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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 05.12.2014, 13:43   #1
Erich Kykal
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Standard Verblassend

Er lebt verschlossen, ohne Freund und Liebe,
vergessen sind Erlebtes und Erdachtes,
und einst von seinem Sturme Angefachtes
verglühte längst im täglichen Getriebe.

Verloren ist sein Geist in blassen Stunden,
versickernd rinnt die Zeit an ihm vorüber,
und alle Jahre hängen wie kopfüber,
und keinem je begreift er sich verbunden.

Wohl konnte einst das Leben ihn verführen,
verlockend sein mit Wünschen ohnegleichen -
es wird ihn heute nimmermehr erreichen.

Und wenn die Welt versucht, ihn zu berühren,
verschließt er alle Fenster nur und Türen,
wo ungelebte Träume sie umschleichen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 05.12.2014, 18:50   #2
Dana
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Lieber eKy,

so trist muss es aussehen, wenn der Geist verblasst.

Ganz besonders haben es mir diese Verse angetan, ob der lyrischen Sprache:

Zitat:
Zitat von Erich Kykal
und alle Jahre hängen wie kopfüber,
und keinem je begreift er sich verbunden.
Hier allerdings bin ich nicht sicher, ob es der Protagonist ist, der die Fenster und Türen verschließt, oder ob sie verschlossen sind und bleiben.
Diese "Aktivität" ist ihm, glaube ich zumindest, nicht mehr gegeben.

Zitat:
Zitat von Erich Kykal
Und wenn die Welt versucht, ihn zu berühren,
verschließt er alle Fenster nur und Türen,
wo ungelebte Träume sie umschleichen.
Dieser Mensch teilt sich nicht mehr mit. Man weiß auch nicht, ob er diese "Sonetttraurigkeit" überhaupt empfindet. Meist ist seine Umwelt betroffen.

Wieder eine Traurigkeit, die ich in Gedichten liebe.

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 05.12.2014, 19:20   #3
Erich Kykal
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Hi, Dana!

Du interpretierst "Verblassend" als geistigen Verfall des Protagonisten, aber das ist nur die halbe Miete. Mit "Verblassend" kann auch das gemeint sein, was die Welt für ihn ist - dass er eben keinen Anteil mehr nimmt, nichts ihn mehr reizt oder interessiert oder lange bindet.
Ich habe das bewusst offen gelassen - beide Deutungen sind legitim. Das Gedicht basiert auf eigener Erfahrung, und da trifft die letztere Deutung zu: Mit den Jahren verblasst mir die Welt mehr und mehr, kaum etwas weckt noch nachhaltiges Interesse in mir. Mein Phlegma nimmt überhand, vielleicht auch als Gegengewicht zum immer stressiger empfundenen quirligen Berufsleben, dessen interaktionsbedingte Unberechenbarkeit mich jährlich stärker fordert, weil meine Anpassungsfähigkeit wohl in gleichem Maße alterungsbedingt abnimmt.

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
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Alt 05.12.2014, 19:57   #4
Dana
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Lieber eKy,

ich habe im Grunde einen Teil eigener Erfahrung angedacht - wollte dir aber keinen so starken Verfall unterstellen.

Deine Erklärung lässt jene "Mehrdeutigkeit" eindeutig gelten. Dann passt auch die "Aktivität" beim Schließen der Fenster und Türen wieder - verstehe.

Liebe Grüße
Dana
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Alt 05.12.2014, 20:15   #5
Erich Kykal
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Hi, Dana!

die Fenster und Türen dürfen auch metaphorisch gesehen werden, als solche in seinem Geist!

LG, eKy
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Alt 08.12.2014, 19:24   #6
juli
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Standard Hallo eKy :)

Ich habe deinen Kommentar zu diesem Gedicht gelesen...

Mir fiel aber sofort, vielleicht weil ich das von Beruf bin, ins Auge, dass es sich auch um einen Demenzkranken handeln könnte. .
eKy Du hast Bilder des "Vergessens" gefunden, und diese feinst verdichtet.
Du klagst nicht an. Du beschreibst. Ich kann gar nicht sagen was mir besonders gefällt, denn ich finde Alles gut.

Dein Gedicht hat mich wach gemacht ( vorher war ich müde)

Sehr gerne gelesen und liebe Grüße aus dem kalten Schleswig - Holstein
sy
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Alt 09.12.2014, 18:58   #7
Erich Kykal
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Hi, Sy!

Mit der Demenz hast du Recht - es könnte auch so interpretiert werden, aber dies war hier nicht meine Intention (Habe vordem schon mehrere Gedichte zu dieser Thematik verfasst).
Ich wollte einen beschreiben, der sich gehen lässt - im doppelten Wortsinn! Einen vom Leben nicht unbedingt Enttäuschten, aber einen davon Gesättigten, den nichts mehr lockt und treibt.

Vielen Dank für deine Gedanken und das Lob (das freut immer besonders!)!

LG, eKy
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