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Denkerklause Philosophisches und Nachdenkliches

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Alt 16.02.2012, 18:26   #1
fee
asphaltwaldwesen
 
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Standard blackbird

wir waren jung, wollten die welt regieren.
wir wussten, wie was läuft, wir hatten schwung.
und keiner hatte angst, sich zu blamieren.
warn leib und frucht der götterdämmerung.

wir wussten damals noch nicht, wie das ist:
luftschlösser hießen ziele, angst empörung.
wir kannten keine desillusionierung,
nichts, das den rand des horizonts bemisst.

sie sagten stets, wir würden schon noch sehen.
wir sahen - viel und mehr, als sie sich träumten:
die käfige, die riemen der gezäumten.
wir ließen uns den duft der freiheit wehen

um nasen, weiß, noch lichtschutzfaktor dreißig,
ganz ohne creme, kraft uns eignen glaubens.
ganz schleichend fing sie an; die zeit des raubens
unsrer credos - die sonne brannte fleißig

den leichtsinn uns aus zarten, feinen poren.
zu spät erkannten wir ihr schatten-wesen.
versuchen, erdgebannt, nun zu genesen:
die fähigkeit zum flug ging uns verloren.




.fee ´12
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan

Geändert von fee (13.03.2012 um 08:17 Uhr)
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Alt 16.02.2012, 18:43   #2
wolo von thurland
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hallo fee
du scheinst irgendwie eine mission zu spüren.
aber ob die von paul celan kommt?
ich kann mir schlecht vorstellen, dass man bei ihm deinem text ähnliche stellen findet.
leise enttäuscht
wolo
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Alt 16.02.2012, 19:16   #3
fee
asphaltwaldwesen
 
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danke, wolo,


lieb, dass du auch einmal bei mir reinliest.

lg,


fee
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"Gedichte sind Geschenke an die Aufmerksamen" Paul Celan
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Alt 16.02.2012, 19:57   #4
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus fee,

mir kam beim Anblick des Titels "Blackbird" natürlich sofort das gleichnamige Lied der Beatles in den Sinn (Jetzt habe ich die Melodie im Ohr ).

Dort geht es um einen (kleinen, jungen) schwarzen Vogel, der in der Totenstille der Nacht singt und die gebrochenen Flügel benutzen soll, um damit fliegen zu lernen.
Er hatte sein ganzes Leben darauf gewartet, um sich in die Luft zu erheben.
Er soll die versunkenen Augen benutzen, um zu sehen und in das Licht der dunklen, schwarzen Nacht fliegen, um endlich frei zu sein.
Das ist freilich nur eine sehr oberflächliche Inhaltsangabe dieses sehr schönen lyrischen Textes. (Es gibt da noch eine andere Interpretaion über eine von der Polizei misshandelte schwarze Frau, die in England in einem für Weiße reservierten Wartesaal gesessen hatte. Aber das führte jetzt zu weit.)

Im vorliegenden Text sehe ich ebenfalls "junge Vögel", die aufgrund ihrer Unerfahrenheit im Leben noch voller Enthusiasmus waren und die Welt für sich erobern wollten.

Grenzen gab es nicht in diesen Träumen, obwohl die Alten immer wieder aus ihren Erfahrungen heraus sprachen, daß ihnen die Augen noch aufgehen werden.

Doch jede Generation macht ihre eigenen (positiven und negativen) Erfahrungen, von denen die vorhergehenden nichts wissen konnten und umgekehrt wollten es die Jungen nicht.

Die jungen Vögel erfuhren zwar schon ansatzweise die Zwänge der Gesellschaft, aber es machte ihnen nichts aus, denn sie glaubten ja daran, sie können etwas an den Strukturen verändern.

Da mussten sie sich erst einmal selbst kräftig die Finger verbrennen (oder auf die Nase fallen), um schließlich ent-täuscht auf dem Boden der Tatsachen zu landen.

Nun, die Erholung von diesen Erkenntnissen dauerte eine Weile, aber der Mensch ist ja anpassungsfähig.
Leider kommt im dabei die Fähigkeit des Träumens immer mehr abhanden.

Und so würde ich den "Blackbird" hier als "(jungen) Traumvogel" bezeichnen, der, im Gegensatz zum o. a. Song der Beatles seine Flugfähigkeit verloren hat.

Diese gebrochenen Flügel heilen nie mehr.

Das ist der Preis während der Erkenntnis im Älterwerden und der drohenden Weisheit.

Und wenn man das alles in schönen lyrischen Versen zu vermitteln versteht, dann darf man von einem Gedicht mitten aus dem Leben sprechen, auch wenn man es eigentlich gar nicht in Worte fassen kann.

Paul Cesane hätte wohl dazu gesagt:

Zitat:
Zitat von Paul Celan
Sie, die Sprache, blieb unverloren, ja, trotz allem. Aber sie mußte nun hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab keine Worte her für das, was geschah; aber sie ging durch dieses Geschehen. Ging hindurch und durfte wieder zutage treten, «angereichert» von all dem.
Ein schönes Schlusswort, findest du nicht auch?


Gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald



PS: Die Metrik nehme ich bei Gelegenheit noch mal unter die Lupe. Die ist nämlich nicht astrein.
Kleiner Wermuthstropfen...
Ohne läuft nix...
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 16.02.2012, 21:35   #5
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asphaltwaldwesen
 
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dank dir, falderwald!


die metrik ist hier ganz bewusst ast-unrein gehalten. ich hatte davor eine gradezu aalglatte version des textes (weils mir "passiert" ist und ich dachte, es wäre die "richtige" lösung, es "richtig" zu machen im sinne von metrum und melodie) und die war völlig nichtssagend - viel zu geschliffen, zu rund - plötzlich war die aussage nicht mehr "echt", irgendwie hohl und bloß eine darstellung der aussage (wenn klar ist, was ich meine). da fehlte sprachlich sozusagen das stimmige "couleur" zum inhalt der jugendlichen "rotzigkeit" und "mach-einfach"-mentalität, die da erinnert, vermisst und geehrt wird in dem, was sie positives mit sich brachte.

ich werde also nicht umbessern - diese vorwarnung vorweg.

das lied (übrigens eins meiner liebsten von den beatles) hatte ich plötzlich beim schreiben im kopf - und somit war der titel gefunden. schön, wenn es für dich ebenso stimmig rüberkommt, wie es mich "ereilt" hat. das freut mich sehr.

das "genesen" - wie sollte, wie kann das aussehen ab einem gewissen lebensalter? hat man noch den mut, in manchen dingen "back to the roots" zu gehen und sich von dort zurückzuholen, was auf der strecke geblieben ist?

wenn wir den jungen leuten aufmerksam zuhören, hinterfragen, was sie tun, wie sie es tun und warum - dann können wir diesbezüglich etwas (zurück)gewinnen, behaupte ich. lebenserfahrung mit all ihren narben mit einem gewissen maß an unbekümmertheit zusammenführen zu können, mit der energie, die aus dieser unbekümmertheit erwuchs - ich ahne, dass das eine heilsame mischung sein könnte.

das celan-zitat ist wunderschön! danke dafür!


herzlicher gruß,

fee
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Alt 17.02.2012, 11:20   #6
Thomas
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Liebe fee,

das Gedicht gefällt mir sehr gut. Auch Rhythmus und Metrum sind passend, gerade weil dadurch die Aufforderung mitklingt, die alten Zeit nicht abzuhaken, sondern es vielleicht doch, wie der Blackbird des Beatles-Songs, vielleicht doch noch einmal mit dem Fliegen zu versuchen. Es ist jedenfalls nichts ganz abgeschrieben. Ich höre zwar nicht den Beatles-Song aus dem Text, aber die Qualität der Sprache ist singbar, d.h. eindeutig lyrisch. Und die poetischen Bilder erzeugen trotz ihrer 'Modernität' das uralte Ikarus-Bild. Sehr schön! Das einzige Wort, das mich etwas stört ist 'fleißig', das die Sonne fleißig strahlt klingt mir in dem sonst so natürlichen Text etwas gewollt, vielleicht sogar des Reimes wegen. Falls es so ist, würde ich eher auf den Reim verzichten. Aber vielleicht findest du es ja passend und kannst mir erklären, warum das so ist.

Liebe Grüße
Thomas
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Alt 17.02.2012, 16:59   #7
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asphaltwaldwesen
 
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Zitat:
Zitat von Thomas Beitrag anzeigen
...
Rhythmus und Metrum sind passend, gerade weil dadurch die Aufforderung mitklingt, die alten Zeit nicht abzuhaken, sondern es vielleicht doch, wie der Blackbird des Beatles-Songs, vielleicht doch noch einmal mit dem Fliegen zu versuchen. Es ist jedenfalls nichts ganz abgeschrieben....

... Das einzige Wort, das mich etwas stört ist 'fleißig', das die Sonne fleißig strahlt klingt mir in dem sonst so natürlichen Text etwas gewollt, vielleicht sogar des Reimes wegen. Falls es so ist, würde ich eher auf den Reim verzichten. Aber vielleicht findest du es ja passend und kannst mir erklären, warum das so ist.
lieber thomas,

deine "lesart" meines gedichtes ist sehr nah an meiner intention, die ich besser nicht hätte formulieren können als du es hier tust! danke dafür! das freut mich sehr.

das "fleißige" musste ich noch in den text bekommen, weil es auch so etwas von der jugend verpöntes ist: fleiß - das ist etwas für die streber, für die, die auf irgendwelche hohlen ziele (karriere, status,...) hinarbeiten. dass aber mit nicht unähnlichem fleiß gerade solchen dingen entgegengearbeitet wird, erkennt man erst mit dem abstand der jahre und einer gewissen abgeklärtheit.

fleißig sind also alle - ob sie nun wollen oder nicht. auch das verweigern, das gegensteuern, wenn es mit dem herzblut der revoltierenden jugend, die die welt erobern und ganze berge versetzen möchte, getan wird, ist eine form von streben - also fleißig. aber ebensowenig, wie man in diesem lebensabschnitt (wenn man so drauf ist), wahrhaben möchte, dass man fleißig bei einer sache ist, käme man auf die idee, die sonne wäre "fleißig". nichts erschiene abwegiger in diesen jahren, als sich als fleißig zu empfinden.

es ist hier also etwas ironisch gemeint, vielleicht sogar leicht sarkastisch. wenn das so gar nicht ankommt, bin ich für vorschläge offen, die für den leser mehr sinn ergeben oder besser erschließbar sind.


danke für den feinen kommentar und liebe grüße,


fee
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Alt 18.02.2012, 09:52   #8
Galapapa
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Liebe fee,
auch mir gefällt Dein Text sehr gut. Haben wir doch sicher alle einmal diese Ziet des Sturm und Drang erlebt, mit hochgesteckten Zielen und voller Wut und Eifer (1968 war ich 18).
Auch wenn wir heute nicht mehr fliegen können, mit der Beschreibung dieser Erlebnisse, Erinnerungen und Gefühle können wir heut noch unseren Mut und unsere Begeisterung auf die neue Generation übertragen, auch wenn uns diese Ziele teilweise fremd erscheinen mögen. Das gehört so!
Schöner und ansprechender als in Deinem Gedicht kann man dies kaum tun.
Ich schließe mich bezüglich des Metrums und des Rhythmus sowie der lyrischen Sprache dem lobenden Kommentar von Thomas an.
Zitat:
um nasen, weiß, noch lichtschutzfaktor dreißig,
ganz ohne creme, kraft uns eignen glaubens.
ganz schleichend fing sie an; die zeit des raubens
unserer credos - die sonne brannte fleißig
Gestatte mir bezüglich dieser Strophe einen kleinen Vorschlag:
"...kraft des eignen Glaubens..." und "...userer Credos - und die Sonne brannte fleißig..."
Vielleicht könnte diese Stelle so etwas runder klingen; ist aber nur eine Vorschlag, keine Kritik!
Herzliche Grüße!
Galapapa

Geändert von Galapapa (18.02.2012 um 09:54 Uhr)
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Alt 18.02.2012, 10:49   #9
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Zitat:
Zitat von Galapapa Beitrag anzeigen
Liebe fee,
auch mir gefällt Dein Text sehr gut....

Schöner und ansprechender als in Deinem Gedicht kann man dies kaum tun.
Ich schließe mich bezüglich des Metrums und des Rhythmus sowie der lyrischen Sprache dem lobenden Kommentar von Thomas an.
sei herzlich bedankt für dein schönes lob, lieber galapapa!

du machst mir damit eine große freude, denn es sagt mir, dass du "mich" so liest, wie ich es auch empfinde.

deine vorschläge klingen gut und ich lasse sie mir gerne durch den kopf gehen. ein zweites "unser" auszumerzen, ist sicher eine gute sache - aber dann verliere ich, wenn ich "des eignen glaubens" schreibe diese andeutung von "eigensinn" an dieser stelle. und für das "unserer credos" muss ich noch grübeln, womit ich es da sinnvoll ersetzen kann.

ob ich mit dem "und" nicht wieder zu rund und glatt werde, muss ich mir auch noch überlegen. hier hab ich ja eher bewusst diese "hacker" eingesetzt, mit den betonungspausen. da wäre dann einer weniger. hm...

das echo auf diesen text freut und erstaunt mich jetzt doch. ich habe schon lange nichts mehr geschrieben, wo ich ganz bewusst mehr aufs bauchgefühl gehört habe bei der form (nicht beim inhalt) als auf die glättungs-impulse, die das wissen mir eingegeben hat. mir war also sehr bewusst, dass der text ein gewisses "risiko" eingeht. ich wollte aber hier definitiv nichts von der "energie", von dieser "unverbrauchtheit" verlieren - nicht zu glatt werden.

wenn du schreibst
Zitat:
Haben wir doch sicher alle einmal diese Zeit des Sturm und Drang erlebt, mit hochgesteckten Zielen und voller Wut und Eifer ...
... mit der Beschreibung dieser Erlebnisse, Erinnerungen und Gefühle können wir heut noch unseren Mut und unsere Begeisterung auf die neue Generation übertragen, auch wenn uns diese Ziele teilweise fremd erscheinen mögen. Das gehört so!
dann sagt mir das: die rechnung geht so auf. wie schön!
danke für deine schönen zeilen und das tolle lob darin!


herzlicher gruß

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Alt 18.02.2012, 11:14   #10
Galapapa
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Liebe fee,
da muss ich mich nochmal melden denn da hast Du etwas falsch verstanden.
Ich schreib nochmal die ganze Strophe, so wie mein Vorschlag war:

"um Nasen, weiß, lichtschutzfaktor dreißig.
ganz ohne creme, kraft des eignen Glaubens.
ganz langsam fing sie an, die Zeit des raubens
unserer credos - die sonne brannte fleißig..."

Das "und" habe ich jetzt mal weggelassen; da müsste man stattdessen auch "unsrer" schreiben.
Also nur das eine Wörtchen, mehr nicht; alles Andere ist gut so.
Herzlichen Gruß!
Galapapapa
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