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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 24.11.2012, 17:44   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Menschliche Fragen

Hat man nicht Demut uns gelehrt und Achtung
vor allem Leben, das sich um uns regt?
Woher dann all die seelische Umnachtung,
die blind vor Leiden heulend um sich schlägt?

Wir schaffen Großes, doch verheeren Länder,
und töten feige, was wir nicht verstehen.
Wer bin ich denn als einer dieser Schänder,
der anders schaut nur als die andern sehen?

Sind wir nicht alles, Heilige und Hirten,
doch Mörder auch dem eigenen Geschlechte?
Wer bin ich denn, als einer der Verirrten,
dass ich mit ihnen hadere und rechte?

Wie grausam falsch, mir solches anzumaßen,
als wäre ich ein Büßer ihrer Schmerzen.
War einer bloß von denen, die vergaßen:
Wir denken viel, doch handeln nach dem Herzen.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (24.11.2012 um 18:34 Uhr)
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Alt 24.11.2012, 21:11   #2
Suzette
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo Erich,
deine Verse sprechen ernste, wahre Gedankengänge aus - damit berühren sie mich und stimmen auch nachdenklich, denn es geht wohl, wenn ich es richtig lese, um die teilweise weit aufklaffende Schere zwischen dem Wollen und dem Tun oder auch um die "zwei Herzen", die man in der Brust schlagen hat.
Dabei sehe ich hier die Gewichtung auf das innere Reflelktieren gelegt.
Danke für diese präzisen Beobachtungen menschlicher Untiefen, die auch mich wieder dazu bringen, mich diesbezüglich an die eigene Nase zu packen und diese beiden Seiten zu erkennen und anzuschauen - für mich eine Voraussetzung für die anfangs angesprochene Demut.

Lieben Abendgruß
Suzette
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Alt 26.11.2012, 19:20   #3
Dana
Slawische Seele
 
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Beiträge: 5.637
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Lieber eKy,

dein Gedicht zwingt zum Innehalten. Es hinterfragt, "rechtet" und verbietet zu richten.
Es zwingt zuvor die eigenen "Vergehen" zu beleuchten, bevor man auf die anderen zeigt.

Wir sind wirklich alle und alles und haben stets ein "Aber" und "Weil" zur Hand, wenn es uns selbst betrifft.

Vier sehr gute Strophen, die nicht besser in diese Rubrik passen könnten.
Sie stimmen nachdenklich, machen betroffen und ja:

Zitat:
Zitat von Erich Kykal
Wie grausam falsch, mir solches anzumaßen,
als wäre ich ein Büßer ihrer Schmerzen.
War einer bloß von denen, die vergaßen:
Wir denken viel, doch handeln nach dem Herzen.
Mir fehlen zum Inhalt beinahe die Worte, doch keine für ein hervoragendes Gedicht.

Liebe und menschliche Grüße
Dana
__________________
Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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Alt 26.11.2012, 20:43   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Beiträge: 9.908
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Servus Erich,

das ist mal eine Gesellschaftskritik, die zu denken gibt.
Der Text zeigt auf, klagt aber niemanden dabei an.

Das liegt vor allem an den Fragestellungen und die rückblickende Einbindung des "Lyrichen Ichs" in dieselbe.

Ja, was hat man uns nicht alles gelehrt und trotzdem missachten wir diese Lehren.
Da ist zum einen der schnöde Mammon, zum anderen die Machtgier und zum dritten die Sucht nach Ruhm und Ehre, die alles zunichte machen, was die Vernunft uns doch eigentlich gebieten sollte.

So ist es nicht verwunderlich, wenn es immer noch Not und Elend in der Welt gibt, ganze Landstriche verwüstet und fremde Kulturen zerstört werden und nach wie vor das Morden kein Ende findet.

Tja, wir waschen unsere Hände in Unschuld, weil wir ja nicht unmittelbar daran beteiligt sind, doch irgendwie sind wir doch nichts weiter als kleine Rädchen in einem riesigen Uhrwerk und müssen funktionieren, damit es weiter laufen kann. Darüberhinaus sind diese Rädchen auch noch jeder Zeit austauschbar, was die Sache auch nicht gerade leichter macht.

Dabei denken wir zwar darüber nach, handeln aber letztendlich nach dem Herzen, weil jeder nach seiner eigenen Glückseligkeit strebt.

Soll man das nun verurteilen oder böse nennen?
Ich glaube, das kann man nicht, es liegt in der menschlichen Natur und nur die Auswüchse dieser sind zu bekämpfen, nicht wahr?

So, zum Schluss habe ich noch eine kleine Anmerkung, obwohl ich weiß, daß du so etwas nicht magst:

Ich würde den Text genau so stehen lassen und keine Silbe daran verändern. Er ist und wirkt gut so, wie er ist...


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 26.11.2012, 21:29   #5
Antigone
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Standard Menschliche Fragen

Lieber Erich,

schön wäre es ja, wenn wir nach dem Herzen handeln würden. Wobei es immer darauf ankommt, wie das Herz beschaffen ist. Wir handeln aber, ganz im Gegenteil, leider zu unserem eigenen Vorteil auf Kosten des anderen; das ist nun mal so in einer Gesellschaft, in der der andere der Konkurrent ist und nicht der Freund. Zu dieser Erkenntnis stößt du mit diesem Gedicht meiner Ansicht nach jedenfalls nicht vor, sondern erschöpfst dich in einer allgemein-menschlichen Klage. Die zwei Herzen, ach, in seiner Brust, konnte Goethe noch guten Gewissens beklagen, heute aber kommt mir das doch ein wenig altväterlich vor, weil es die Ursachen ausblendet. Und das, lieber Erich, ist mir entschieden zuwenig. Du hast eine nette Utopie geschrieben, die in der jetzigen Gesellschaft aber keine Chance bekommt, wahr zu werden.

Wie immer ist es ein gutformuliertes Gedicht, das man gern liest, das aber wohl mehr Wert auf den Klang der Sprache legt als auf die Ausarbeitung eines Inhalts, der auf Erkenntnis weist.

Lieben Gruß
Antigone

Geändert von Antigone (26.11.2012 um 21:34 Uhr)
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Alt 26.11.2012, 23:05   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Suzette!

Mit den zwei Herzen in der Brust von Goethe hat das Gedicht eher im übertragenen Sinne zu tun, wenn überhaupt.
Was ich auf den Punkt bringen wollte, ist zweierlei: Erst mal die menschliche Dummheit, die alle Größe beinah zunichtemacht, zum anderen unsere Arroganz beim Urteilen über andere. Gern stellen wir uns abseits und klagen an, oft genug ohne objektives Nachforschen oder Hinterfragen der eigenen Motive für unsere Besserwisserei.
Die Geschichte lehrt, dass die selbsternannten Gutmenschen in ihrem Drange, es besser zu machen, meist mehr Schaden angerichtet haben als das sogenannte und ominöse "pure Böse". Selbst ein Hitler glaubte ja nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln...

Hi, Dana und Faldi!

Danke für Lob und Gedankenaustausch!
(Übrigens: Ich schätze es durchaus sehr, wenn jemand absolut nichts zu monieren findet! Wie kommst du drauf, dass dem nicht so wäre???)

Hi, Antigone!

Sorry, aber hast du das Gedicht richtig gelesen? Den Goethe zitierst du wie Suzette, aber wie zum Donner du bei diesem Gedicht auf die "Beschreibung einer Utopie" kommst, ist mir ernstlich schleierhaft. Da liegst du - schon allein inhaltlich - völlig daneben.


Dank an euch alle für eure Gedanken!

LG, eKy
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Alt 27.11.2012, 10:57   #7
Antigone
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Standard Menschliche Fragen

Lieber Erich,

ich bin ziemlich sicher, dich ganz gut verstanden zu haben. Der Goethe ist nur ein Nebenhinweis. Aber dass du mit deiner Klage über die Schlechtigkeit der Welt eine Utopie heraufzubeschwören versuchst, kannst du guten Gewissens nicht abstreiten. Aber darum geht es mir gar nicht, vielleicht ist das wirklich ein Missverständnis meinerseits, aber das mag vielleicht an deiner doch etwas uneindeutigen Formulierung liegen. Worum es wirklich geht, ist, dass du dich um die Erkenntnis von Ursachen zu drücken versuchst, um nicht selbst in den Ruch der Besserwisserei zu gelangen. Aber die Erkenntnis ist Blüte und Ziel des Denkens, und das stammt nicht von mir, sondern von einem gewissen Sokrates.

Lieben Gruß
Antigone
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Alt 27.11.2012, 12:28   #8
Erich Kykal
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Nochmal: Hier wird nichts "heraufbeschworen", Utopie oder sonstwas - das ganze Gedicht dreht sich im Grunde darum, sich nicht über andere zu erheben, sich ob eingebildeter oder tatsächlicher Einsicht und/oder Weisheit für besser oder gerechter zu halten, mit dem Recht zu richten und zu urteilen, weil wir eben ALLE unsere guten und weniger guten Seiten haben, was sich in unserer Realität - wie im Gedicht beschrieben - deutlich widerspiegelt, und weil wir eben nie im Besitz ALLER Informationen sein können, die für ein objektives Beurteilen nötig wären.

Nebenbei: Wenn man einen Um- oder Zustand so beschreibt, dass deutlich wird, dass der Autor so damit nicht einverstanden ist, heißt das noch lange nicht, dass diese Zeilen gleich diesbezüglich missionieren sollen!

Keine Ahnung, wo du deine Interpretation herholst, die du mir so nachhaltig unterstellst. Jedenfalls wiederhole ich gerne: Du liegst daneben.

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (27.11.2012 um 12:31 Uhr)
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Alt 28.11.2012, 19:50   #9
Suzette
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Zitat:
Mit den zwei Herzen in der Brust von Goethe hat das Gedicht eher im übertragenen Sinne zu tun, wenn überhaupt.
Was ich auf den Punkt bringen wollte, ist zweierlei: Erst mal die menschliche Dummheit, die alle Größe beinah zunichtemacht, zum anderen unsere Arroganz beim Urteilen über andere. Gern stellen wir uns abseits und klagen an, oft genug ohne objektives Nachforschen oder Hinterfragen der eigenen Motive für unsere Besserwisserei.
Die Geschichte lehrt, dass die selbsternannten Gutmenschen in ihrem Drange, es besser zu machen, meist mehr Schaden angerichtet haben als das sogenannte und ominöse "pure Böse". Selbst ein Hitler glaubte ja nach bestem Wissen und Gewissen zu handeln...
Tut mir leid, da hast du absolut Recht und ich hab zu schnell geschossen nach zu ungenauem Lesen ...

Mein Ansinnen war eigentlich das, hier einen kleinen Beitrag zum Thema der derzeitigen "Diskussion" einzubringen - dies sollte vor allem etwas Friedliches sein ...
Sicherlich ist die Voreingenommenheit aufgrund subjektiver Filter genauso ein ständiges Thema (besonders da, wo Menschen gehäufter und intensiver aufeinandertreffen) wie die Arroganz, diese zu vertreten.
Ich finde es immer sehr schade, wenn sowas passiert und man zuschauen muß, wie von verschiedenen Seiten langsam immer mehr dicht gemacht wird.
i.d.S.
Abendgruß
Suzette
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Alt 10.12.2012, 12:11   #10
Erich Kykal
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Kein Grund, sich zu entschuldigen, Suzette!

Deine Gedanken haben die Deutungsmöglichkeiten bloß bereichert. Ich erklärte ja nur meine eigenen Intentionen, weil mich jemand dezitiert danach gefragt hatte. Natürlich darf und soll ja auch jeder das Gedicht durch seine eigenen Filter betrachten.

LG, eKy
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