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Finstere Nacht Trauer und Düsteres

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Alt 26.07.2009, 11:10   #1
Galapapa
Galapapa
 
Registriert seit: 19.04.2009
Ort: Nordschwarzwald
Beiträge: 878
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Standard Horror des Vergessens

Sie tritt hinaus, entflieht dem sorgenvollen Wachen,
erblickt die Welt, in der sie gar nicht lebt.
So neu und gut ist alles, sie beginnt zu lachen.
„Hier war ich nie!“ sie staunt, die Stimme bebt,
„So viele wunderschöne, unbekannte Sachen!“

Ihr freier Mut der Neugier treibt sie immer weiter
vom Ort, wo vierzig Jahre sie gewohnt.
Sie schaut sich um, zwar müde aber froh und heiter,
empfindet, dass ein jeder Schritt sich lohnt,
ihr Leben einst, ganz weit zurück, ist ihr Begleiter.

Schon lang verschwunden und zum Glück auch längst vergessen
ist jetzt der Käfig ihres kranken Ichs.
Im Lehnstuhl liegt ihr Hirn, von Medizin zerfressen,
die Unterarme Zeugen jedes Stichs,
mit dem die Fremden sie zum kranken Schlaf erpressen.

Im Freiheitsrausch erobert sie die neuen Zeiten
und breitet die Vergangenheit drin aus;
der Horror des Vergessens wird sie nicht begleiten!
„Zu meinen Kindern geh ich jetzt nach Haus.
ein Festmahl werde ich den Kleinen heut bereiten!“…

Nach sieben Tagen Suchen hat man sie gefunden,
im Walde, sitzend, tot an einem Baum.
So ganz allein hat sie ihr Leiden überwunden
und lebt nun weiter, fern in ihrem Traum,
jenseits verschlossner Türen, völlig ungebunden.
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Alt 31.07.2009, 14:28   #2
Alma Marie Schneider
Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 08.07.2009
Ort: Mittelfranken
Beiträge: 48
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Sprachlich eindrucksvoll. Bilder, die ins Gemüt gehen. Handwerklich finde ich das Gedicht gut gearbeitet.

Liebe Grüße
Alma Marie
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Alt 31.07.2009, 16:44   #3
Leier
gesperrte Senorissima
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Pfalz
Beiträge: 4.134
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Lieber Galapapa,

dies grausige Gedicht geht arg unter die Haut.
Gleich welcher Genese die Demenz ist -
schrecklich! Aber wer weiß - vielleicht nicht einmal für die Protagonistin, wer blickt in ein zerfressnes Hirn mit rudimentären Erinnerungen?
Gut gemacht!
Kompliment!

Betroffenen Gruß
von
cyparis
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Alt 02.08.2009, 09:26   #4
Galapapa
Galapapa
 
Registriert seit: 19.04.2009
Ort: Nordschwarzwald
Beiträge: 878
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Hallo Alma Marie,
danke für Dein Lob!
Vor allem die handwerkliche Anerkennung tut mir gut, weil ich da immer noch ziemlich am schwimmen bin.
Einen herzlichen Gruß an Dich!
Galapapa


Hallo cyparis,
Auch Dir lieben Dank fürs Lob.
Ich gebe Dir recht: Vor Jahren habe ich in der Familie einen Fall vom Anfang bis zum Tod hautnah miterleben müssen, und ich hatte auch den Eindruck, daß die Betroffenen in einer Welt leben, aus der sich uns gar nichts grausames aus dem Verhalten und dem Zustand der Kranken herausspiegelt. Im Gegenteil, sie wirken oft zufrieden und manchmal fast glücklich.
Ganz anders in der Phase, in der sie noch merken, dass etwas nicht stimmt; doch die ist wohl recht kurz.
Die wirklich Leidenden sind die Angehörigen und die Patienten, die psychisch nicht gepflegt werden, sondern auf dem Horrortrip der chemischen Keule sind...
Mit einem herzlichen Gruß!
Galapapa
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