, schade - wenn man nicht gerade eine von den alten roten Phoneboxes aus London war, hatte man als stinknormale Durchschnittszelle wohl keine Überlebenschance! ![]() ![]() Sehr gern gelesen - und mitgelitten! ![]() LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (31.05.2017 um 12:50 Uhr) |
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#3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Lieber Erich,
danke für das "m". Irgend so ein "Hund" muss ja immer drin sein. Und auch für das "Mitleiden". Liebe Grüße Thomas
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
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#4 |
Gast
Beiträge: n/a
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es ist einfach ein Stück Vergangenheit, das man etwas pathetisch betrauert.
Meist aber waren die Hörer eklig dreckig, ich hielt sie immer weit ab vom Ohr. Aber du hast recht, lieber Thomas, es ist wieder etwas, was nicht zurückkommt. Ein Symbol quasi. Ich finde die Handies schon praktisch, obwohl ich meines nur für den Notfall benutze. man kann erreichbar sein, man kann Hilfe holen. ich denke nicht, dass jemand am Anfang absehen konnte, was da für die Jugend bedeutet. Der Missbrauch, der heute damit betrieben wird, ist richtig gesundheitsschädlich, aber eben Kommerz. Kann mich noch gut erinnern, wie ich im Studium eine Viertelstunde laufen musste, wenn ich mal mit meinen Eltern reden wollte. Da stand man dann abends allein im Dustern , hatte manchmal Schiss nach Hause zu kommen. Als Studentin wohnte man ja auch nicht gerade im besten Viertel... ![]() Da hätte man sich ein Handy gewünscht. ![]() Z 1 müsste es andren heißen, sonsg holperst du aus der Metrik Gerne dran gedacht mit lG von Koko |
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#5 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Ich würde "aus einer andern Zeit" präferieren.
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
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#6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Liebe Koko, lieber Erich,
vielen Dank, das hatte ich übersehen. Es ist korrigiert. Liebe Grüße Thomas
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#7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 20.03.2017
Ort: Ostsachsen
Beiträge: 303
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Lieber Thomas,
nostalgisch, wehmütig, man kommt sehr ins Träumen wenn man Deine Zeilen liest. Welche Schicksale mit diesen Häuschen verbunden waren, nicht auszudenken. Ein Stück "Kulturgeschichte" das wir uns bewahren sollten. Ich erinnere mich noch gut wie ich damals, immer knapp bei Kasse, meinen Eltern meist per R-Gespräch ein Lebens- zeichen gesendet habe. Und sie waren froh etwas zu hören habens Geld gern verschmerzt. Würden wir ja heut bei unsern Kindern auch gern tun, aber sie haben ja ne Flatrate aufn Smartphon, da spielts ja keine Rolle. Sehr gern gelesen Deine Zeile, war ein schöner Ausflug in die "gute alte Zeit" ![]() Beste Grüße Mallarme |
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#8 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Liebe mallarme,
es freut mich, dass meine Telefonzelle deine Erinnerungen angeregt hat. Jedes Ding hat seine Zeit, es ist nur wichtig, denke ich, dass man mit dem "Alten" respektvoll umgeht, und ihm seine Würde lässt. Liebe Grüße Thomas
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
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#9 |
Gast
Beiträge: n/a
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Deine Ode an die Telefonzelle gefällt mir sehr. Die Technik schreitet rasant vorran, und dieses " Zuhause" ist fast verschwunden. Bei Regengüssen war sie bei mir sehr beliebt. In fester Erinnerung bleibt mir der Geruch von Metall, Ohrschmalz (
![]() ![]() ![]() ![]() Liebe Grüße sy ![]() ![]() ![]() |
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#10 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Liebe syranie,
vielen Dank für den netten Kommentar. Liebe Grüße Thomas
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