Gedichte-Eiland  

Zurück   Gedichte-Eiland > Gedichte > Denkerklause

Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

Antwort
 
Themen-Optionen Ansicht
Alt 24.07.2016, 18:43   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard Schwellenangst

So fern die Dinge, die Bedeutung wussten,
so fern die Welt, in der wir uns berühren.
Geschlossen bis auf eine alle Türen -
Gedanken, die ein Ende finden mussten,

gesammelt alle nun vor jener Pforte,
an welcher keine unserer Allüren
noch zählt, noch Argumente, die wir führen,
nicht ernste Gesten und nicht große Worte.

Wohin der stille Weg aus dem Bewussten
uns führen mag, wird keiner je ermessen:
Kein Ozean erklärt sich einer Quelle.

Wer hinterbleibt, erholt sich von Verlusten
und lebt sich weiter, wie um zu vergessen,
dass alles strömt nach jener letzten Schwelle.
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (30.07.2016 um 16:32 Uhr)
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.07.2016, 22:02   #2
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Erich,

wie ich es sehe, entwickelst du hier das Thema von Shakespeares berühmten Monolog "Sein oder nicht sein" (schwere Kost!) in einem Sonett, welches eine interessante Form hat, weil es den ersten Reim der Quartette in den Terzetten wiederholt. Das Bild "Kein Ozean erklärt sich einer Quelle" finde ich sehr gut gewählt, da es eine herrliche Metapher für die Allmacht ist, und das von einem erklärten Atheisten! Uns bleibt wohl nichts, als so zu handeln, wie es das letzte Terzett beschreibt.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.07.2016, 22:35   #3
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi Thomas!

Ich sehe keinen Widerspruch darin, so eine Zeile als Atheist zu schreiben, denn man muss hinter dem Ozean ja keine göttliche Macht vermuten, der Satz zeigt nur rein quantitativ, dass jeder als Quelle beginnt: unwissend, naiv und rein - und bis zum Ende dazulernt und sich erweitert, bis er dereinst - vielleicht als Ozean - verdunstet.

Anders gesagt: Vielleicht sind wir irgendwann Ozean genug, um klipp und klar und objektiv wissenschaftlich nachweisbar herauszufinden, ob da was ist "danach" - aber im Moment sind wir entwicklungsgeschichtlich wohl noch zu nahe an der Quelle ...

Dennoch nehme ich lieber an, dass hinterher gar nichts mehr kommt, als irgendeinen heiligen Mumpitz zu glauben, den mir jemand einreden will!

Vielen Dank für deine Gedanken!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.07.2016, 10:39   #4
Thomas
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Thomas
 
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
Standard

Lieber Erich,

ich sehe auch gar keinen Widerspruch darin und freue mich über dein schönes poetisches Bild.

Liebe Grüße
Thomas
__________________
© Ralf Schauerhammer

Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller
Thomas ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.07.2016, 08:46   #5
Kokochanel
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard

Guten Morgen Erich,

ein kraftvolles Sonett, dass seinen Schlüsselsatz in " kein Ozean erklärt sich einer Quelle" findet. Ich würde gar "seiner" Quelle schreiben, wäre intensiver. Ein starker Satz.
Der Mensch kommt mir hier wie ein "Ausgelieferter" vor, der selbst wenig Einfluss hat. Er lebt sich weiter. Wie von sich selbst abgenabelt...Interessante Modifkation.

In Vers 2, Z. 1 sehe ich 6 Hebungen, wobei der Rest 5-hebig ist.

Gerne gelesen mit Grüßen von Koko
  Mit Zitat antworten
Alt 30.07.2016, 16:39   #6
Erich Kykal
TENEBRAE
 
Benutzerbild von Erich Kykal
 
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
Standard

Hi, Koko! (Erlaubst du, dass ich abkürze? Ich bin tippfaul ... )

Vielen Dank für den Hinweis auf die Überlänge in S2Z1 - derlei passiert mir ab und zu in der lyrischen Begeisterung, und wenn man viel Poutine hat im Dichten, neigt man auch dazu, dem eigenen Ohr- und Bauchgefühl blind zu vertrauen, wenn es einem sagt, das passe schon so.
Wie hier ersichtlich, kann das zuweilen trügerisch sein ...

Beim Ozean schrieb ist deshalb nicht "seiner Quelle", da eine Quelle allein niemals ausreichte, ein ozeangroßes Gewässer zu versorgen. Ein Ozean hat immer mehrere Quellen, meistens sehr viele sogar. Sprachlich wäre es runder, zweifelsohne - aber in gewissen Details bin ich manchmal ein kleiner hemdsärmeliger Korinthenkacker, da muss alles auch inhaltlich logisch sein zu zusammenstimmen ...

Danke für deine kundigen Gedanken!

LG, eKy
__________________
Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.
Erich Kykal ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen


Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)
 

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Alle Zeitangaben in WEZ +1. Es ist jetzt 13:26 Uhr.


Powered by vBulletin® (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.

http://www.gedichte-eiland.de

Dana und Falderwald

Impressum: Ralf Dewald, Möllner Str. 14, 23909 Ratzeburg