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Alt 26.12.2011, 13:52   #1
a.c.larin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Beiträge: 4.893
Standard Von Dichtern, einst und jetzt

Es lebten wohl dereinst die Dichter,
mit uns verglichen, deutlich schlichter.
In Kargheit formten sie Essenz:
Sie schrieben auf als Reagenz

des harten Lebens klare Sprüche!
Beliebigkeit und Stilumbrüche,
die lagen nicht in ihrem Sinne.
Sie machten sich zum Hauptgewinne

der Sprache Klang mit hohem Fleiß!
So mancher zahlte seinen Preis,
war bettelarm, verlacht, verpönt,
vereinsamt! Sieht mans ungeschönt,

so war das Dichterlos kein feines!
Die Armut war ein allgemeines
Problem. Der Dichter in der Menge,
der schrieb von Not, von Schicksalsenge.

Er war des Volkes Puls und Mund
und tat das Ungesagte kund....
Doch heutzutage quatscht ein jeder
auf facebook, youtube. Keine Feder

bemüht sich mehr um Eleganz:
Da wedelt mit dem Hund der Schwanz!
Durchdrungen ist das Volk zur Gänze -
hats bald statt "Köpfen" nur noch "Schwänze"?
__________________
Cogito dichto sum - ich dichte, also bin ich!
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Alt 27.12.2011, 15:47   #2
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Stimme der Zeit
 
Registriert seit: 15.03.2011
Ort: Stuttgart
Beiträge: 1.836
Standard

Hallo, larin,

Ach, liebe Freundin, ungeschönt:
geht es dem Dichter heute besser?
Sein Werk ist mehr denn je verpönt.
"Soziales Netzwerk" wetzt sein Messer
und - zack! - schon ist des Dichters Wort
zertrennt. Die Zukunft schreitet fort,

mit OMG und HDL
ins Netz der großen, dicken Spinnen.
Bergab, da geht es immer schnell,
es sind die Spinnen, die gewinnen.
Die Wortkunst wird zunächst geschluckt,
danach die Reste ausgespuckt.

Wer möchte denn noch Dichter sein?
Die Lyrik ist bereits am Sterben,
das Schreiben, das bringt auch nichts ein,
und um ein wenig "Gunst" zu erben,
gehört ein Werk zuerst ver"sext",
danach vermurkst. Es ist verhext.

Verkryptet, fehlerhaft und bunt,
am besten unterirdisch schlecht.
Der Schwanz, er wedelt mit dem Hund,
ich gebe dir vollkommen recht.
Im Grunde ist ein "Dichterkopf"
im world wide web ein armer Tropf.

Zum Glück gibt es dort Habitate,
als Lyrikforen noch bekannt;
sie sind die Dichtkunstreservate
im Netzwerk voller Unverstand.
Hier ist man Dichter, darf es sein,
hier bringt es Anerkennung ein!

Ganz spontan entstanden, es ist deinem Gedicht "gefolgt". (Und die Form hatte ich, da ich zuvor Faldi kommentierte, wohl noch "im Kopf". Ich wollte nur sagen: Danke, Faldi, ist keine "Nachahmung", es entstand einfach "so".) Ja, Dichten war (von einzelnen, seltenen Ausnahmen abgesehen), schon immer eine "brotlose" Kunst. Allerdings genossen Dichter in früheren Zeiten etwas, das heute nicht mehr vorhanden ist: Anerkennung, die "Großen/Größeren" auch Respekt. Sie wurden angefeindet, ja, aber selten wirklich "verlacht" - und wenn, dann eher, weil man die "Macht der Feder" in gewissen Kreisen durchaus fürchtete. Das ist heute nicht mehr der Fall. "Ich schreibe Gedichte." Die Reaktionen reichen von mildem Lächeln über die Ansicht, dass jemand, der auf so eine absurde Idee kommt, nicht ganz dicht sein kann bis hin zur Befremdung. Es gilt: Wer Gedichte schreibt, spinnt. Punkt. Und schon ist man in der "Out-Schublade" gelandet, wie ein merkwürdiger "Anachronismus", mit dem nichts "anzufangen" ist ...

Ich kann dir nur zustimmen. Und oft ratlos, traurig und manchmal auch wütend sein.

Ein gut gelungenes Gedicht, in "doppelter" Hinsicht.

In Strophe 3, Vers 4 hast du bei "man's" den Apostroph vergessen, beim Weglassen von "es" ist immer noch einer erforderlich (bis zur nächsten Reform jedenfalls - auch so eine feine Sache, diese "Recht auf Falschschreibreformen" ).

Zitat:
Sie schrieben auf, als Reagenz, - Kommata aufgrund der "Einfügung", es wäre auch ohne "als Reagenz" ein vollständiger Satz

des harten Lebens klare Sprüche!
Sehr gerne gelesen und kommentiert.

Liebe Grüße

Stimme
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Alt 29.12.2011, 08:40   #3
a.c.larin
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hallo stimme der zeit,

um die kirche mal im dorf zu lassen:
ich nehme mich von dem vorwurf der quatscherei nicht aus!

man hat halt solche und solche tage.
an manchen entdeckt man wesentliches - an anderen nur banales.

doch mit sicherheit verleitet die möglichkeit, einen gedanken rasch verbreiten zu können, eher zur "banalität" denn zu genialität.
(zb. auf facebook: "war jetzt aufm klo und esse grad ein butterbrot....."
wir schnattern halt soooo gerne, wie die affen im urwald).
man sieht es ja auch auf der straße: kaum einer, der nicht sein handy ans ohr hält.....
und fernsehen ist auch so eine sache.
als ich ein kind war, hatten wir zwei programme, die fingen etwa um 5 uhr nachmittags an und gingen bis zwölf. da gab es sendungen für kinder und solche für erwachsene.

heute gibts zig programme rund um die uhr, die meiste zeit davon fällt auf werbung und talk- shows, sport (!) und irgendwelche beschreibungen von alltagskram: die gerichts-show, die entrümpelungsshow, die ekel show, tischler sucht frau, zuckerbäckerin sucht mann, junge mütter, seltsame väter, schwierige kinder, wie wasche ich meine kaffetasse richtig, amerikanische soaps und sit-coms.....
filme zum mitdenken kann man suchen.
dafür sind andere ungewollt lustig:
gestern guckte ich einen katastophen film - der war schon zum totlachen dumm und (berechenbar):
amerikanische familie flüchtet im größten schneesturm der welt vor rasch hernannahendem riesengletscher(!), nur mit dünnen jacken bekleidet, die trotz der kälte, die es haben muss, nicht zugemacht werden.(!) trotz schneesturm sind die straßen meist hübsch geräumt und nur selten begegnen ihnen andere flüchtende(!). hin und wieder sieht man, dass es nur schaum ist . ()
wenn, dann finden sich leere, aber vollgetankte autos am straßenrand, die man als ersatz für das eigene leergefahrene weiterverwenden kann.(!) verhungern müssen die guten auch nicht, denn im kofferraum liegen zufällig chips und cola als proviant (!). klarerweise kann die familientochter im fernen new york aufgefunden werden - sohnemann ortet ihr handy mit seinem handy (?). papi ist der, der immer wieder hören muss: "hol uns hier raus!". macht er auch: er kann nämlich nicht nur autofahren, sondern auch flugzeugfliegen(!). natürlich trifft er jemanden, der eins hat und ihm gleich selbstlos überlässt. (nachdem die familie vorher in dessen haus eingebrochen ist und sich warme kleidung organisiert, sprich: gestohlen, hat.(!) ah ja - der hauseigentümer musste von ihr unter einem dünnnen drahtgestell hervorgeholt werden, von dem er sich angeblich nicht selber befreien konnt, weils zu schwer war. dafür hüpft er nach der befreiung gleich munter auf dem zuvor eingeklemmten bein rum.(!)
zuletzt geht alles gut aus: der gletscher wird von der luftwaffe mittel atombomben(!) gestoppt und bleibt just vor der freiheitsstatue stehen.(!)
natürlich hatte sich die familie dort in letzter minute hinein geflüchtet - nicht ohne vorher auf dem zugefrorenen hudson river mit dem auto gefahren zu sein....

na gut, ich bin selber schuld, wenn ich mir solche filme ansehe.
ich frage mich nur: wer denkt sich sowas aus???

die wirklichen katastrophen sind wahrscheinlich doch eher im kopf ihrer erfinder....

schwänzchenwackelnd,
larin
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Geändert von a.c.larin (29.12.2011 um 08:45 Uhr)
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Alt 29.12.2011, 09:10   #4
Stimme der Zeit
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Liebe larin,

ich habe mich beim Lesen deiner Antwort fürchterlich am Kaffee verschluckt. Und ich bedauere jetzt beinahe (aber nur beinahe und nur aufgrund deiner urkomischen "Filmkritik" ), dass ich keinen Fernseher mehr habe.

Das ist die bei weitem lustigste und unterhaltsamste Kommentarantwort, die ich je gelesen habe - das muss ich einfach sagen!

Bei "war jetzt aufm klo und esse grad ein butterbrot....." fing ich an zu lachen, und lachte dann "durch" bis zum Schluss. Verschluckt habe ich mich bei "wie wasche ich meine kaffeetasse richtig".

Sagenhaft! Du solltest unbedingt Filmkritiken schreiben - ich würde sie alle lesen!

Zitat:
ich frage mich nur: wer denkt sich sowas aus???
DAS frage ich mich schon seit Jahrzehnten ...

Zurück zum Gedicht: Ich kann auch quasseln, aber wie, meine Kommentare sind ja noch gar nichts!

Allerdings bin ich wirklich nicht für facebook, kwick o. Ä. zu haben. Diese Communities ersetzen für mich kein "echtes" Gespräch - und außerdem führen sie offenbar dazu, dass man die Rechtschreibung verlernt, so scheint es mir. Das kann dem Schreiben von Gedichten wohl kaum "förderlich" sein.

Ich fühle mich mich mit der Zeit immer wohler, je länger ich keinen Fernseher habe, im Ernst. Das Ding macht träge und denkfaul. (Online bin ich nur in Lyrikforen und auf informativen Websites unterwegs.)

Und: Es lebe das Buch!

Liebe Grüße

Stimme
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Stimme der Zeit ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 29.12.2011, 10:17   #5
a.c.larin
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Liebe Stimme der Zeit,

tut mir leid, dass du dich verschucken musstest.
Filmkritik ? Nö - ich hab ihn doch bloß nacherzählt!

Ich gebs zu: Hin und wieder versumpfe ich gern vor der Glotzkiste.
Ich habs da besser als mein Mann: Ich gucke einen Film - und habe ihn bald wieder vergessen. Er guckt einen Film - und merkt sich jedes Detail!
Was dazu führt, dass er in 19 von 20 Fällen behauptet: Diesen Film kenne ich schon ( und mir den Ausgang desselben erzählt, während ich noch interessiert den Verlauf beobachte. )

Deine Leidenschaft für Bücher teile ich - aber es müssen echte Bücher sein, aus Papier!
E-books hinterlassen mir wohl kaum ein so sinnliches Vergnügen.
Letzten Sommer kämpfte ich mich zu drei Vierteln durch Doderers "Strudelhofstiege". Das war allerdings echte Lese - "Arbeit".

Fazit:
Beim Fernsehen gilt, so wie bei allem Übrigen: Die Dosis macht das Gift!

Zu gewissen Zeiten sollte man überhaupt jeglichen Input meiden und das eigene Denk- Laboratorium nur mal zur Ruhe bringen.

"Abschalten" scheint irgendwie schwieriger zu sein.....

Liebe Grüße,
larin
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