Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Denkerklause

Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 03.02.2015, 18:01   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Nachtleben

Der Bauch der Stadt macht wieder große Augen
und frisst sich nachts an neuen Seelen satt,
denn ewig lockt ihn, was er selbst nicht hat,
und was ihm niemals frommen will und taugen.

An jedem frischen Körper will er saugen,
die fensterblanke Stirne wölbt sich ein,
und alles tanzt und will ihm Nahrung sein,
die eigne Sehnsucht an ihm auszulaugen.

Der Morgen graut, der volle Bauch der Stadt
verschließt sich nun den letzten Unverdauten
und macht sich mit dem Täglichen gemein.

Die Straßen räkeln sich, und bleiern matt
entstreben jene, die sein Treiben schauten,
und schwinden still dem Dunkel hinterdrein.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2015, 09:28   #2
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Erich,

das ist gut! Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2015, 09:40   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Thomas!

Was, nicht mehr? Schade!

Hier versuchte ich die Unregelmäßigkeit der Quartettreime in den Terzetten aufzulösen:

ABBA - ACCA - BDC - BDC

So kommen auch die umarmten Reime der Quartette je viermal vor. Der Mittelreim in den Terzetten (D) ist zwar nur zweimal vorhanden, dafür ist er dem umfassenden Reim der Quartette lautmalerisch sehr verwandt.

Keine Ahnung, ob das nach klassischen Sonettregeln so erlaubt ist - es schien mir nur passend und die Gesamtheit des Textes stärkend.

Vielen Dank für die lobenden Worte (hätte gern mehr davon gehört)!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 04.02.2015, 18:48   #4
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Erich,

das habe ich schon gesehen. Es ist definitiv ein Sonett. Ich denke man kann, ein Sonett nicht allein am Reimschema festmachen und es kann vor allem in der Quartetten mehr als 2 Reime haben. Die Verbindung zu den Terzette ist schön, aber nicht nötig, denke ich. Wesentlich hingegen finde ich die Zäsur zwischen Quartetten und Terzetten, die bei dir durch die Phrasierung ("Der Morgen...") sehr gut gelungen ist.

Lieeb Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.03.2015, 08:30   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Thomas!

Ich persönlich missachte bisweilen sogar diese Zäsur zwischen Quartetten und Terzetten, wenn ein längerer Satzbau dort ein Enjambement nötig macht - manchmal setze ich dort sogar bewusst eins ein.
Die Gefahr, dass ich die Sonettform damit zu einem bloßen optischen Gerüst herabstufe, besteht zwar, aber dieses Risiko nehme ich in Kauf, wenn ich finde, dass es für einen guten lyrischen Effekt eingegangen wird. Ich experimentiere eben gern.

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.04.2015, 15:11   #6
juli
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Hallo eKy :)

Wenn du ganz früh morgens in Hamburg auf dem Fischmarkt bist 5.00h, besser noch 4.30h und die Menschen über den Markt ziehen an Fisch -, Bananen -, oder Pflanzenverkäufern vorbei, hat das eine besondere Atmosphäre. Es vermischen sich die Nachtmenschen mit den Frühaufstehern. Die Marktschreier wollen ihre Ware an den Menschen bringen. Das Licht verändert sich langsam aus schwarz wird blau und in leisen Stufen wird es heller.

Besonders gefällt mir dein Satz:

Der Morgen graut, der volle Bauch der Stadt
verschließt sich nun den letzten Unverdauten
und macht sich mit dem Täglichen gemein.
Die Doppeldeutigkeit "Täglichen" erzeugt das Bild, des beginnenden Tages und das Bild des Alltages, denn die Nacht ist ja etwas besonderes.

Sehr gerne gelesen und mitgegangen.
Liebe Grüße sy
  Mit Zitat antworten
Alt 02.04.2015, 23:37   #7
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Sy!

Vielen Dank für das durchweg positive Feedback!
Du hast diesen Zauber des Morgengrauens, die Magie des Übergangs gut beschrieben, wo ein Sterbendes und ein Erwachendes kurzzeitig denselben Raum, dieselbe Zeit einnehmen.

Viele Gedichte gibt es dazu, von Rilke's Einsamkeit bis zu zeitnahen Autoren. Einige auch von mir, denn ich finde diese Momente des Übergangs grundsätzlich ausgesprochen faszinierend!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 07:51 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg