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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 31.12.2016, 10:31   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Werdegang eines Amokläufers

Ungeteilter Schmerz ...

Er saß am Tische wie ein Ausgebrannter,
der, aus Erbarmen in das Haus gebeten
aus kalten Stürmen, welche draußen wehten,
nicht wärmer wurde und dem Raum verwandter.

Und in den Augen, die sich selten regten,
verglommen Stunden ohne Halt und Wesen,
und wer versuchte, ihren Blick zu lesen,
erkannte nur, dass sie sich kaum bewegten.

So saß er und versickerte in Schweigen,
das ihn wie kalter Stacheldraht umhüllte,
und keiner Seele konnte er sich zeigen.

Man ließ ihn endlich los, sich andern Zielen,
nach deren Auswahl man das Leben füllte,
zu widmen, wo sie trefflicher gefielen.


… und was er uns antut

Er saß am Tische in versteinter Stille
und wusste anderen die Schuld zu geben
für alle Leiden, das verpfuschte Leben,
und rachelüstern brodelte sein Wille.

Wie grimmig würde er sie büßen lassen
für jedes Wort, das ihm Respekt versagte
und seine Würde zu verspotten wagte;
all jene, die er abgrundtief zu hassen

in Jahren lernte, da sie nie verstanden,
in wessen Gegenwart sie sich befanden,
und seine wahre Größe nie begriffen!

Den Rammsporn der Vergeltung angeschliffen
kam seinem Lebensboot der Kurs abhanden
im Sturm des Zornes über Dünkels Riffen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (28.06.2017 um 12:05 Uhr)
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Alt 02.01.2017, 10:36   #2
juli
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Hallo eKy,

Das ist harte Kost, man sieht förmlich die Abgründe vor denen der Täter steht und das kommende Leid der Opfer...


Ungeteilter Schmerz ...

Er saß am Tische wie ein Ausgebrannter,
der, aus Erbarmen in das Haus gebeten
aus kalten Stürmen, welche draußen wehten,
nicht wärmer wurde und dem Raum verwandter.

Und in den Augen, die sich selten regten,
verglommen Stunden ohne Halt und Wesen,
und wer versuchte, ihren Blick zu lesen,
erkannte nur, dass sie sich kaum bewegten.

So saß er und versickerte in Schweigen,
das ihn wie kalter Stacheldraht umhüllte,
und keiner Seele konnte er sich zeigen.

Man ließ ihn endlich los, sich andern Zielen,
nach deren Auswahl man das Leben füllte,
zu widmen, wo sie trefflicher gefielen.





zeigen, wie alleine so ein Mensch sein muß, und wie weit er entfernt er vom menschlichen ist. Die Gemeinschaft, die er gefunden hat, fußt auf den Tod, das Leid und die Macht und der Genuss einmal m Leben groß zu sein. Das sich Erleben wird nur noch auf eine einzige Tat beschränkt. Derjenige ist in einem Tunnel und sieht von der Welt nur noch ein Licht, dass kein Licht ist, sondern sein Ende und das glorifizierte Ende vieler noch Lebendigen.


2. … und was er uns antut

Er saß am Tische in versteinter Stille
und wusste anderen die Schuld zu geben
für alle Leiden, das verpfuschte Leben,
und rachelüstern brodelte sein Wille.

Wie grimmig würde er sie büßen lassen
für jedes Wort, das ihm Respekt versagte
und seine Würde zu verspotten wagte;
all jene, die er abgrundtief zu hassen

in Jahren lernte, da sie nie verstanden,
in wessen Gegenwart sie sich befanden,
und seine wahre Größe nie begriffen!

Den Rammsporn der Vergeltung angeschliffen
kam seinem Lebensboot der Kurs abhanden
im Sturm des Zornes und vor Dünkels Riffen.


Hier beschreibst du die Ausweglosigkeit. Es gibt nur den Weg zwischen Schwarz und Weiß. Alle Zwischentöne sind erloschen, weil im Attentäterszenarium es um Leben und Tod in Sekundenschnelle geht. Der Hass muß groß sein, und das Sterben Unschuldiger wird erhöht um sich selbst zu spüren.Grausamkeit an Anderen wird als Ausweg für den Amoktäter zum Ziel der Ziele.

Das sind zwei Sonette, die die Nackenhaare nach oben schnellen lassen. Sind bringen mit einer deutlichen Sprache, die Ausweglosigkeit des Täter und deren Opfern zur Sprache. Es gibt nur den Tod.

Gewalt kann Sprachlosigkeit bedeuten, doch du legst den Finger in die Wunde.

Liebe Grüße sy


Geändert von juli (03.01.2017 um 11:34 Uhr)
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Alt 02.01.2017, 12:05   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi Sy!

Schön analysiert!

So ein Schicksal ist in etwa zu gleichen Teilen vom Täter gestrickt wie von denen, deren Oberflächlichkeit und leichthin verteilter Spott den Täter erst in diesen "Tunnel" trieben (Danke für dieses Bild! )!

Im Nachhinein wird mit Verständnislosigkeit um sich geworfen, aber ich Grunde wissen wir alle spätestens seit unserer Schulzeit ganz genau, wie so etwas passiert: Demütigung und Verachtung über Jahre hinweg, Mobbing und seelische Grausamkeit - und diese treffen auf eine sozial ungeübte Seele, der jegliche Anerkennung versagt wird und die dadurch in immer größere Extreme getrieben wird und sich nicht aus diesem Teufelskreis zu lösen vermag, bis die einzig gangbare Option ein finaler Befreiungsschlag ist, mit dem sich dieses gequälte Bewusstsein auch quasi selbst tötet. Deshalb verüben die meisten Amokläufer mit solcher Motivation Selbstmord: sie sind eben keine asozialen Psychopathen oder politische Wahnsinnige, die eine Botschaft in die Welt kotzen möchten - sie sind gefolterte Seelen, die ihr Dasein unter solchen Umständen nicht mehr ertragen und keinen anderen Ausweg mehr wahrnehmen können oder wollen: Ein einziges, letztes Mal respektiert sein (wobei sie Furcht mit Respekt gleichsetzen), den überraschten Blick in den Augen ihrer Peiniger genießen zu können, wenn diese - einen Moment, bevor die Kugel einschlägt - erkennen, wie sehr sie ihr Opfer unterschätzt und zu Unrecht erniedrigt hatten!

Warum mir das so nahe ist? Als Teenager war ich selbst in so einer Lage und träumte viel von so einem Szenario, um mich nach der täglichen Kür der sozialen Nadelstiche durch jene, nach deren Anerkennung und Respekt ich so zutiefst hungerte, zu erleichtern.
Vier Jahre dauerte mein Martyrium, und da ich zu jung und unreif war zu erkennen, dass es zumindest zur Hälfte mein eigenes soziales Versagen, meine eigene Schuld gewesen war, dass es so hatte kommen müssen, litt ich still und fraß alles in mich hinein. Wäre ich damals nur ein wenig mutiger oder fatalistischer gewesen - wer weiß?
Diese Zeit ist zumindest einer der Hauptgründe dafür, warum ich bis heute allein und isoliert lebe, andere Menschen nur am Rande zu streifen vermag: Mein Vertrauen in menschliche Wärme und Gerechtigkeit wurde damals nachhaltig erschüttert bis komplett vernichtet.
Und wie es in der "Gesellschaft" so zugeht, hat meine diesbezüglichen Ansichten bis zum heutigen Tage eher bestätigt. Fazit: Ich halte nicht viel vom Menschen - und schließe mich selbst darin mit ein.
Was sind schon die paar Momente, da er fähig ist, seelische Größe, soziale Aufrichtigkeit und Liebe zu zeigen, gegen all die sonstige Zeit, gefüllt mit Shitstorms, Gerüchteküche, Karriere mit Ellbogen, Rufmord, Angeberei, Rudelbildung, Scheinmoral, usw ... - kurz: alles, was man braucht, um in der Welt voranzukommen und eine Schweinesuhle daraus zu machen, in der man sich genüßlich aalen kann! (Du merkst, wie ich dazu stehe, nicht wahr ... ?)
Tja, wir haben wohl alle an unseren Altlasten zu tragen ...


Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
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Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 12.01.2017, 18:48   #4
Dana
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Lieber eKy,
sehr gut die Gegenüberstellung in zwei Gedichten.
Nicht minder syranies Kommentar und Deine ganz persönliche Antwort.
Gedankengänge in jene Richtung sind uns wohl vertraut.
Nachdenkenswert ist für mich jener Absatz von Dir:
Zitat:
Zitat von Erich Kykal
Und wie es in der "Gesellschaft" so zugeht, hat meine diesbezüglichen Ansichten bis zum heutigen Tage eher bestätigt. Fazit: Ich halte nicht viel vom Menschen - und schließe mich selbst darin mit ein.
Was sind schon die paar Momente, da er fähig ist, seelische Größe, soziale Aufrichtigkeit und Liebe zu zeigen, gegen all die sonstige Zeit, gefüllt mit Shitstorms, Gerüchteküche, Karriere mit Ellbogen, Rufmord, Angeberei, Rudelbildung, Scheinmoral, usw ... - kurz: alles, was man braucht, um in der Welt voranzukommen und eine Schweinesuhle daraus zu machen, in der man sich genüßlich aalen kann! (Du merkst, wie ich dazu stehe, nicht wahr ... ?)
Tja, wir haben wohl alle an unseren Altlasten zu tragen ...
Oh ja, das Leben selbst steht sich in seinen Abschnitten gegenüber und kein Dritter sollte darüber werten, selbst dann nicht, wenn er meint, er hätte Ähnliches erfahren. Die Ähnlichkeit sagt nämlich noch nichts darüber aus, wie es der Einzelne für sich empfundet hat oder empfindet.
Damit meine ich ausschließlich die Wertung. Ein anderes Thema ist die Verurteilung solcher Taten.


Wenn sich die Sprüche widersprechen,
ist‘s eine Tugend und kein Verbrechen.

Du lernst nur wieder von Blatt zu Blatt,
dass jedes Ding zwei Seiten hat.

Paul Heyse (1830-1914)


Sprache und Bilder der Gedichte erhalten ganz und gar höchste Wertung.

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 12.01.2017, 21:15   #5
Erich Kykal
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Hi Dana!

Es ist schon seltsam, dass der Mensch, je stolzer er ist, desto offenbar weniger mit Erniedrigung fertig wird!

Das überspitzteste Beispiel ist der Samurai, den schon der geringste Ehrverlust nach seiner Definition zu Seppuku veranlasst, da sein Selbstbild keinen noch so kleinen Makel an seinem "Gesicht" erträgt.

Das heißt: Wenn das Bild, das wir für andere darstellen können/wollen/müssen, wichtiger wird als alles, was wir selbst sind, werden wir quasi zur Perfektion, die wir vermeintlich darstellen. Werden uns Anerkennung und Respekt dann versagt - aus welchen Gründen auch immer - versagen wir sie uns auch selbst und entfernen uns aus der Welt, da uns ein Leben ohne den Schein nach außen nicht lebenswert oder -würdig erscheint.

Ob Harakiri oder der erweiterte Suizid des Amokläufers: ein gesellschaftlich aufoktruiertes oder selbst angelegtes Scheinbild taugt nicht mehr, und die nie zuvor erlebte und darum seit je ungefüllte Leere darunter trägt die Existenz nicht mehr.

Vielen Dank für deine lobenden Gedanken!

LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
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Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (17.02.2019 um 19:04 Uhr)
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