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Alt 11.12.2011, 18:55   #1
Chavali
ADäquat
 
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Standard Winterblues

So grau, so trübe ist der Tag,
die Trauerweiden trauern,
Melancholie trifft wie ein Schlag
auf selbstgewählte Mauern.

Ich bin nicht froh mit mir allein,
der Winterblues gibt mir die Hand,
das Schneegewand ist Felsgestein,
ein Perlenvorhang feste Wand.

So starre ich auf fernes Feld,
wo ist die Sonne, Leben, Licht?
Wo find ich Wärme, Zuflucht, Zelt,
wo ist das Wort, das mir verspricht

dass Mauern brechen, Bäume blühn,
der Morgen glänzt in sattem Grün,

ein warmer weicher Wind mich trägt
und sich die Welt um mich bewegt?



__________________
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© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*

Geändert von Chavali (03.01.2012 um 16:07 Uhr)
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Alt 12.12.2011, 11:20   #2
ginTon
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Standard

hi chavilein,,

Immer wenn ich das Wort "blues" höre, muss ich automatisch an die Musik und
an Mississippi und angrenzende Staaten denken, dh alles ist melancholisch, hitzig und mitunter verraucht, die Luft ist schwer etc. Hier wurde der blues im Zusammenhang mit dem Winter dargestellt, was auf den ersten Blick unge-
wöhnlich ist. Der "blues" an sich wird somit allein auf die Melancholie rückgeführt.

Formal ein sehr gutes Werk und inhaltlich ja gut, es ist indirekt und weiß dadurch zu gefallen. "Selbstgewählte Mauern" ist natürlich ein Umstand, der sich im Winter aufgrund der Kälte nicht vermeiden lässt und dadurch das er ungewohnt ist "ich bin nicht froh mit mir allein zu sein" versinkt die Welt in Melancholie für das LI. Ja, so geht es vielen Menschen im Winter und du hast dafür gute Worte gefunden...

sehr gerne gelesen ...liebe Grüße ginnie
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Alles, was einmal war, ist immer noch, nur in einer anderen Form. (Hopi)


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Alt 12.12.2011, 11:56   #3
Stimme der Zeit
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Hallo, liebe Chavi,

da ich den "Blues" als Musik (ganz persönlich) nicht sehr mag (), dachte ich beim Titel nicht an Musik (obwohl das schon stimmt, dass sie einen melancholischen Charakter hat), sondern eher an eine Art "(Winter)depression".

Mir gefallen besonders diese beiden Verse:

Zitat:
Ich bin nicht froh mit mir allein,
der Winterblues gibt mir die Hand,
Das LI ist fühlt sich alleine und "verlassen", aber die "ausgestreckte Hand" wird nur vom "Winterblues" ergriffen. Das ist ein schönes metaphorisches "Bild".

Auch dieses Gedicht kann von einer Niedergeschlagenheit sprechen, die von einem "realen" Winter verursacht wird oder von einem nur "innerlich" vorhandenen. Beides jedoch erzeugt die Sehnsucht nach "Sommer", nach "Sonne, Leben, Licht".

Für mich ist das "Wort" Sommer - auch in zweifacher Bedeutung. Der "echte" Sommer und der "Sommer der Gefühle". Daher sehe ich hier ein Alleinsein, das Einsamkeit hervorruft und dadurch den Wunsch nach "Zweisamkeit", also einer neuen Beziehung.

Die Welt des LI ist "erstarrt", im letzten Vers zeigt sich der Wunsch nach "Bewegung".

Mit "Sommer" ist also auch Liebe gemeint (so deute ich es).

Die Alliterationen (z. B. warmer weicher Wind) und die Akkumulationen (Sonne, Leben, Licht) gefallen mir, ebenso wie beispielsweise die Metapher der "Mauer" oder das "Schneegewand".

Ich möchte nur eine Anmerkung machen:

Zitat:
Melancholie trifft wie ein Schlag
in selbstgewählte Mauern.
"auf" selbstgewählte Mauern.

Hier kam ich ein wenig ins "Grübeln", denn ich meine, dass ein "Schlag" "auf" etwas "trifft".

Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


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Alt 12.12.2011, 12:16   #4
Chavali
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hi ginnie,
Zitat:
Immer wenn ich das Wort "blues" höre, muss ich automatisch an die Musik und
an Mississippi und angrenzende Staaten denken, dh alles ist melancholisch, hitzig und mitunter verraucht, die Luft ist schwer etc.
Blues, ja - eine Musikform
Zitat:
Zitat von Wikipedia
Der Blues ist eine eigenständige Form schwarzer US-amerikanischer Folklore,[...]Bluestexte sind in der Regel in der Ich-Form verfasst, das heißt der Autor oder Sänger
erzählt von tatsächlichen oder fiktiven eigenen Erlebnissen. Diese sind aber meist so stark verallgemeinert,
dass eine Identifikation des Hörers mit dem Sänger nicht ermöglicht wird.
Häufig handeln die Texte von Verrat, Verbrechen, Resignation, unerwiderter Liebe, Arbeitslosigkeit, Hunger,
finanzieller Not, Heimweh, Einsamkeit und Untreue.
Blues nennt man aber auch (neuerdings) eine Art von Melancholie oder eine (poetisch) Vorstufe der Depression.
Deswegen habe ich diesen Titel gewählt.
Und der Text sagt ja alles darüber.
Zitat:
Formal ein sehr gutes Werk und inhaltlich ja gut, es ist indirekt und weiß dadurch zu gefallen.
Das ist schön und ich freue und bedanke mich sehr!

Lieben Blues-Gruß,
chavi



edit

Hallo liebe Stimme,

unsere Posts haben sich überschnitten, ich hatte nicht nochmal in die Vorschau geguckt

Als Musik mag ich den Blues auch nicht so sehr gern, weil er nicht sehr melodiös ist,
sondern sich eher am Jazz-Stil orientiert (?).
Aber das ist - ich weiß - Geschmackssache.

Die Aussage ergibt sich durch klare Worte mit metaphorischem Touch.
Zitat:
Ich möchte nur eine Anmerkung machen: "auf" selbstgewählte Mauern.
Natürlich. Manchmal sieht man den Wald vor lauter Bäumen nicht
Danke! Schon geändert.
Zitat:
Die Alliterationen (z. B. warmer weicher Wind) und die Akkumulationen (Sonne, Leben, Licht) gefallen mir, ebenso wie beispielsweise die Metapher der "Mauer" oder das "Schneegewand".
Das freut mich sehr - ich hoffte, jemand bemerkt es

Auch dir ganz lieben Dank!
Lieben Gruß,
Chavi
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Geändert von Chavali (12.12.2011 um 15:43 Uhr)
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Alt 12.12.2011, 14:45   #5
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asphaltwaldwesen
 
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hallo, liebe chavali,


ich bin heut auf meinem wintergedichte-rund-besuch.

dein blues hat seinen namen wohl verdient. und ich mag ihn, denn er trifft eine gewisse stimmung, die man durchaus - so, wie es blues ja macht - genießt. dieses "einhüllen in melancholie". das tut auch dein gedicht ganz melodiös und sanft.

Zitat:
Zitat von Chavali Beitrag anzeigen
So grau, so trübe ist der Tag,
die Trauerweiden trauern,
Melancholie trifft wie ein Schlag
auf selbstgewählte Mauern.
sehr fein beobachtet. dieser freiwillige rückzug in sich selbst, dem sich ja kaum einer zu dieser jahreszeit entziehen kann. auch nicht mag, hab ich oft den eindruck. vielleicht muss auch die seele eine ruhezeit einlegen?

Zitat:
Zitat von Chavali Beitrag anzeigen
Ich bin nicht froh mit mir allein,
der Winterblues gibt mir die Hand,
das Schneegewand ist Felsgestein,
ein Perlenvorhang eine Wand.

So starre ich auf fernes Feld,
wo ist die Sonne, Leben, Licht? ich würde das erste "ist" hier ersetzen mit "wo sind nur". was meinst du?
Wo find ich Wärme, Zuflucht, Zelt,
wo ist das Wort, das mir verspricht
und noch besser finde ich diese ambivalenz, die das gedicht mit enthält, die die melancholie mit kennzeichnet: einerseits das bedürfnis nach rückzug, nach einsamkeit. andererseits auch ein bedürfnis nach nähe und zuspruch. nach halt. und sei's nur ein wort.

das wort soll dem winterblues-befallenen versprechen,
Zitat:
Zitat von Chavali Beitrag anzeigen
dass Mauern brechen, Bäume blühn,
der Morgen glänzt in sattem Grün,

ein warmer weicher Wind mich trägt
und sich die Welt um mich bewegt?
und das kann ich gut verstehen als bedürfnis. man kann nämlich diese stille zeit nur dann "gelassen" ertragen und sich in sie fallen lassen, wenn man die garantie bzw. das vertrauen hat, dass auch wieder sonnigere, lebhaftere, weniger einsame zeiten folgen werden.

das finde ich ganz toll rübergebracht hier im gedicht. gefällt mir richtig richtig gut! trifft genau mein empfinden!

sehr gerne gelesen!


liebe grüße

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Alt 12.12.2011, 18:29   #6
Chavali
ADäquat
 
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Liebes feelein,
Zitat:
ich würde das erste "ist" hier ersetzen mit "wo sind nur". was meinst du?
stimmt, das würde sich auch fügen, gefällt mir gut. Ich schaue mal.

Über deine Interpretation hab ich mich sehr gefreut, deckt sie sich doch mit meinem Anliegen.
Zitat:
vielleicht muss auch die seele eine ruhezeit einlegen?
Bestimmt, ganz sicher sogar. Nach all dem Trubel und der aktiven Sommerzeit (Urlaub usw.)
ist ein Besinnen auf sich selbst lebenswichtig.
Nicht nur die Natur zieht sich zurück - das würde auch dem Menschen gut tun.
Zitat:
und noch besser finde ich diese ambivalenz, die das gedicht mit enthält, die die melancholie mit kennzeichnet: einerseits das bedürfnis nach rückzug, nach einsamkeit. andererseits auch ein bedürfnis nach nähe und zuspruch. nach halt. und sei's nur ein wort.
Das hast du sehr schön gesagt; ohne Wissen, dass man irgendwann wieder aufgefangen wird,
sei es von einem Sonnenstrahl im Frühjahr oder von einem guten Wort - könnte man die dunkle Jahreszeit wohl gar nicht aushalten.
Zitat:
man kann nämlich diese stille zeit nur dann "gelassen" ertragen und sich in sie fallen lassen, wenn man die garantie bzw. das vertrauen hat, dass auch wieder sonnigere, lebhaftere, weniger einsame zeiten folgen werden.

das finde ich ganz toll rübergebracht hier im gedicht. gefällt mir richtig richtig gut! trifft genau mein empfinden!
Das ist es! Hab vielen lieben Dank.

Herzlichst,
Chavali



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