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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 25.11.2012, 12:23   #1
Antigone
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Standard Muffstadt

Am fremden Ort wirst du dir selber fremd.
Dich plagen seltsam kleine Missgeschicke,
du gehst durch dieses Städtchen wie gehemmt,
vermutest hinter Fenstern Eulenblicke.

Du gierst nach allem, was dir wohlbekannt,
erkennst Gerüche her aus fernen Tagen.
Vom Kirchturm läuten Glocken dissonant.
Du fühlst dich sterbensmüd und abgeschlagen.

Und selbst der Himmel ist ein andrer hier,
das Grau der Wolken spricht von ihrer Trauer -
ein Abschiedsgruß, ein kühles Souvenir.
Dir bleibt am Ende nur ein matter Schauer.
Antigone ist offline  
Alt 25.11.2012, 13:13   #2
Gert-Henrik
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salve Antigone,

das Werk gefällt mir sowohl formal als auch inhaltlich. Ich bin mir von der Stimmung her nicht sicher, ob das "gierst" nicht vielleicht doch zu stark ist?
Das _kühle_ Souvenier gefällt mir besonders: z.B. Bahnhofsatmosphäre, die im feuchten, kalten Wind baumelnden Schlüsselanhänger.
Warum hat sich denn das LI keine schön heiße Tasse Tee gegönnt?

LGv
Lipiwig
 
Alt 25.11.2012, 15:30   #3
Antigone
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Beiträge: 223
Standard Muffstadt

Salve, lipiweg

ein Abstecher in eine kleine Stadt, deren Namen ich vergessen habe und wo selbst der Zeiger auf der Kirchturmuhr noch zum Ereignis wird, wenn er einen Schritt vorwärts macht. Es gibt viele solcher kleiner Städte hierzulande.
Sicher, man dort ist im allgemeinen provinziell gastfreundlich und liebenswürdig, und ein Glas Tee wäre sicher abgefallen für den müden Besucher. Falls er noch die Kraft gehabt hätte, das Glas an den Mund zu heben.

Dank dir fürs Reinschauen.

Lieben Gruß
Antigone
Antigone ist offline  
Alt 25.11.2012, 16:28   #4
Chavali
ADäquat
 
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Liebe Antigone,

also ich gehe sehr gern durch fremde Städte, sie locken meine Neugier und halten mich wach

Dein Gedicht gefällt mir dennoch, gibt es doch sicher auch Menschen, denen eine fremde Umgebung ungeheuer erscheint
und die sich schnell wieder zurück an den heimischen Herd wünschen.
Ich kann auch durchaus das Unbehagen nachfühlen, das einen beschleichen könnte.
Es kommt eben immer auf die Einstellung an.

Lieben Gruß,
Chavali
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© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

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Chavali ist offline  
Alt 26.11.2012, 06:17   #5
Antigone
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Beiträge: 223
Standard Muffstadt

Liebe Chavali,

ganz sicher, auch ich bin gern mal woanders, auch in kleinen Städten.
Und nicht überall begegnet mir Muff, aber eben doch viel zu oft.
Vielleicht aber sollte man dieses Muffstadt eher als Metapher lesen?
Dank dir fürs Reinschauen.

Lieben Gruß
Antigone
Antigone ist offline  
Alt 26.11.2012, 13:32   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Antigone!

Ein formal wie inhaltlich sehr gelungenes Gedicht. Vor allem S3 erscheint mir sehr sprachmelodisch und flüssig.

Den "Kleinstadtmief" kenne ich aus jüngeren Jahren, als ich die Welt erleben wollte! Mittlerweile hab ich's gerne ruhiger...

Es ist eben alles eine Frage der Sichtweise, des Standpunktes, den man vorab einnimmt - davon hängt maßgeblich ab, wie man etwas betrachtet. Neutrale Dinge bekommen so den gewünschten Ruch, weil sie im Sinne des Standpunkts interpretiert werden. Ich versuche seit Jahren, mich davon frei zu machen - klappt leider noch viel zu selten!

Natürlich will und werde ich andererseits keinesfalls bestreiten, dass es tatsächlich solche Orte gibt, wo alles in dir bloß schreit: Nix wie raus hier!!!

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline  
Alt 26.11.2012, 15:58   #7
Antigone
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Standard Muffstadt

Lieber Erich,

dank dir fürs Feedback. Mief und Muff findet man nicht nur in Kleinstädten, lässt sich aber daran ganz gut beklagen. Wenn du Kleinstädte kennst,
weißt du ja, wovon ich rede. Es steht dir aber frei, meine Kleinstadt als Metapher zu betrachten.

Du hältst also einen Standpunkt zu einer Sache für etwas, was man vermeiden sollte? Keine leichte Sache, und ob sie so erstrebenswert ist, wage ich zu bezweifeln. Gestatte einen Einwurf: Erst von einem Standpunkt aus kann man eine Angelegenheit doch wirklich beurteilen. Allerdings muss man sich den erst einmal erarbeiten, und dazu gehören Wissen und Erfahrung. Zugegeben, etwas beschwerlich. Darf ich dich also so verstehen, dass dir der Rest der Welt schittegal ist?

Lieben Gruß
Antigone
Antigone ist offline  
Alt 26.11.2012, 17:45   #8
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Wie du hier nun siehst, ist Interpretation - vor allem durch die eigenen individuellen Wahrnehmungsfilter hindurch - immer subjektiv und potentiell unvollständig.

Natürlich ist mit die Welt nicht egal (zumindest nicht ganz), und was zu vermeiden ich meinte ist das vorschnelle, allzu rasche und selbstsichere Urteilen auf der Basis zu weniger Parameter und mangelnder Informationen, die dann gern freiflottierend extrapoliert werden. Verallgemeinerung und Oberflächlichkeit sind Grundübel des menschlichen Charakters.
Oft fällen wir Urteile - wie oben beschrieben - auch eher aus Launen heraus, beeinflusst von vorgefassten Meinungen und Stimmungsfärbungen. Der zuvor schon eingenommene Standpunkt bedingt das Urteil danach. Diese Urteile beginnen dann oft mit: "Eh klar, genau so hab ich mir das vorgestellt..." DAS ist es, was ich zu vermeiden suche.

Standpunkte sind gut und wichtig - nur gut fundiert und möglichst objektiv gefällt sollten sie eben sein! Und man sollte nie vergessen, dass sie stets nur für den gelten, der sie eingenommen hat.

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline  
Alt 28.11.2012, 13:44   #9
Antigone
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Standard Muffstadt

Lieber Erich,

wenn ich dich richtig interpretiere, setzt du per se voraus, dass Standpunkte eben immer was Wackliges an sich haben. Meiner Ansicht nach kommt es auf den Menschen an, seinen Lebensweg, auf seine Erfahrungen und Einsichten. Ich würde also nicht von vornherein vermuten, dass einer seinen Standpunkt lediglich wie eine Monstranz vor sich herträgt. Sicher hast du da deine Erfahrungen, aber sich nun deshalb zu sagen, ich urteile lieber freischwebend im Raum,
das, lieber Erich, wäre nicht nur standpunktlos, sondern höchst leichtsinnig.

Lieben Gruß
Antigone
Antigone ist offline  
Alt 28.11.2012, 13:57   #10
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Liebe Antigone!

Du siehst Kritik, wo nie welche war. Mein Gedanke bezüglich vorschnellen Urteils und Standpunkten war von Beginn an ein gedanklicher Beitrag zu deinen Zeilen, was sie in mir auslösten, und worüber ich mir dann Gedanken machte. (Das Lyrich dort WILL die Stadt so sehen, deshalb nimmt es auch nur wahr, was in dieses Gedankenbild passt und ignoriert all die schönen Seiten der Kleinstadt konsequent. Ich kann nix dafür, wenn du dich allzu sehr mit dem Lyrich in dem Gedicht identifizierst...)
Sie waren nie als indirekte Kritik gegen dich oder als Anspielung auf charakterliche Mängel des Autors gedacht. Wenn du das so interpretiert hast, entschuldige ich mich gern für meine missverständliche Ausdrucksweise.
Aber vielleicht lag es auch - wie erwähnt - an den unterschiedlichen Wahrnehmungsfiltern...

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (28.11.2012 um 14:01 Uhr)
Erich Kykal ist offline  
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