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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 05.10.2015, 20:49   #1
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
Standard Vertrieben

Im fahlen Licht die Brasserie,
die Straßen sind noch menschenleer,
der Sommer liegt in Agonie
erdrückt von Wolken regenschwer.

Ein Lied klingt leis mir durch Äonen
in Worten, die ich längst vergaß,
erzählt von Riesen und Dämonen
und Schätzen, die ich einst besaß.

Ich klammer mich an deine Hände,
dein Brief und ich im Ringelreihn.
In öden Straßen wächst das Fremde,
aus ockergelber Erde: Wein -

so süß der Duft von den Spalieren,
ein alter Baum, die Schaukel schwingt.
Wie konnte ich das Bild verlieren,
nicht hören, wie der Wind dort singt?

Die weichen Schwünge jener Weite
vor dunstverhangnen Bergen - schroff
und wild - und du an meiner Seite,
ist Tag für Tag, was ich erhoff.

Der Kellner wischt die leeren Tische,
und diese Stadt wird mir so fremd.
Ich bin der Bettler in der Nische
und rieche dein verschwitztes Hemd.

Der Schmutz klebt zwischen bloßen Zehen,
du läufst mir nach, ich lache laut.
Es legt sich Staub und ich kann sehen,
wie über Nebeln Himmel blaut.

Stets war ich diesem Land verbunden
aus dem ein Dämon mich vertrieb.
Vergessen heilt nur scheinbar Wunden.
Nun weiß ich, dass ich immer blieb.





Ich stelle noch dieses eine hier ein und verspreche, das Eiland dann eine Zeitlang nicht mehr mit meine Gedichten zuzuspamen und mich den vielen Werken hier zu widmen, die mich ansprechen.

Aber dieses liegt mir angesichts der derzeitigen "Flüchtlingsdiskussionen" einfach am Herzen; es ist eine rein menschliche Sicht - vielleicht kann man es naiv nennen - jedenfalls habe ich es geschrieben, ohne über die gesellschaftlichen und politischen Konsequenzen nachzudenken. Aber ohne eine menschliche Sichtweise und ein grundsätzliches Umdenken werden wir kaum "politische Lösungen" finden.

Angeregt ist es von Khalid Hosseini's Roman "Traumsammler".

Gute Nacht und bis bald!
charis
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Alt 07.10.2015, 15:14   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Charis!

Sehr schön - jede Strophe wiegt den Leser in berauschenden Sprachbildern von superber Qualität!

Ich kenne zwar die Geschichte nicht, die diesen Zeilen zugrunde liegt, aber du machst sie dennoch lebendig und nacherlebbar, und das alles nur mit einem Brief, der Erinnerungen weckt, in den Händen eines Menschen in der Fremde!

Einzig S5Z2,3 - bei dieser zeilenübergreifenden Phrase brauchte ich zwei Anläufe, um es einigermaßen rund hinzukriegen. Wahrscheinlich liegt es an den zwei Brüchen so knapp hintereinander: Der Trennung durch den Zeilenumbruch und den Bindestrich nur zwei Worte später.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
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Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.10.2015, 20:14   #3
Agneta
Gast
 
Beiträge: n/a
Daumen hoch

ein wundervolles Werk, Charis, das emotional etwas vermittelt, was man nicht kommentieren kann. Und dass ich sehr gut nachvollziehen kann.
LG von Agneta
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Alt 08.10.2015, 14:25   #4
Marzipania
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Ja, Charis,
wiederum ein gelungenes, elegant versprachtes Werk.
Schön, dass du zu uns gefunden hast.
Herzliche Grüße
MR
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Alt 16.10.2015, 14:23   #5
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
Standard

Hallo, ihr Lieben

Ihr macht mich ganz glücklich
Eky, die Berge sind ja auch schroff und wild.
Ohne Patzer, wäre es nicht mein "ich", das da schreibt.


Vielen Dank von der Chaotin!

Lieben Gruß
charis

Geändert von charis (16.10.2015 um 14:29 Uhr)
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