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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 07.01.2014, 10:38   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard Die falschen Rosse

Ertrüge ich das von mir selbst Gewusste,
hätt nie ich über etwas nachgedacht
und blindlings mich in alles eingebracht,
begeistert, ohne Rücksicht auf Verluste?

Verstünde ich das namentlich Bewusste,
hätt ich bewusstlos mich und starr gemacht
und die Bedenkenträger weggelacht
im Namen dessen, was ich besser wusste?

Wie mag es dem ergehen, der versäumte,
die Folgen seiner Taten abzusehen,
noch ehe er ihr Wirklichsein erträumte?

Ein jeder möchte nach der Zukunft gehen,
doch wer die falschen Rosse dafür zäumte,
wird weder Ziel noch Weg dahin verstehen!
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (07.01.2014 um 17:09 Uhr)
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Alt 12.01.2014, 18:14   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

ja, wer aufs falsche Pferd setzt, verliert seinen Einsatz.

Und dieser Einsatz ist hier das Leben bzw. der Lebensweg.

Die Weichen werden meist schon in jungen Jahren gestellt und somit eine bestimmte Richtung festgelegt.
Wie soll man das verhindern?

Ob man es vertragen oder verstehen könnte, sind da nur Fragen am Rande, denn sie stellen sich meist nicht vorher.
Denn wenn sie das immer täten, dann wären vielleicht auch viele Dinge und Taten nicht geschehen.

Natürlich stellt dieses Sonett die richtigen Fragen, doch bleiben sie leider nur hypothetisch, wie uns die Wirklichkeit leider immer wieder zeigt.

Aber man sollte darüber nachdenken.


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 12.01.2014, 19:49   #3
Erich Kykal
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Hi, Faldi!

Da sagst du ein wahres Wort! Aber das ist eben das ewige Dilemma der Jugend, nicht wirklich abschätzen zu können, wohin Taten- und sonstiger Drang mitunter führen, einfach weil es ihr an Lebenserfahrung und innerer Abgeklärtheit gebricht. Reif werden kann nur, wer seine Jugend überlebt, sozusagen...
Andererseits - wieviel Fortschritt und Veränderung gäbe es ohne diese fiebrige Energie, diese unbedarften Träume und die unerschöpfliche Kraft, sie umzusetzen? In den allenthalben gültigen Wahrheiten erstarrt wären wir nicht willens noch fähig, diese Welt noch ineressant zu halten - und würden an Langeweile zugrunde gehen!

Das meiste Böse auf dieser Welt, an dem wir uns messen, ist anderer und andersdenkender Menschen Versuch, aus ihrer Sicht Gutes zu tun! Nur wenige Menschen sind vorsätzlich und voll bewusst "böse", selbst der allgemeine Psychopath weiß ja nicht, was ihm an Empathiefähigkeit fehlt und handelt einfach nach den Parametern seiner sozial kastrierten Persönlichkeit, nur der Befriedigung der eigenen Ziele folgend.
Kaum einer geht aus der Tür seines Hauses mit dem geplanten Vorsatz: Heute tue ich etwas wirklich Böses! Selbst der simple Räuber rechtfertigt seine Taten meist mit ihm zugefügtem Unrecht, Ablehnung gesellschaftlicher Konventionen oder anderen Konstrukten "höherer Gewalt", die ihn quasi zu diesem Schritt zwangen!
Typisches Argument von Kriegsverbrechern: Ich befolgte ja nur Befehle! Sozialer Druck und Angst vor Ausgrenzung und Demütigung als Rechtfertigung selbst der unmenschlichsten Taten - man versucht sich angestrengt davon zu überzeugen, doch irgendwie "das Richtige" zu tun...

Ob man also nach seinem "Gefühl" lebt oder es ignoriert, man entscheidet von Tag zu Tag und stellt sich dem Urteil der Allgemeinheit, freiwillig oder nicht. Man hofft, dem jeweiligen kulturellen Kontext Genüge zu tun - oder ihn erfolgreich betrügen und anlügen zu können. Aus dem Konglomerat von Milliarden solcher täglichen Versuche kristallisiert mit jedem Augenblick dessen, was wir als "Zeit" bezeichnen das, was wir "unsere Welt" nennen - aber mit dem eigenen Gewissen und der eigenen Erinnerung muss ein jeder für sich selbst leben können!
Ob man also tätig die Welt beeinflusst oder einfach nur passiv dahinlebt - beides kann je nach Zufall der Umweltfaktoren richtig oder falsch sein. Das stellt sich immer erst hinterher heraus. Vor dem eigenen Bauchgefühl aber wird es für den Rest des Lebens immer ENTWEDER richtig oder falsch gewesen sein - und das wissen die meisten Menschen, mehr oder weniger bewusst - schon VORHER! Ob sie also ihrem Gewissen folgen oder es ignorieren, definiert einzig das wahre Böse.

Solcherlei Gedanken versuchte ich in dem Gedicht anklingen zu lassen oder zu reflektieren.

LG, eKy
__________________
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Geändert von Erich Kykal (12.01.2014 um 19:55 Uhr)
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Alt 13.01.2014, 16:57   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

ich stimme größtenteils mit deinen Ausführungen überein, gebe jedoch zu bedenken, dass manche Dinge, die einem Individuum im persönlichen Bauchgefühl als falsch(e Handlung) erschienen sind, sich im Nachhinein durchaus positiv verkehren können.

Natürlich möchte ich jetzt keinen bestimmten Schwank aus meinem Leben erwähnen, doch es ist ganz klar, dass ich im Laufe des Lebens viele Fehler gemacht habe und auch mit Menschen umgegangen bin, so wie ich das heute nicht mehr tun würde.
Manche Handlung tut mir im Nachhinein sogar sehr leid, aber sie sind selbstverständlich nicht mehr rückgängig zu machen, so dass ich damit leben muss und die anderen auch.

Und trotzdem waren alle Handlungen, die ich begangen habe und alle Dinge, die mir widerfahren sind, einzelne Schritte auf meinem Lebensweg, der mich bisher dahin führte, wo ich nun verweile.
Es hat mir manche Erkenntnis eingebracht und Verständnis. Sowohl für die eigene Person, wie auch für andere Menschen, die mir vielleicht nicht zugeneigt waren.
Des Weiteren bin ich heute bereit, mir widerfahrenes Unrecht zu verzeihen und ich wünschte mir sehr, dass mir auch verziehen würde, für alles, was ich verbockt habe.

Würde ich heute wieder etwas "Schlechtes oder Falsches" machen, wenn ich wüßte, dass dies Bedingung dafür ist, um an ein unbestimmtes fernes Ziel zu gelangen?
Womit wir ja wieder beim Inhalt des Textes angelangt wären.

Ich bin mir nicht sicher, denn ich glaube, der Mensch ist kurzfristiger programmiert.
Das scheint wie ein Instinkt zu sein, den das Bewusstsein um das eigene, ungewisse Ende mit sich bringt.

Da gibt es nicht umsonst manch Sprichwörter und Zitate:

"Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen."
(In Abwandlung: Wem du's heute kannst besorgen, den vertröste nicht auf morgen )

"Lebe jeden Tag so, als sei es dein letzter."

Und einen Spruch habe ich mir sinngemäß gemerkt, kann den Urheber allerdings leider nicht benennen:

"Wenn ich eines Tages auf dem Totenbett liege und noch denken kann, dann würde ich nur die Risiken bereuen, die ich in meinem Leben nicht eingegangen bin."

Das ist die Relativität, die allem inneliegt oder Yin und Yang, denn jede Medaille hat zwei Seiten.
Das eine kann ohne das andere nicht sein, sonst gelänge es nicht zu seiner Bedeutung.

Ist das plan- oder vorhersehbar?

Interessantes Gespräch...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Alt 14.01.2014, 13:28   #5
Erich Kykal
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Hi, Faldi!

Zitat:
"ich stimme größtenteils mit deinen Ausführungen überein, gebe jedoch zu bedenken, dass manche Dinge, die einem Individuum im persönlichen Bauchgefühl als falsch(e Handlung) erschienen sind, sich im Nachhinein durchaus positiv verkehren können."

Das kann durchaus sein, aber das hängt von Umweltfaktoren ab, vom Walten des Zufalls - man könnte sagen, der Betreffende hat Schwein gehabt.
Wesentlich ist aber das Gefühl, mit dem er ursprünglich an die Sache herangegangen ist. Wusste er vorher schon, dass es falsch, gar verdreht war, und trotzte er sich diese Handlungsweise im Namen seiner "Sache" dennoch ab, so handelte er böse, egal, mit welcher Vision er sich rechtfertigen wollte, und auch egal, wie die Sache dann tatsächlich ausging!
Die Tatsache, dass sich der Wertekanon nach seiner Tat so veränderte, dass ihm seine Tat nun zum Vorteil gereicht, spricht ihn von seinem ursprünglichen Vorsatz keineswegs frei! Typisches Beispiel wäre der Terrorist, der einen Kindergarten im Namen seiner Vision in die Luft jagt und für diese verabscheuungswürdige Untat an Unschuldigen zum Tode verurteilt wird. Kurz vor der Hinrichtung gibt es eine islamistische Revolution im betreffenden Land, und plötzlich ist der Mann ein gefeierter Held der Sache, da es ohnehin nur die nicht gottgewollten Bastarde von Ungläubigen waren, die da gestorben sind. Veränderte Sichtweise, verschobener Wertekanon, der Kindermörder wird zum edlen Streiter Allahs!
Man kann sagen, der Typ hat mehr Glück gehabt, als er verdient, aber eben nur nach unserem Wertebild. Er würde es die Gerechtigkeit seines Gottes nennen und blind gegenüber dem bleiben, was er da getan hat. Müsste er auch, um sich selbst noch ertragen zu können!

Das bedeutet nicht, dass jemand, der das Böse in seinem Handeln gar nicht erst erkennt, nicht böse handelt - er merkt es eben bloß selber nicht. Das ist die tragischste Form des Bösen: Der Täter, der wirklich glaubt, etwas Gutes zu tun! Hitler zB. war mit Sicherheit überzeugt, Deutschland, Europa und der Welt einen Gefallen zu tun, als er beschloss, die Juden und alle anderen für ihn "störenden" Elemente "endzulösen". Das menschliche Unrecht und Elend bemerkte der soziopathische Egomane sicherlich nicht einmal - für ihn waren das ja auch keine Menschen. Dieser Tunnelblick aufgrund schwerwiegender Bewusstseinsdefekte führt zwangsläufig zu bösen Taten - allerdings müsste man solch einen Straftäter genau genommen - wollte man fair urteilen - für unzurechnungsfähig erklären und in eine geschlossene Anstalt einweisen, denn er konnte das Unrecht in seiner Denkungsart aufgrund seiner Defizite gar nicht ermessen.

Was den moralischen Menschen ausmacht, ist die Fähigkeit zur Empathie und damit der Möglichkeit, über sich dazuzulernen und sich zu erweitern. Der moralische Mensch lernt aus seinen Taten, besonders aus seinen bösen - und wer von uns könnte behaupten, er hätte nichts auf sich geladen?
Ab einem bestimmten Reifegrad der Persönlichkeit sollte es möglich sein, die Faktoren, die einen zu Fall brachten und verlockten, in sich zu eliminieren, um sich und anderen keinen Schaden mehr zuzufügen.
Im optimalen Falle findet der Mensch selbst zu einem Gleichgewicht. Leider gilt das nicht für alle - manche Defekte sind zu stark, zu abseitig, manche Gier oder Lust zu mächtig für einen schwachen Geist, und manche Geister sind und bleiben einfach innerlich zu kalt, um je dazuzulernen. Für solche Menschen muss es leider Gefängnisse und andere Verwahrformen geben.

Den Spruch mit den Risiken kann ich persönlich nicht nachvollziehen: Ich wähle die meinen sehr sorgfältig aus!

Die Yin/Yang-Sicht ist mir zu schwarz-weiß - m.E. haben wir viel mehr "Seiten" und unglaublich viele Abstufungen dazwischen! Manche meinen ja: Könnte ich nochmal leben, ich würde alles genauso machen! Wie doof! Abgesehen davon, dass das stinklangweilig wäre - wie wir auf eine Situation reagieren, ist von ungemein vielen äußeren wie inneren Faktoren abhängig - es könnte sich gar nicht 2mal gleich entwickeln! Schon anderes Wetter beeinflusst unsere Entscheidungen nachhaltig, unsere Laune, Stimmung, Biorhythmus, usw... Wenn wir nicht mal uns selbst unter objektiver Kontrolle haben, wie könnten wir uns anmaßen, von Planbarkeit oder Vorhersehbarkeit zu sprechen?

Nein, wir können nur unser Bestes versuchen und hoffen, dass alles gut geht! Garantien und eherne Gesetze der Ewigkeit gibt es nicht. Dem Universum ist es egal, ob wir siegen oder scheitern - das entscheiden wir nur vor uns selbst - und einander.
Der Empathische wird Rücksicht nehmen und dem soziokulturellen Kontext Genüge tun, ein weniger mitfühlender Mensch entscheidet sich vielleicht dagegen. Solange er nicht erwischt wird, kann auch er so ein glückliches und erfülltes Leben führen, vorausgesetzt, er ändert sich nicht und entwickelt womöglich plötzlich doch ein Gewissen...aber wie heißt es doch so schön: Das einzig Unveränderliche ist die Tatsache, dass sich ALLES ändert!

LG, eKy
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