24.07.2024, 00:42 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Das Rendezvous
Das Rendezvous
Je näher der Tag des Rendezvous kommt, umso nervöser werde ich. Übelkeit geistert von meiner trockenen Kehle hinab in den übersäuerten Magen-Darm-Trakt. Besonders der Magen revoltiert mit ungütiger Hartnäcke und: Es wird tagtäglich schlimmer. Die letzten drei Tage davor, treibt mich der Dünnschiss in und aus meiner winzigen Toilette, wie eine Serviererin in der Schwenktüre eines Fast-Food-Joints. Mann, ich halte es ganz einfach nicht mehr aus. Meine Nerven spielen nicht mehr mit und scheinen Stück für Stück zu reißen, wie die Saiten einer von Mike Tyson vergewaltigten Stradivari. Ich vertreibe mir die Zeit mit Unsinnigkeiten, wie dem wiederholten Schleifen meines Sortiments an Henkel-Klingen. Hätte meinen überalterten Hamster mit jeder davon ohne Schaum rasieren können. Der macht mich mit seinem hungrigen Gequieke noch nervöser, bis ich ihn einfach aus meinem Fenster im vierten Stock werfe. Ich blicke hinterher: Irgendwie segelte der Nager auf elegante Art im Slalom auf den wartenden Bürgersteig und klatscht banal neben einer vorbeilatschenden Seniorin auf Hartes. Die Alte scheint etwas erstaunt, als sie den Fell-Blut-Matsch wahrnimmt. Hatte keinen Flughamster erwartet. Sie wendet, hinkt stolpernd retour und blickt, Hände über ihren geblendeten Stierern, hausaufwärts in meinen Himmel. Ich (=Engel) winke ihr kurz zu und fühle mich irgendwie entspannt, sogar erheitert. Ich schlucke wiederholt Streichelndes für die Magenschleimer, nur: es hilft kaum. Seit gestern wechsle ich nun Unterwäsche und posiere pirouettend vor dem Spiegel in meinem Schlafzimmer. Ziehe mal die schwarzen, mal die weißen Haftstrümpfe über meine Beine. Soll ich mich eher wie eine Braut schmücken und auch einen Schleier tragen? Der zarte Tüllhut mit der weißen Boa aus – nicht mehr ganz sauberen – Straußenfedern? Meine Strumpfbandgürtel habe ich zweimal gewaschen. Sie blitzen beinahe. Wenn man einen weißen Riesen rendezouviert kann man schon mal das Pulver vorstreuen. Ich stolpere mit den diversen Hochhackigen auf dem rosa Lammfell vor dem Spiegel herum und hin und her, bis es mich fast auf die Reißzähne wirft. Ich gebe auf. Hin und wieder denke ich noch an den Hamster – was für ein launenhaftes Schicksal! Hatte er Angst vor dem Fliegen? Wer weiß, wer kennt schon die letzten Gefühle von Hamstern. Es ist mir endgültig klar: schlichtes Schwarz. Das Kleid, welches ich zum Begräbnis von Mama getragen hatte. Ja, ich denke, es ist passend für die Gelegenheit. Könnte doch sein, dass unser erstes, gleich auch unser letztes Rendezvous ist. Da ist Trauerkleidung eine Art Sicherung. Ein saures Rülpsen bestätigt meine Entscheidung. Heute um 19 Uhr ist es soweit. Hoffe nur der Typ ist pünktlich. Ich halte es kaum mehr aus. Meine Blase quält mich wie ein mit Wasser gefüllter Dackel und ich sitze die meiste Zeit tropfenlos auf der Phillipe Stark Brille. Während ich mich vorsichtig rasiere, damit mein Schambereich weich wie Samt ist, phantasiere ich von ihm, dem Unbekannten. Ich weiß gerade soviel wie man etwa von einer Internet-Bekanntschaft erfährt. Wenig und doch ein wenig mehr und mehr. Ich habe die Fotos vor mir liegen. Er sieht gut – fast zu gut - aus. Komisch oder nicht: es ist als ob ich ihn schon lange – seit meiner Kindheit – kennen würde. Er ist sicher mehr als zwanzig Jahre älter als ich, seine Züge sind markant und wirken aus der Zweidimensionalität des Fotos beinahe künstlich. Wie die Retouche eines Segment-Gesichtes in einem der modernen Täter-Erkennungs-Systeme unseres Polizeiapparates. Er lächelt auf dem Bild – fast hoffnungsvoll. Das ist gut. Ich möchte diese Hoffnungen erfüllen. Aber was ist schon ein Foto? Ich blättere durch die Ausdrucke, überfliege sein Vitae – seine…hm… Lebensgeschichte. Wenn es überhaupt seine ist. Erfindungen sind notwendig wenn man eine Frau – noch dazu eine wesentlich jüngere - erobern will. Die Agentur hat ganze Arbeit geleistet. Wie wunderbar doch. Es ist 17 Uhr: ich bin ruhig, gelassen. Ich messe meinen Blutdruck, der binnen 20 Sekunden systolisch und diastolisch vom Read-Out des Armbandgerätes mit mir flirtet. 120 zu 70. Ja so darf er sein. Kein Cardiac Arrest wegen einem spannenden Rendezvous. Ich richte alle notwendigen Sachen noch einmal zurecht. Alles ist an seinem Platz. Stehe vor dem Spiegel. Das dunkle Seidenkleid streichelt meine Hüften und fließt um den Rest meiner Konturen aufgeregt herum. Die Sommersprossen auf meinen Brüsten lernen jenen auf meinen Wangen noch nicht das Fürchten. Ich tupfe ein wenig von Estée Lauder´s „Beyond Paradise“ in den samtigen Spalt zwischen den Wölbungen. Auch hinter meine Ohren. Streiche Haarsträhnen (zum wievielten Male?) die sich weigern und wie vom Winde verweht zurück fallen, aus der Stirne Als Legasthenikerin tue ich mir immer schon schwer mit dem Zählen. Wozu auch. Um diese Jahreszeit sitzt uns die Dunkelheit schon um 17 Uhr im Nacken. Ein leichter Nieselregen kitzelt die Fensterscheibe mit leisem Stakkato und das Licht der Straßenlaterne zerbricht hoffnungslos in den winzigen nassen Perlen. Ich stehe unschlüssig am Fenster und lasse ein Papiertaschentuch zwischen meinen nassen Handflächen zerknittert vor sich hinsaugen. Ich bin jetzt wieder verdammt nervös und meine linke Hand versteckt ihr Zittern vor mir und der Rechten. Man nennt es „Essential Tremor“ - ein harmloses Zittern, dass ab und zu auch junge Menschen wie mich nicht verschont. Melanie hat mir dieses besondere Diaphragma verschafft. Ich packe es aus, betrachte es genau und zittere noch ein wenig mehr. Ich darf es erst jetzt – kurz vor dem Rendezvous - in meine Vagina einführen. Ich drücke das Gleitmittel aus der Tube in den schlauchartigen Gegenstand und schmiere es mit den Fingern rund um die elastische Öffnung. Ich spüre nach dem Einsetzen nur einen leichten Druck – fast so als hätte ich einen Penis in mir. Der Tür-Gong zerklirrt die Stille. Er setzt sich auf den Drehsessel am Küchentisch. Seine dunklen Augen blicken mich ohne das geringste Zögern an. „Du kriegst 170 Euro, nicht war? Das Mädel am Telefon sagte da ist alles inbegriffen…Naturfranzösisch mit Vollendung…und wenn´s passt…anal…hm?“ „Ja, Süßer - und wenn du 50 Euronen dazu legst, können wir auch „ohne“…!“ Er hebt seine linke Augenbraue und ein schmales Lächeln zerrt seinen Mund nach unten. Ein fast makaberer Gesichtsausdruck. Er ist nackt. Die weiche, mit Fett ausgepolsterte Haut um seinen Bauch wird durch die dunklen Körperhaare kaschiert. Er lehnt am Betthaupt und betrachtet mich ,hebt mein Gesicht mit seiner Hand unter meinem Kinn. „Haben wir uns schon mal gesehen…?“ „Denke nicht.“ Ich senke meinen Mund auf seine Härte und bewege meine Zunge, sauge ein wenig und triefe Speichel auf seinen Penis. Während ich ihn fester massiere und sauge, drückt er meinen Kopf weg. „Genug…komm auf den Rücken!“ Er dringt fast vorsichtig in mich ein – verharrt am Eingang meiner Scheide. Ich lege meine Hände um seinen Nacken: „Komm Süßer mach es mir hart…sei nicht so schüchtern!“ Seine Lenden drücken mit einem Ruck vorwärts - tief in mich hinein. Ich fasse sein Hinterteil mit beiden Händen und ziehe ihn kraftvoll in mich. „Verdammt …du...du...was…?“ Er zieht sich mit Rasanz aus mir zurück und fällt – Oberkörper nach vorne gekrümmt - zwischen meinen gespreizten Beinen zurück auf seine Knie. Er hält sein Glied mit beiden Händen und betrachtet es mit erstaunten Glotzern im dämmrigen Licht meiner mit einem roten Seidentuch drapierten Nachttischlampe. Er scheint den Anblick des quellenden Lebenssaftes nicht wirklich zu begreifen. „Was ist das für ein Scheiß…hast du die Periode du…Himmel es tut verdammt weh…was ist…was war das?“ Er liegt ausgestreckt auf dem blutigen Leintuch und atmet angestrengt. Schweißperlen funkeln auf seiner Oberlippe und Stirne. Er versucht die rechte (!) Hand zu heben, ich nehme sie in meine. Ich sitze auf seinem blutigen Schwanz und drücke mein Gesicht an seine Handfläche, streichle zärtlich über seine Wange. Seine Lippen beben – er versucht Worte zu formen. Das Gift hat seinen Körper bereits vereinnahmt, Besitz von ihm ergriffen. Seine zerebralen Funktionen werden noch etwa 30 Minuten funktionieren. Solange wird er sehen und hören und denken. Das ist gut so – aber viel zu lange für dieses Stück Dreck, denn meine letzen Worte an ihn sind in 10 Sekunden gesagt – wenn ich langsam bin – in 15: „Meine Tränen haben mich getötet Pappi, es tut mir leid – ich verzeihe dir – jetzt.“ |
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