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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 22.11.2012, 08:38   #1
Antigone
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Standard Das Höhlengleichnis des Sokrates

Der Sokrates, die kluge Plaudertasche,
erzählt von einer Höhle tief im Berge.
Gefangen lebten Menschen dort wie Zwerge,
versteiften felsenfest sich auf die Masche:

Sie konnten stets nur Höhlenwände sehen,
das Draußen war für sie ein Schattenspiel.
Gar seltsam scheint uns das und infantil,
doch ist nach Sokrates dies so geschehen.

Dem Tapfersten gelang, was unerhört,
die Flucht aus dem Verlies ins Tageslicht.
Er sah der wahren Welt ins Angesicht,
er fand sie eminent bewundernswert.

Und er begriff, dass seine Schattenwelt
auf Unwissen und Einbildung beruhte.
Und er beschloss in selbiger Minute,
die Wahrheit zu verkünden. Welch ein Held.

Als er zurück dann in die Höhle ging,
der Menschen Irrtum endlich aufzuklären,
begannen diese ihm deshalb zu wehren
und sprachen gar von einem Lügending.

Denn Schatten waren ihre Wirklichkeit,
sie hatten Tageslicht noch nie gesehen,
der Lügner wolle sie nur hintergehen,
das Draußen bringe Elend nur und Leid,

verrückt sei dies, das sehe jeder ein.
Der arme Kerl floh aus der dumpfen Höhle,
er hatte wohl genug von dem Genöle.
Die Zwerge schimpften lang noch hinterdrein.

Geändert von Antigone (22.11.2012 um 08:48 Uhr)
Antigone ist offline  
Alt 22.11.2012, 09:21   #2
Thomas
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Hallo Antigone,

Nur einer dieser Zwerge zog dann munter,
das Gleichnis in gereimter Form herunter,
das es, dem tiefen Sinn beraubt,
den Eindruck macht, dass man
nun doch etwas zu wissen glaubt.

Liebe Grüße
Thomas


Platon Politeia

Ende des 6. Buches

„...Doch meine Lieben, die Frage nach dem Wesen des Guten wollen wir jetzt beiseite lassen. Denn es scheint mir im gegenwärtigen Anlauf zu viel, auch nur bis zu meiner bloßen Meinung vorzudringen. Aber einen Sproß des Guten, der ihm sehr ähnlich ist, will ich euch beschreiben, wenn es euch lieb ist...“

Mit diesen Worten beginnt Sokrates das „Sonnengleichnis“, welches dem Höhlengleichnis am Anfang des 7. Buches unmittelbar vorausgeht.

„Wir sprechen doch von vielen Einzeldingen, die schön oder gut sind oder sonst von jederlei Art, und unterscheiden die auch in unserer Rede.“
„Ja!“
„Und ebenso reden wir von dem Schönen und Guten an sich, und so setzen wir bei allem andern, wo wir Einzeldinge annehmen, eine einzige Idee fpr jedes an und bezeichen die Dinge nach ihrer Idee.“
„So ist es!“
„Die Einzeldinge kann man sehen, aber nicht denken, die Ideen jedoch denken, aber nicht sehen.“
„Richtig!“
„Womit sehen wir nun die sichtbaren Dinge?“
„Mit dem Gesichtssinn.“
Aber „...Wenn Sehkraft in den Augen ist und der Träger sie auch anwenden will, und wenn Farbe darin ist, kann doch, wie du weißt, das Auge nicht sehen und die Farben bleiben unsichtbar,w enn nicht ein Drittes hinzukommt, das eben dazu da ist.“
„Was meinst du darunter?“
„Was du das Licht nennst!“
„Richtig!“
„... Wen von den Göttern bezeichnest du al die Ursache dafür? Wer spendet das Licht, durch das unser Auge alles aufs schönste sieht, alles Sichtbare gesehen werden kann?“
„Ich meine denselben wie du un alle andern: Helios, der Sonnengott, ist es klarerweise, nach dem du fragst.“
„Das Verhältnis der Sehkraft zu diesem Gott ist doch folgendes?“
„Welches?“
„Weder die Sehkraft selbst noch das Organ, in dem sie wohnt, was wir Auge nennen, ist Helios?“
„Nein!“
„Aber das Auge ist doch das sonnenhafteste under allen Sinnesorganen?“
„Bei weitem!“
„Auch die Sehkraft hat es von der Sonne zugeteilt erhalten wie einen Strom, der ihm zufließt.“
„Gewiß!“
„Somit ist die Sonne nicht die Sehkraft, wohl aber ihre Ursache und wird von ihr gesehen.“
„So ist es.“
„Diese Sonne... ist jener Sproß des Guten, den sich das Gute als Abbild seiner selbst gezeugt hat: was es selbst in der Welt der Gedanken ist gegenüber dem Verstand und dem Gedachten, das ist die Sonne in der Welt des Sichtbaren gegenüber dem Gesichtssinn und dem Gesehenen.“
„Wie? Erkläre mir das noch deutlicher!“
„Von den Augen weißt du es ja: wenn man sie nciht mehr auf Dinge richtet, deren Farben das Tageslicht beleuchtet, sonderen auf solche, die das Dämmern der Nacht umgibt, dann sind sie stumpf und fast blind, als ob keine Sehkraft in ihnen wäre.“
„Richtig!“
„Wenn man sie aber auf Dinge richtet, die die Sonne bestrahlt, dann sehen sie deutlich, und in denselben Augen wohnt jetzt offenbar die Sehkraft.“
„Ja!“
„Ebenso stelle es dir in der Seele vor! Wenn sie sich auf das stützt, worauf die Wahrheit und das Seiende leuchtet, dann kommt sie zu Einsicht und Erkenntnis und besitzt offensichtliche Denkkraft. Wenn sie aber auf die Welt schaut, die mit dem Dunkel vermischt ist, die wird und vergeht, dann hat sie bloß Meinungen und wird blind, änder t ihre Ansicht bald so, bald anders und erweckt den Eindruck, ohne Verstand zu sein... Wie du Licht und Sehkraft mit Recht für sonnenähnlich, nicht aber für die Sonne hälst, so tust du hier gut, erkenntnis und Wahrheit für ‚gutähnlich‘, nicht aber für das Gute zu halten...“

Und nachdem Glaukon nochmals um weiter Ausführung dieses Gedankens bittet...

„Bedenke also! Wie wir sagen, gibt es zwei Mächte; die eine ist Herrin über Art und Raum des Erkennbaren, die andere über das Sichtbare... Stelle dir eine Linie vor, die in zwei ungleiche Teile geteilt ist; nimm die Teile und unterteile sie nochmals in gleichem Verhältnis; der eine stellt das Gebiet des Sichtbaren dar, der andere das des Erkennbaren. Nach ihrer relativen Klarheit und Unklarheit hast du im sichtbaren Teil alse einen Abschnitt die Abbilder. Ich versehe darunter zuerst die Schatten, dann die Spieelbilder im Wasser und auf allen festen, glatten und glänzendern Gegenständen, und all das Ähnliche - wenn du das verstehst?"
„Ich verstehe!“
„Den andern Abschnitt denke dir dann für die Dinge, denen die Bilder ähnlich, also die Lebewesen um uns, die ganze Pflanzenwelt udn die vielfältigen Geräte menschlciher Erzeugung.“
„Gut!“
„Gibst du auch dies zu: in Bezug auf Wahrheit und Unwahrheit verhält sich das Abbild zu seinem Original wie die Meinung zum Wissen.“
„Natürlich!“
„Übelege nun, wie man den Teil des Erkennbaren unterteilen soll.“
„Wie denn?“
„Im ersten Abschnitt (des zweiten Teils) benützt die Seele die Originale (des ersten Teils), die dort nachgeahmt wurden, als bloße Abbilder und sieht sich gezwungen, auf Grund von Hypothesen zu forschen; dabei geht es ihr hier nicht um einen Urbeginn, sondern um ein festes Endziel. Den anderen Abschnitt durchforscht sie, indem sie von den Hypothesen zum voraussetzungslosen Urgrund fortschreitet, und zwar ohne die Abbilder von vorhin, nur mit Hilfe der Ideen in methodischem Vorgehen.“

„... Der denkende Geist mit seiner Kraft der Dialektik verwendet die Hypothesen nicht als letzten Grund, sondern als echte ‚Voraussetzungen‘, wie Stufen und Stützpunkte; mit ihrer Hilfe dringt er bis zum voraussetzungslosen Urbeginn des Ganzen vor, hält sich an ihm und dann wieder an dem, was von ihm abhängt, unst steigt so wieder hinab und zurück zum Ende, ohne irgendwo das Sichtbare zu Hilfe zu nehmen, sondern nur mit Hilfe der Ideen und durch sie und wieder zu ihnen,...“

Schließlich faßt Glaukon zusammen

„...Du nennst also die Methode der Geometriker und ähnlicher nicht eigentliche Erkenntnis, sondern eine Nachdenken, das in der Mitte zwischen dem bloßen Meinen und der eigentlichen Erkenntnis liegt.“
„Das hast du ausgezeichnt dargelegt...“

Übersetzung von Karl Vretska


Ich bitte für Tippfehler um Entschuldigung

Geändert von Thomas (22.11.2012 um 11:05 Uhr)
Thomas ist offline  
Alt 22.11.2012, 12:05   #3
Antigone
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Standard Das Höhlengleichnis des Sokrates

Lieber Thomas,

mir ist es bekannt, dass dieses Gleichnis vielen Leuten ein Ärgernis war und noch immer ist. Nicht nur, dass die sokratische Dialektik ihnen ein Pfui ist, wird ihnen doch auch ein Spiegel vorgehalten, und aus dem schaut nun mal kein Philosoph heraus, sondern - um mit Lichtenberg zu sprechen - öfter mal ein Affe. Es schmerzt, ich weiß.

Deiner "Reimkunst" haftet nicht nur ein Deutschfehler an (des tiefen Sinns beraubt), sondern eine gewisse - pardon - Verstiegenheit desjenigen, der glaubt, die Griechen für sich gepachtet zu haben, frei nach dem Motto: Bildung steht nur dem Abiturienten zu. Ja, gewiss, ich habe ein Sakrileg begangen, ich habe das Bildungsprivileg gebrochen - schnöde habe ich das edle Griechisch umgangssprachlich und etwas ironisch ins Deutsche gebracht, sodass jeder, der das Gedicht liest, den Sinn des Gleichnisses begreift, ohne in einem Wälzer von Platon nachschlagen zu müssen, wozu er wahrscheinlich in seinem ganzen Leben nicht kommen wird. Vielleicht habe ich aber auch diesen oder jenen Leser veranlasst, mal im originalen Platon nachzuschlagen und sich Wissen anzueignen? Und das passt dir nicht, muss ich ja nun vermuten. Oder wie anders soll ich deinen Kommentar verstehen?

Ich bilde mir nicht ein, ein großes literarisches Werk verfasst zu haben, davon bin ich meilenweit entfernt, das nur nebenbei. Natürlich hätte ich in umständlichen Hexametern ein unlesbares, geschwollenes Werkchen verfassen können, nur für Eingeweihte zugänglich, für den "gehobenen Leser". Das war aber gar nicht meine Absicht. Ich als Autorin kann mir nämlich auch meinen Leser aussuchen, und der "gehobene" ist es ganz bestimmt nicht - übrigens, ganz im Sinne des Sokrates.

Trotzdem, was soll es, hab besten Dank fürs Feedback.

Lieben Gruß
Antigone
Antigone ist offline  
Alt 22.11.2012, 13:54   #4
Thomas
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Hallo Antigone,

da hast du mich ja völlig durchschaut. Aber es kann ja auch gar nicht anderes sein, jemand mit dem schönen Namen Antigone muss sofort erkennen, dass "ich glaube die Griechen für mich gepachtet" zu haben. Es ist auch prima, wie du es mit deinem Gedicht fertig bringst, dass "jeder den Sinn des Gleichnisses begreift, ohne in einem Wälzer von Platon nachschlagen zu müssen". Ich würde mir so etwas gar nicht zutrauen, denn dann müsste ich mich wirklich sehr eingehend mit den Wälzern beschäftigen und das Gleichnis in seiner ganzen Tiefe grundlegend verstehen, nur so könnte ich es mit eigenen Worten wahrhaft und einfach zugleich ausdrücken.

Viele Grüße
Thomas
Thomas ist offline  
Alt 22.11.2012, 20:01   #5
Gert-Henrik
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HeiU2 - habe das nun eine Weile auf mich wirken lassen... Wollt ihr euch nicht wieder vertragen?

Bevor ich das Werk kommentiere, werde ich noch etwas über die Silberwand der Vorstellung meditieren - ähem, meine natürlich mich einlesen

LG!
 
Alt 23.11.2012, 07:08   #6
Thomas
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Hallo Lipiwig und Antigone,

Ich habe leider etwas getan, was ich sonst nie tue, denn meine Kommentare versuchen immer hilfreich oder zumindest lobend zu sein und vor allen Dingen halte ich bei Werken, die ich für total daneben halte, den Mund. Gegen dieses gute Prinzip habe ich hier verstoßen. Mein freches Gedichtlein war eine Art spontaner Aufschrei eines armen Gärtners, dem man gerade mit absoluter Selbstverständlichkeit das schönste Blumenbeet zubetoniert hat. Die Quittung dafür habe ich bekommen. Ich bin um eine Lehre reicher und danke dir sehr für die Ermahnung und Antigone für ihren Beitrag dazu.

Liebe Grüße
Thomas
Thomas ist offline  
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