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Satire Zipfel Für Zyniker und andere Fieslinge

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Alt 11.12.2015, 18:04   #1
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Nur ein kleiner Schrei nach Liebe


Wenn ich im Leben einmal nichts mehr habe,
kein Herz aus Gold und keinen lieben Gott,
wenn ich mich fühlte wie ein alter Rabe,
dann bliebe immer mir noch Wein und Spott.

An jenen wollte sich mein Hirn berauschen,
vernebeln wie ein windiges Pamphlet,
den eigenen Zynismus zu belauschen,
empfände ich im Geist als Selbstgebet.

Das Leben könnte ich nur so ertragen,
ich suchte Fehler, fände niemals Lob,
verdrehte Sinne, spuckte Dreck auf Kragen
und wäre wohl ein guter Misanthrop.

Ich würde in den Eingeweiden wühlen,
die Schlichtheit im Visier, um meinen Spaß
am überintellektuellen Ich zu fühlen
auf Feuerfahrt in explosivem Gas.

Wie könnte ich die Welt und mich doch hassen,
ich selbsternannter Mitleidstrauerkloß,
und hätt’ ich einen Letzten fahren lassen,
dann wäre ich mich endlich selber los.


Falderwald
. .. .

__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)




Geändert von Falderwald (12.12.2015 um 20:59 Uhr) Grund: Vorschläge umgesetzt
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Alt 11.12.2015, 20:40   #2
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Hi, Faldi!

Woher kennst du mich so gut??

Gut geschrieben! In der vorletzten Zeile bin ich nicht sicher, ob man "einen Letzten" nicht groß schreiben müsste, weil es ja dank des Fehlens des "Furzes" hauptwörtlich gebraucht als Stellvertreterwort Verwendung findet.

Besonders gut gefällt mir in der Zeile darüber übrigens die Wortspielerei "selbsternannter Mitleidstrauerkloss" - hierbei wirkt es so, als gälte das "selbst" von "selbsternannt" auch für das folgende Wort und verliehe ihm so die Bedeutung "Selbstmitleidstrauerkloss", obwohl das so gar nicht da steht. Geschickt formuliert!

Am wenigsten gefällt mir der Terminus "schwindlig" in S2Z2 - das wirkt in meinen Ohren weder sonderlich lyrisch noch sonderlich aussagekräftig vom Inhaltlichen her.
Kann man das überhaupt so sagen? "Schwindlig" ist man, wenn EINEN schwindelt, an einem Abgrund oder so. "Schwindeln" im Sinne von Schummeln kann man als Verb nutzen, aber als Adjektiv?
Oder meint es "schwindlig" im Sinne von schwindsüchtig? Auch das erscheint mir unkorrekt.
In jedem Falle würde ich das Wort in dieser Anwendung durch ein griffigeres, lyrischeres ersetzen.

Sehr gern gelesen!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
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Alt 12.12.2015, 09:00   #3
Agneta
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ein beeindruckender Text, Falder, ein Thema, dem sich kaum jemand widmet.

Der nörgelnde, ewige Zyniker, der sich selbst nicht leiden kann und in seiner Einsamkeit erstickt. Der Titel hat hier tragende Kraft.
Zwar sehe ich die augenzwinkernden Seitenhiebe, dennoch bleibt es für mich ein Werk mit traurigem und auch mahnenden Unterton.
Ich musste an einen Autor in einem großen Forum denken, der sich darauf "spezialisiert" hat, die Werke der anderen Autoren zu verhöhnen, indem er sie verspottend nachreimt , abändert oder erweitert. Da er es oftmals auch bei Werken über Tod und Trauer tut, habe ich mich oft gefragt, wie psycho dieser Mann sein muss. Er kann gut dichten, schreibt aber so gut wie nie "eigene" Verse im Sinne von eigenen Gedanken, die über das Verspotten hinausgingen.
Wohl sehe ich die Bitterkeit in ihm, , wenn ich nun dein Gedicht lese und es auf ihn übertrage. Die Bitterkeit, aus seiner Haut nicht raus zu können und doch sowas wie Zuneigung oder Respekt erwarten zu wollen von denen, die er verspottet. Wie armselig muss solch ein Leben sein.

Für Mitleid fehlt mir jedoch die Empathie, obwohl ich denke, dass dein Werk hier ihm auf den Leib geschrieben sein könnte.
Darum spricht es mich eben auch sehr an, weil ich schon oft über diesen Mann nachgedacht habe.
Ja, mal ein ganz anderes Thema, Falder... nicht schlecht
LG von Agneta
PS das schwindlig könnte man rasch abändern: schwindelnd oder vielleicht windig. Würde auch zum Furz passen...

Geändert von Agneta (12.12.2015 um 09:04 Uhr)
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Alt 12.12.2015, 20:54   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus Erich,

verdammt, war das so leicht zu durchauen?

Tut mir jetzt echt leid, aber wir kennen uns jetzt nun schon so lange, so dass ich dachte, ich müsse dir einfach mal ein paar nette Zeilen widmen.

Ich überlegte auch, ob "letzten" nicht groß geschrieben werden müsse, hatte das Anfangs gar so geschrieben und dann wieder abgeändert. Nach deinem Einwand tendiere ich auch wieder mehr zur Großschreibung, bestätigt sie doch meine ersten Gedanken und ich werde das im Anschluss ändern.

"Schwindlig" ist laut Duden ein Adjektiv und beschreibt einen Zustand, ganz so, wie du es beschreibst, z. B. mir ist schwindlig.
Ich denke schon, dass man es so schreiben kann. Über den Sinngehalt an dieser Stelle kann man sicherlich diskutieren und ich wäre durchaus bereit, diesen Begriff durch ein adäquates Adjektiv zu ersetzen. Ich denke auf jeden Fall noch einmal darüber nach.

Ich hoffe aber, du bist mir jetzt nicht gram, dass ich dich hier so treffend charakterisiert habe.

Auf jeden Fall bedanke ich mich für deine Rückmeldung...


Hi Agneta,

ja, es gibt so schon so manche von ihrer Zeit verkannten Genies, die sich wie edle Kreuzritter in jede verbale Schlacht stürzen müssen, um Genugtuung zu bekommen.
Das sind dann oft du übelsten Zyniker, die ihren dunklen Sarkasmus an den Mann / die Frau bringen wollen, damit sich wenigstens ab und an eine geistige Ejakulation Bahn brechen kann. Traurig sowas.

Schopenhauer gehörte auch dazu, denn der Ruhm blieb ihm Zeit seines Lebens verwehrt. Dafür habe ich diesen an sich direkten Denker auch sehr bemitleidet. Aber er hat das ja schon längst hinter sich, und würde seine Genugtuung wohl in der posthumen Ehrung und Würdigung seiner philosophischen Leistungen genießen, wenn er es denn noch könnte.

Erschreckend, dass auch du einem solchen Menschen begegnet bist. Aber wie du daran erkennen kannst, ist dies ein Problem jeder Zeit.

Wir haben ja hier unseren Erich, der sich eindeutig dazu bekannte...

Das Adjektiv "windig" gefällt mir gut und ich finde es auch passend. Das werde ich im Anschluss dementsprechend ändern. So hätten wir dieses Problem auch aus dem Weg geschafft.

Vielen Dank für deine Gedanken zum Thema...


Ich bedanke mich für eure Kommentare...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 13.12.2015, 20:58   #5
wolo von thurland
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Wie "psycho" muss einer denn sein, um anderen Menschen solche Worte zu widmen:
"sich (bei ihnen) wenigstens ab und an eine geistige Ejakulation Bahn brechen kann."???

Und auf welchem hohen Ross muss einer reiten, um von Schopenhauer (mehr als 200 Jahre nach dessen Tod) zu sagen: "habe ich diesen (...) sehr bemitleidet."???

Nun, Schopenhauer ist tot. Aber ich fürchte, auch dieses Gedicht und seine Geister, die es rief, werden nicht lange leben. Dafür sind sie irgendwie zu "pseudo".

Gute Nacht allerseits
wolo

Geändert von wolo von thurland (13.12.2015 um 21:00 Uhr)
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Alt 14.12.2015, 19:00   #6
Falderwald
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Moin wolo,

dann sollte ich dir „psycho“ und „pseudo“ vielleicht einmal aus einer vornehmeren Perspektive darlegen:

Ich frage mich manchmal, was in manchen Leuten vorgehen mag, die den lieben langen Tag nichts anderes zu tun haben, als methodisch auf (un)passende Aussagen zu lauern und etwas Dummes, etwas Schlechtes, etwas Minderwertiges in diese hinein zu interpretieren.
Da beschleicht mich schon mal das Gefühl, es ist jenen dann eine geistige Befriedigung, wenn sie wieder einmal ihren brennenden Zynismus in die hohle Scheide der Unbedarftheit direkt ins Ziel verströmen dürfen.

Arthur Schopenhauer war vermögend, also ein ewiger Rentner. Er war nicht besonders attraktiv, aber hochintellektuell und ein hervorragender Schriftsteller.
Sein Erfolg bei Frauen war mäßig und jegliches Bemühen endete enttäuschend.
Auch sein Versuch als Dozent an der Uni ging in die Hose, weil er das Pech hatte, mit Hegel zu konkurrieren, der seine eigene Philosophie länger und viel erfolgreicher als Schopenhauer einem großen Publikum zugänglich machen konnte.
Bis auf einen Preis hat er nie Anerkennung für seine Leistungen erhalten, weil er sich auch nicht um die Verleger scherte und sich alle Änderungen strikte verbat.
Seine ständigen, heftigen, zum Teil richtig dreckigen Attacken und Seitenhiebe auf Hegel und andere „Philosophaster“ (seine damaligen Kollegen) und seine sich selbsttröstende Moralphilosophie, die auf das Mitleid im Menschen aufbaut, sowie sein überaus gehässiges und ja, menschenverachtendes Kapitel über die Weiber, ließ mich nach gründlichem Studium dieses sonst brillanten Gesamtwerkes seiner Zeit und seiner Biographie, ich wollte schließlich wissen, auf wen und was ich mich da einlasse, ein wenig Einblick in sein Leben nehmen. Dieser Aufgabe habe ich dann einen Teil meines Lebens gewidmet (ich könnte noch viel mehr erzählen, war er doch auch dem Wein nicht abgeneigt und sein beißender Spott und seine Verachtung der Menschenwelt gegenüber waren berühmtberüchtigt, was sich mit zunehmendem Alter noch steigerte. Er hat sogar ein Buch über erfolgreiches Streiten hinterlassen. Er musste einer ehemaligen Haushälterin eine lebenslange Rente zahlen, weil er sie tätlich angegriffen hat, rettete aber andererseits einem Jungen das Leben, den er in Frankfurt aus dem Main gezogen hatte. Zudem hat er noch ein paar ganz passable Sonette verfasst. Da sind noch andere Geschichten, aber ich will dich ja nicht langweilen).

Am Ende starb er aber einsam als verbittertes Genie, mit nichts als seiner Welt, als Wille und Vorstellung - Puff!

Da hat er mir irgendwie leid getan. Ich weiß nicht, aber ich nenne das einen Anflug von Empathie. Seine Moralphilosophie hatte er mir nebenbei ja ebenfalls vermittelt.

Das ist aber kein Grund, so etwas nicht satirisch darzustellen.
Ich hätte mich gern mit ihm darüber gestritten, aber nein...

Ich weiß nicht, wolo, wo du dich um alles in der Welt in diesem Text wiederzufinden glaubst, was du ja in einem anderen Faden so felsenfest behauptest.
Nenn mir doch mal ganz sachlich die konkreten Stellen, die hier mit „wolo“ gekennzeichnet sind und nicht auf den oben beschriebenen Philosophen z. B. zutreffen können.

Das Problem ist aber, dass der Text nur eine mögliche, fiktive Person charakterisiert, die durch die aufgezählten Eigenschaften und Handlungen als ein Ganzes abgebildet wird und nicht eben besonders gut dabei wegkommt.
Wenn nun einer laut aufschreit, das bin ja ich, der verdammte Kerl hat mich da so trefflich beschrieben, dann wäre das nicht nur ein unglaublicher Zufall, sondern aus der sozialen Perspektive wohl auch nicht so besonders klug.

Also wäre dann hier wohl die richtige Gelegenheit, entsprechende Kritik am Text zu üben.


Psycho oder Pseudo? DAS ist hier die Frage!


Gute Nacht


Falderwald


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Geändert von Falderwald (14.12.2015 um 19:28 Uhr) Grund: Fehlerteufelchen
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