Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Stammtisch

Stammtisch Gesellschaft, Politik und Alltag

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 19.11.2011, 14:10   #1
Galapapa
Galapapa
 
Registriert seit: 19.04.2009
Ort: Nordschwarzwald
Beiträge: 878
Galapapa eine Nachricht über MSN schicken
Standard Geh spielen Ralfchen

Komm, Ralfchen, geh doch auch mal spielen,
geh raus zu Freunden an die frische Luft!
Mach endlich eine Pause nach den vielen
verzockten Stunden in der Cybergruft.

Hey, Daddy, kommst du mit nach draußen?
Ich will dir zeigen, wie ich Skateboard fahr,
durch unsere Garagenauffahrt sausen.
Wir könnten kicken, so wie letztes Jahr.

Nein, Ralfchen, das wird wohl nicht gehen,
jetzt, nach der Arbeit wird mir das zu viel.
Ich bin k.o., das musst du doch verstehen.
Dann mach halt nochmal ein Computerspiel.

Geändert von Galapapa (20.11.2011 um 14:23 Uhr)
Galapapa ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.11.2011, 14:31   #2
Explosion
Neuer Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 25.10.2011
Beiträge: 15
Standard

Gut beobachtet, Galapapa, so ähnlich geht es vielerorts vor sich. Gekonnt umgesetzte Gedanken.
Danke mit Gruß!
Explosion
Explosion ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.11.2011, 17:43   #3
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Stimme der Zeit
 
Registriert seit: 15.03.2011
Ort: Stuttgart
Beiträge: 1.836
Standard

Hallo, Galapapa,

hier übst du Gesellschaftskritik, von Explosion gut erkannt. Das ist ein weit verbreitetes Verhalten. Wie oft haben Eltern "keine Lust" - wobei ich hier nicht "keine Zeit" meine. Letzteres ist leider durch unsere "moderne Welt" bedingt, in der beide Elternteile arbeiten müssen, um die Familie versorgen zu können. Da ich selbst mit berufstätigen Eltern aufwuchs, kann ich aus eigener Erfahrung sagen: "Keine Zeit" kann ein Kind ab einem bestimmten Alter verstehen und auch akzeptieren (es geht eben nicht anders); aber "keine Lust" führt zu Enttäuschung. Wobei dabei zu unterscheiden ist, ob das ab und zu der Fall ist oder ob es sich um einen "Dauerzustand" handelt. Natürlich haben Eltern (hier im Gedicht der Vater) nicht immer Lust, das ist "normal". Sein Kind aber ständig zu ermahnen, "aktiv" zu werden und sich dagegen selbst nie in "Bewegung" zu setzen, das ist wie im berühmten Spruch: Wasser predigen und Wein trinken.

Wobei eine "dritte Problematik" noch dazu kommt, die hier im Gedicht für mich doch ein wenig "fehlt": Die Kinder heutzutage wachsen mit Computer und Fernseher als "Selbstverständlichkeiten" auf und viele lernen nie, wie man "spielt" oder sich auch einmal mit Hilfe der eigenen Fantasie selbst beschäftigt. Dann fordern Kinder häufig von ihren Eltern, dass sie die Stelle von "Dauer-Animateuren" einnehmen. "Was soll ich spielen, was kann ich machen, mir ist langweilig, ich weiß nicht ..." Deshalb ist es andererseits nicht ganz von der Hand zu weisen, dass auch Eltern die "Lust verlieren" können, ihre Kinder ständig "zu animieren" ... Jede Münze hat zwei Seiten. Hier besitzt sie leider drei - was das Absurde und Unnatürliche unserer "Animation-um-jeden-Preis"-Kultur ersichtlich macht. Die Erwachsenen "verlernen" ebenfalls, sich zu beschäftigen, selbst zu "denken", und überlassen das, wie die Kinder, den "denkfreien Vergnügungsautomaten". Wie soll z. B. ein Vater, der nach Hause kommt, sich vor den Fernseher setzt und "abschaltet" noch das Bedürfnis seines Sohnes verstehen, wo er doch sein eigenes Bedürfnis längst "vergessen" hat?

Damit möchte ich sagen, dass ich der Aussage deines Gedichtes zustimme, aber es trotzdem für wichtig halte, die "anderen Seiten" zu erwähnen. Meine Eltern hatten nie "Lust", aber ich war fähig, mich selbst zu beschäftigen, ich ging aus eigenem Antrieb aus dem Haus, um mit Freunden zu spielen. Bei schlechtem Wetter las oder malte ich. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre so aufgewachsen, dass ich den "Eigenantrieb" nie gelernt hätte, dann wäre es mir sicher schwer gefallen, mich mit meiner Tochter zu beschäftigen - ich hätte ja selbst nie gelernt, wie das geht ...

Was heißt: So, wie es ist, ist es Mist. Aber - was tun? Im 20. Jahrhundert war das Problem der "Zerfall" der "Großfamilien". Im 21. Jahrhundert zerfallen die "Kleinfamilien". Ich frage mich oft in vollem Ernst, wo das noch hinführen soll. Wenn nicht nur die sozialen (gesellschaftlichen) Strukturen allmählich zu Grunde gehen, sondern auch die "essentiellen", d. h. die familiären, dann kann das für uns Menschen nur äußerst übel ausgehen ...

Bevor ich "vom Hundertsten ins Tausendste" komme, noch etwas zum "Formalen":

Ich bin mir zwar nicht 100% sicher, aber ich meine, dass hinter "Komm" in Strophe 1, Vers 1 ein Komma gehört, ebenso wie in Strophe 3, Vers 1 hinter "Nein".

Komm, Ralfchen, - oder
Ralfchen, komm,

Komm, Ralfchen, geh doch auch mal spielen,
Komm, geh doch auch mal spielen,

meiner Ansicht nach ist hier ein Wort eingefügt, es ergäbe sich auch ohne ein vollständiger Satz. Ich meine, dass beim Einfügen von Worten, Satzteilen oder einem eingefügten Nebensatz durch Kommatas getrennt wird.

Bei "Hey" in Strophe 2 bin ich mir nicht im klaren, ich habe mein Englisch leider größtenteils "vergessen", mangels praktischer Anwendung; aber ein Komma würde sich hier für mich "richtig anfühlen".

Deine Gedichte "sprechen" mich immer an, daher neige ich zum "Abschweifen", ich hoffe, das ist mir erlaubt.

Gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


Stimme der Zeit ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.11.2011, 14:20   #4
Galapapa
Galapapa
 
Registriert seit: 19.04.2009
Ort: Nordschwarzwald
Beiträge: 878
Galapapa eine Nachricht über MSN schicken
Standard

Hallo Explosion,
danke fürs Reinschauen und Dein Lob!
Tja, Fernseher und Computer sind die modernen, bequemen und billigen Babysitter geworden.
Heutzutage wird sich wohl jeder ein Stück betroffen fühlen, sofern er sich denn fortgepflanzt hat.
Herzliche Grüße!
Galapapa

Hallo, liebe Stimme,
Du hast Recht, auch in dieser Überschrift gehört das Komma hin. Laut Duden nach Hervorhebungen, Ausrufen und Anreden (Regeln 129 bis 132).
Danke für Deinen Hinweis! Es ist doch gut, immer wieder mal in die Regeln zu schauen.
Ich danke Dir für Deinen ausführlichen Komnmentar und Deine Gedanken zum Thema; wieder mal eine hervorragende Ergänzung meines Textes!
Natürlich steckt in der Thematik eine große Menge an Diskussionsstoff. Gerade deshalb habe ich versucht, hier mit drei kurzen Strophen mehrere Gedanken nur anzuschneiden:
Die Problematik "Kind und moderne Medien", von Dir ja mit dem Punkt "Phantasieverlust" aufgegriffen.
Das Problem "Berufsleben und/contra Kindererziehung" und natürlich auch "Modernes Leben und Familie/Sozialgefüge".
Unter diesem Aspekt muss man den Text auch einordnen, sonst steht das inkonsequente Verhalten des Vater im Vordergrund und so war das Ganze nicht gemeint.
Vielmehr ging es mir auch um den Konflikt, dass die Eltern die Probleme der modernen Medien im Zusammenhang mit ihren Kindern sehen; die Frage ist nur, sind sie überhaupt noch in der Lage, sinnvoll und effizient gegenzusteuern?
Ich möchte hier zunächst kurz Deinen Gedanken "keine Zeit oder keine Lust" aufgreifen.
Ich galube dass beides heute ein großes Problem darstellt: Einerseits sind gut und teuer ausgebildete und karrierebewusste Eltern heutzutage oft im Berufsleben so eingespannt, dass sie in der Freizeit kaum noch Reserven haben, um sich mit den Kindern "artgerecht" auseinanderzusetzen. Andererseits sind Fernseher und Computer natürlich auch eine große Versuchung, es sich einfach bequem zu machen.
Ersteres hat natürlich auch zu tun mit der meist üblichen totalen Ausbeutung der Arbeitskräfte. Waren es in früheren Zeiten vorwiegend die physischen Resourcen, die ausgenutzt wurden bis an die Grenze des Erträglichen, so hat sich diese Ausbeutung inzwischen nach den heutigen, beruflichen Anforderungen in den Bereich des Psychischen verlagert.
Das kann bedeuten, dass viele Eltern heute nicht oder nicht nur physisch müde nachhause kommen, sondern in immer höherem Maße psychisch erschöfpt.
Dies aber erscheint mir ein Zustand zu sein, der vor allem nach Abschalten und Nichtstun, im weitesten Sinne also nach Ruhe verlangt und in dem die Betroffenen in der Herausforderung, sich mit den Kindern und deren Wünschen auseinaderzusetzen, schlicht überfordert sein können.
Hier befriedigende Lösungen zu finden, ist inzwischen in unserer "modernen" Gesellschaft ein Riesenproblem geworden und birgt gelichzeitig den Zündstoff der ungerecht empfundenen Aufgabenverteilung in Familien, in denen nur ein Elternteil arbeiten geht. Ich spreche hierbei auch aus eigener Erfahrung und glaube, dass nicht wenige Ehen an dieser Problematik zerbrechen.
Hier geht es aber zunächst nur um die Kinder, die, einmal aufgewachsen mit dem Bildschirm, auch immer schwieriger zufriedenzustellen sind aufgrund der verkümmernden Phantasie. Auch dieses hast Du ja angesprochen.
Ich meine, dass sich dieses Problem, wie viele andere, auf das ständige Streben nach mehr zumindest teilweise zurückführen lässt.
"Moderne" Menschen scheinen nicht mehr in der Lage zu sein, für sich ein Ziel, einen Ruhepunkt zu finden und so zu einer Zufriedenheit zu kommen, die meiner Meinung nach die Grundlage für ein mehr oder weniger glückliches Leben darstellt.
Statt in einem erfüllten und harmonischen Familienleben sucht man sein Glück in Karriere, Macht, Reichtum, Bequemlichkeit und Befriedigung eines oft aus der Überlastung geborenen Erlebnishungers: Reisen, Abenteuer, Nervenkitzel... Da ist kein Platz mehr für die alten Lebensziele und -wünsche.
Erreichbar scheint heute fast alles zu sein und so nimmt auch das Streben kein Ende. Nur ganz Wenige kehren auf diesem Weg um und erkennen, dass zum Lebensglück erstaunlich wenig nötig ist.
Ich hatte eine Kollegin, die zusammen mit ihrem Lebenspartner ihr Ziel in einer möglichst hohen sportlichen Leistung sieht. Sie weinte z.B., als sie die Zulassung zum Iron-Man aufgrund zu geringer Leistungen nicht erreichen konnte.
Ich fragte sie einmal, ob sie nie daran gedacht hätte, irgendwann Kinder zu bekommen. Kinder haben in meinem Leben keinen Platz, so fiel die Antwort sinngemäß aus.
Ich will das nicht werten, sondern einfach nur so stehen lassen als Schlusspunkt.
Nochmals danke und liebe Grüße an Dich!
Galapapa
Galapapa ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 03.06.2014, 15:07   #5
Narvik
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 21.03.2009
Ort: Im hohen Norden
Beiträge: 431
Standard

Hallo Galapapa,

ich glaube auch, dass es in vielen Familien heutztage so zugeht. Viele Eltern sind überlastet, mit ihrer Arbeit, mit sich selbst und mit den zwischenmenschlichen Beziehungen und daher ganz froh, wenn sie ihren Nachwuchs einfach irgendwo "parken" können, damit sie ihre Ruhe haben.
Sie wissen zwar selbst, dass dies eigentlich keine Lösung ist, doch es ist typisch für die Unfähigkeit der heutigen erziehenden Generationen.
Die Menschen werden aber auch mit Absicht zur Verdummung gebracht, damit sie all den Mist kaufen, der ihnen heute angeboten wird.
Damit die einen ihre Ruhe haben und die anderen weiter abstumpfen können.
Dein Gedicht ist ein Paradebeispiel dafür.
Schade, dass du schon so lange nicht mehr hier warst, denn du schreibst m.M.n. sehr schöne Verse.

Herzliche Inselgrüße

Narvik
__________________
Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant)
Narvik ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu

Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Der tut nichts, will nur spielen Herbstblatt Der Tag beginnt mit Spaß 2 18.10.2011 09:09
Kleine Kinder müssen spielen. Stimme der Zeit Der Tag beginnt mit Spaß 6 17.08.2011 14:24
Kein Glück mehr spielen Walther Finstere Nacht 5 27.07.2010 11:54


Alle Zeitangaben in WEZ +2. Es ist jetzt 15:47 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg