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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 13.02.2015, 19:48   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
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Standard Verloren in der Zeit

Wir sinken hin nach aller Tage Abend
mit alten Augen, die so viel gesehen.
Zu Staub wird alles, wenn wir leise gehen,
verblasst und in Erinnerungen grabend.

Wer wüsste je die Zahl der Sterbestunden,
der Weisheit Fülle, dieser Welt verloren?
Sind wir in das Lebendige geboren,
dass mit uns stirbt, was wir darin gefunden,

und wie wir unsre Wirklichkeit gewahrten?
Was bleibt, das nicht in wenig hundert Jahren
verblichen ist und seltsam missverstanden?

Der Sinn der Worte, die wir um uns scharten,
als wir zu wissen glaubten, wer wir waren,
er kommt der Zeit nur allzu rasch abhanden.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (13.02.2015 um 23:03 Uhr)
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Alt 14.02.2015, 13:21   #2
Chavali
ADäquat
 
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Standard

Servus Erich,

ein tief philosophisches und nachdenkliches Sonett.

Die Frage bleibt und wird immer wieder gestellt:
Was bleibt von uns, wenn wir gegangen sind? Es gehen so viele Weisheiten, Ansichten und Gedanken verloren.

Aber alles wird auch wieder neu geboren - das meine ich jetzt nicht religiös.
Wie du sicher weißt, bin ich Atheist

Gern gelesen und darüber nachgedacht hat mit liebem Gruß
Chavali

__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 14.02.2015, 15:15   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Chavi!

Vielen Dank für die Blumen!

Wer liest heute noch mittelhochdeutsche Lyrik?
Wer verstünde ein Gedicht von Walther von der Vogelweide?
Gryphius klingt seltsam. Usw...
Je weiter wir uns von der Sprache einer Zeit entfernen, desto fremder und unverständlicher wird sie uns. Wir glauben ein Vermächtnis zu schaffen, aber selbst nach humanhistorischen Maßgaben ist es relativ kurzatmig!
Diesem Gedanken wollte ich schon seit längerem ein Gedicht widmen.
Möge es Bestand haben, solang es noch jemand versteht ...

LG, eKy
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Alt 20.02.2015, 19:27   #4
juli
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Beiträge: n/a
Standard Hallo eKy :)

Da bin ich wieder. Was bleibt von uns, wenn wir einmal nicht mehr sind? Ich glaube nach 3 Generationen hat man mich vergessen. Denn dann wissen die Nachkommen, oder wenn man keine Nachkommen hat, Freunde, nicht mehr wer wir waren. Ich komme in deren Erzählungen nicht mehr vor. Das schreibe ich ohne böse auf die nachfolgenden Generationen zu sein. Ich weiß ja, wie ich mit dem Gedenken bin. Das Leben will gelebt werden, und nicht gelesen werden. Das heißt nicht, dass ich nicht gerne von früher, von den Verwandten oder berühmten Dichtern oder Autoren, erzähle. Ich glaube, die Zeit reicht einfach nicht. So sinke ich in eine Zeit des Alltags........ und lebe in der Gegenwart

Ich lese dich jetzt.

LIebe Grüße sy
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Alt 21.02.2015, 11:18   #5
Erich Kykal
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Hi, Sy!

Das geht nicht nur mit der persönlichen Erinnerung so! Mir stand eher der künstlerische Anspruch der Poeten vor Augen, mit ihrem Werk etwas zu schaffen, das sie überdauert. Aber wenn man sich die Dynamik einer Sprache betrachtet, erkennt man, dass alles Geschriebene bestenfalls ein paar Jahrhunderte verständlich bleibt, und schon nach wenigen Jahrzehnten wirkt es wie aus der Mode - zumindest für die zeitnah verwurzelten oder oberflächlicheren Leser.

Andere Künstler haben da mehr Glück: Das Werk von Malern überdauert - bei adäquater Pflege - viel länger, und das Werk von Bildhauern trägt ihr Schaffen - mit etwas Glück - sogar über viele Jahrtausende hinweg!
Aber selbst dies ist in historischen Abläufen betrachtet nur eine kurze Dauer, und im erdgeschichtlichen Rahmen weniger als ein Wimpernschlag!

Vergeblich alle Liebesmüh!

LG, eKy
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Alt 21.02.2015, 17:47   #6
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber eKy,

ich muss ja nicht unbedingt zugeben, dass ich dein Sonett erst nach deinen Antworten an Chavali und Sy wirklich verstanden habe.
Wahrscheinlich hätte ich mich auch auf ein kurzes persönliches Sein beschränkt.
Nun aber erkenne ich das von dir beabsichtigte "Ausmaß" eines zeitbedingten Dramas - das ich nicht teile.

Das hat nichts mit deinem "anmahnenden" Sonett zu tun. Es ist berechtigt und wie immer lyrisch sehr gut umgesetzt.

Wenn man den Verfall der Sprache im eigenen Dasein beobachtet, z.Zt. vielleicht besonders extrem, dann stimme ich dir zu. Aber ich bin überzeugt, dass diese Sprache nicht überlebt und auch nicht bleibt. Sie wird zur oberflächlichen und sinnentlehrten Verständigung be- und genutzt. Sie tut dem Sprachbegabten weh - sie hinterlässt aber NIX!!!
Bedenkt man die "Worklauberei" in Gesetzen und Verträgen, wird es schon besser, wenn auch nicht verstädlicher.
Später, mal mehr mal weniger, besinnt man sich immer wieder auf den kunstvollen Gebrauch der Sprache. Darum gelten alte Dichter immer noch, auch der "unverständliche" Walther von der Vogelweide. Jene "lyrische Zeitsprache" lässt sich übersetzen und man erkennt in ihr die Schönheit.
Die "dämlichen" Floskeln des Adels, der Jugend und der Politiker von einst und heute siechen dahin.
Wichtig bleibt natürlich, dass Bildung allgemein gepflegt wird, also das Wissen an sich. Wer Wissen vermitteln will, der muss sich einer entsprechenden Sprache bedienen, um verstanden zu werden.

Ich stimme dir zu im Schaffen der Maler und Bildhauer. Ihre "Bollwerke" überdauern die Sprache in der Betrachtung - doch sie bedürfen ihrer in der Vermittlung von Kunst.

Sehr gern gelesen und "beschlaumeiert".

Liebe Grüße
Dana


Schau mal, was einst Gedicht gewesen ist.
Demnach ist die Sprache doch gewachsen, oder?

[QUOTEWikipedia]Gedicht

Mit dem Begriff „Gedicht“ wurde ursprünglich alles schriftlich Abgefasste bezeichnet; in dem Wort „Dichtung“ hat sich noch etwas von dieser Bedeutung erhalten. Seit ca. dem 18. Jahrhundert wird der Begriff im heutigen Sinn nur noch für poetische Texte verwendet.

Ein umfangreiches (oft mehrteiliges oder als Zyklus angelegtes) dichterisches Werk mit lyrischen und epischen Elementen (mit oder ohne verbindliche metrische Struktur) wird als Langgedicht oder (veraltend) Poem bezeichnet.[/QUOTE]
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
Dana ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.02.2015, 20:27   #7
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Na, da bleib ich lieber bei der heutigen Definition von Poem und Poesie!

Ich hatte ja in einem obigen Kommi schon gefragt: WER leist denn heute noch Walther von der Vogelweide oder andere weit entfernte Dichter?

Wie du sagst: Gebildete, Belesene, Sprachspezialisten. Ich meinte im Gedicht aber eher das literarische Volksgedächtnis. Der Normalbürger und Durchschnittsmensch - und hier sind es ohnehin nur wenige, die sich lyrisch interessieren - müsste sich selbst einen Rilke- oder Goethetext wahrscheinlich mehrmals durchlesen, um ihn vollinhaltlich zu erfassen. Von Schiller oder anderen sprachlich komplexeren Poeten gar nicht zu sprechen. Die wären mit einem Gryphiustext schon völlig überfordert!

Das soll aber kein Vorwurf sein - das ist eben der Gang der Dinge. Alte Sprache ist - für das Volk im allgemeinen - wie ausgediente Kleidung: einst heiß geliebt, aber mittlerweile abgetragen, ausgefranst, mit zuvielen Rüschchen dran oder schlicht zu klein geworden. Man weiß noch, dass man einst gut drin ausgesehen hat, aber man trägt längst andere Sachen.
Nur wir Sprachliebenden stellen diese "alten Kostüme" in den Museen unseres Geistes zur Schau, drapieren sie liebevoll in immer neuen Austellungen und vergessen darüber zuweilen, dass das für die "Leute da draußen" nur allzu oft keinerlei Bedeutung hat.

Ich seh's mit einem Augenzwinkern und ziehe mich in mein geliebtes Sprachmuseum zurück!

LG, eKy
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Alt 21.04.2015, 19:44   #8
a.c.larin
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hi eky,
heut sprchst du mir aus der seele, da ich grad so elegisch drauf bin.

"in wenig hundert jahren " verblichen zu sein, scheint mir geradezu noch optimistisch - ich denke, das dauert sicher keine fünf. ( bei unsereinem!)

na, und für missverständnisse reicht auch schon ein einziger tag.

manchmal versteht man sich nicht mal mehr selber.

und gerade eben sind mir wieder einige stunden zeit vertropft, einfach so.
verflixt noch mal - was wollte ich nicht alles tun mit dem heutigen tag?
seufz. weiß ich nicht mehr. bin zu müde.

man wächst aus allem raus, so oder so: aus gedanken, einsichten, beziehungen, der eigenen figur....
warum sollte da die sprache eine ausnahme machen?

"das alles ist windhauch" sagte kohelet, ein biblischer.
war also schon vor jahrtausenden so.

und dabei gibt es ja ( laut einstein, den es nicht mehr gibt) gar keine zeit, die ist bloße illusion.

na dann: dann is es vielleicht eh wurscht, ob sie vergangen ist oder nicht.

auf jeden fall:

ich grüß dich mal
larin
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Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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Alt 21.04.2015, 23:12   #9
Erich Kykal
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Hi, larin!

Wie schön, wieder mal von dir zu lesen! Vielen Dank für Kommi und Gedanken!

Wenn die Zeit eine Illusion ist, dann aber eine verdammt gute: Mein ganzer Körper glaubt so sehr daran, dass er glatt einfach altert und verfällt!

Was die Lyrik anbetrifft: Ich denke, "wir" werden schon länger "angenehm" lesbar sein als grade mal fünf Jahre - aber der wankelmütige "Ruhm der Nachwelt" wird sich wohl andere Ziele suchen!

LG, eKy
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Alt 22.04.2015, 18:39   #10
a.c.larin
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hi eky,

stimmt total, mein körper glaubt auch an die illusion der zeit ( besonders die haxen.)

um den "ruhm der nachwelt" kann man sich sowieso nix kaufen - das kann einem eigentlich egal sein. ( eventuelle tantiemen sanieren bestenfalls das budget der erben).

nö, da lassen wir uns besser gleich feiern!
"jetzt" ist doch die einzig wirklich mögliche zeit!

lg, larin
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a.c.larin ist offline   Mit Zitat antworten
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