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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 24.11.2009, 09:17   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Wie eine fühlungslos erdachte,
gar ungeschlachte Missetat
begehe ich die Tage.

Der Engel, der mir leise lachte,
brachte Erlösung nicht und bat,
dass ich ihm widersage.

So geh ich meiner Jahre hin,
unwollend, was ich wirklich bin,
wo ich ins Leben rage.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 24.11.2009, 09:52   #2
Quicksilver
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Hallo eKy,

ich bin bei diesem Gedicht metrisch arg ins Schleudern geraten. War dies dein Ansinnen? Bei anderen Gedichten von dir, ist mir dies jedenfalls nicht passiert. Ich habe versucht, es einmal durch zu betonen und es kam Folgendes heraus:

Zitat:
Wie eine fühlungslos erdachte,
gar ungeschlachte Missetat
begehe ich die Tage.
xXxXxXxXx
xXxXxXxx
xXxXxXx

Zitat:
Der Engel, der mir leise lachte,
brachte Erlösung nicht und bat,
dass ich ihm widersage.
xXxxXxXx
XxxXxXxX
XxXxxXx

Zitat:
So geh ich meiner Jahre hin,
unwollend, was ich wirklich bin,
wo ich ins Leben rage.
xXxXxXxX
xXxXxXxX
xXxXxXx

Sicher sind andere Betonungen möglich, jedoch war dies mein erster Eindruck, weil du m.E. kein klares Metrum vorgibst.

Interessant ist, wie so oft bei dir, das Spiel mit den Reimen an den Anfängen der Folgeverse, was du hier aber nur in der ersten und zweiten Strophe beibehältst. Rein sprachlich habe ich von dir auch schon Gedichte auf höherem Niveau gelesen. Hier macht mich die Inversion
Zitat:
Der Engel, der mir leise lachte,
brachte Erlösung nicht und bat,
ebenso stutzig, wie der Ausdruck „fühlungslos“, den ich so nicht kenne und die Elision in Strophe 3, die ich bisher auch sehr selten bei dir las.

Das Bild aus Strophe 1 empfinde ich als sehr gelungen.

Das lyr. Ich scheint, mit sich selbst und seinem Charakter nicht im Reinen zu sein. Es beschreibt seinen inneren Kampf, eigentlich anders sein zu wollen als es ist und beklagt, nicht vom Engel erlöst worden zu sein. Anscheinend ist es selbst nicht in der Lage, sich zu ändern. Da hier von Handlungen (begehe ich meine Tage) die Rede ist, schließe ich ein unschönes Äusseres als Auslöser aus.

Für mich persönlich wird hier einer Hilflosigkeit Ausdruck gegeben, die sich jedoch nicht mit meinem eigenen Empfinden deckt. Als Leser möchte ich dem lyr. Ich zurufen: „Sei deines eigenen Glückes Schmied! Du kannst nicht alles auf deine Herkunft, dein Umfeld und irgendwie geartete Zwänge schieben und in diesem Leben vor dich hinvegetieren. Wenn du anders sein möchtest, sei anders. Versuche es zumindest und wenn du das nicht kannst, sieh ein, dass es an dir liegt und nicht an allen anderen und suche dir Hilfe, damit du es im nächsten Anlauf vielleicht schaffst. Ich drücke dir die Daumen!“

Ein Gedicht, welches mich sehr zum nachdenken animiert. Verzeih bitte, wenn ich Falsches interpretiere.

Gruß
Von
Quicksilver
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Alt 24.11.2009, 10:44   #3
Erich Kykal
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Hi, Quicksilver!

Du hast recht, im Grunde ist es ein wehleidiges Lamento. Wer länger gelebt hat, weiß, wie hilflos man oft mal Zwängen ausgeliefert ist, oder wie sehr man wünschte, ein anderer zu sein - und es doch nie sein kann, da es nun mal wider die eigene - wenn auch verachtete - Natur wäre, und das geht sich auf die Dauer nicht aus.

Beim Lesen hab ICH zumindest kein metrisches Problem - was nicht heißen soll, dass du nicht recht hättest mit deinem Einwand!
Ich hab mich allerdings nie um X-e geschert, bin und bleibe ein Gespürdichter, der dem eigenen, "eingebauten" Rhythmusgefühl folgt und vertraut.
Ich kann's flüssig lesen. Ist wohl Betonungsfrage, oder wo man dramatische Pausen macht, bestimmte Worte langzieht oder verkürzt, usw...
Lesart eben! Und wenn's falsch ist nach den heiligen Regeln der Lyrik - sei's drum.

Vielen Dank für dein Bemühen und deine schlüssige Analyse. Ich hoffe, ich kann bald wieder mal was "Besseres" bieten!

LG, eKy
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Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 24.11.2009, 18:27   #4
Quicksilver
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Hallo eKy,

Zitat:
Und wenn's falsch ist nach den heiligen Regeln der Lyrik - sei's drum.
Das klingt ein wenig harsch. Es lag mir fern, dich und dein Rhythmusgefühl zu kränken oder auf metrischen Prinzipien herumzureiten. Da du oft metrische Hilfestellung gibst, dachte ich, die weniger rhythmischen Verse seien mit Absicht weniger rhythmisch. Aber sei's drum - es ist die Lesart.

Ich freue mich auf Neues von dir.

Grüße
von
Quicksilver
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Alt 25.11.2009, 06:44   #5
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Q.!

Sollte nicht harsch klingen. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass ich mangels Fachwissen da gar nicht erst mitreden kann.
Ich dichte "einfach so" vor mich hin, mehr ist es eben nicht. Autodidakt ohne tiefere Einsicht. Macht mir auch keinen Spass, es zu lernen. Nur Dichten macht mir Spass. Wenn ich darob dann mal eben danebenhaue, weil mein "Gefühl" für Metrik mich im Stich läßt - ICH kann damit leben, kein Vorwurf.
Wenn mir einer, der sich auskennt, also sagt, dass da was nicht hinhaut, muss ich das so hinnehmen, da ich es nicht nachvollziehen kann. Für mich zählt eben nur: Kann ich es flüssig lesen oder nicht? Und wenn ja, dann passt's eben für mich, Regeln hin oder her. Ich wollte dich jedenfalls nicht brüskieren oder Fachwissen an sich herabsetzen.

LG, eKy
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Alt 25.11.2009, 18:19   #6
Quicksilver
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Hallo eKy,

das kann ich mehr als nachvollziehen. Auch ich habe jahrelang auf die Metrikregeln gepfiffen. Ich interessiere mich erst seit einem halben Jahr ernsthaft dafür, daher kann ich mich nicht als Kenner bezeichnen

Einen schönen Abend
wünscht
Quicksilver
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Alt 04.12.2009, 10:07   #7
Erich Kykal
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Hi, Quicksilver! Anläßlich deines Kommis zu Metrik in einem anderen Faden auch hier:
Ja, ich finde, gute Lyrik ist oft eine Gratwanderung. Zuviel Ordnung und Regelkorsett - siehe Regelmaß a´la Metrik - schnürt die Seele der Werke ab, wirkt hemdsärmelig, kleinkariert.
Zu wenig Metrik, und man verliert den "melodischen Faden", und die ganze Wirkung geht in die Binsen.

KG, eKy
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