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Alt 09.12.2014, 21:50   #1
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hallo Lailany!

Klackreuth ist in der Tat ein beeindruckender und ergreifender Dichter. Ein Ausnahmetalent wie Arthur Rimbaud. Als ich vor Jahren durch Zufall eines seiner Sonette gelesen habe erlag ich sofort seinem Zauber und verschlang alles von ihm. Es war diese schwingende Leichtigkeit in seinen Versen vereint mit köstlich treffender Aussage. Die Silben und Worte fließen so vorbestimmt und erhaben.
Leider ist es mitunter recht mühsam an seine Werke zu gelangen. Doch wiegt der Klang der Lieder die Anstrengungen weitüber auf.

Um ehrlich zu sein sind viele seiner Gedichte meine Lieblinge. In jedem einzelnen liegt der flammende Hauch eines hehren Geistes und die gewaltige Sehnsucht nach dem Tod.

Ach, ich könnte schon wieder unnütz in aller Leidenschaft gefangen, haltlos Schwärmen.


Hier ein Link, wo ich einen Teil seines Werkes für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe, das er mir nicht irgendwann gänzlich vergessen wird. (Ich hoffe das das gestattet ist.)

link entfernt - siehe nutzungsbedingungen
chavali/mod


Ich will auch gleich das erste Sonett, das ich von ihm las, beilegen.


Die Lüfte werden seltsam kalt und leicht,
denn alle Hoffnung ist im Sand bestattet,
und selbst die Macht der Schwermut ist ermattet,
die ich geliebt, wie alles, was entweicht.

Nun ist der Pfad der blassen Nacht erreicht,
den ihr im Leben längst vergessen hattet.
Er ist so zart, so wundersam beschattet,
das kein Gefilde ihm an Wehmut gleicht.

Der Pfad auf weißem, schleierhaftem Moose,
der Pfad ins Niebetretne, Wesenlose. -
Und wenig nehme ich dahin von hier.

Doch eh die Sinne sich in Nacht versenken,
schenkt mir ein leises, zitterndes Gedenken,
schenkt die Erinnrung toter Sehnsucht mir.

Um Weihnachten 1905


Liebe Grüße, Terrapin.

Geändert von Chavali (10.12.2014 um 08:34 Uhr)
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Alt 06.03.2016, 04:28   #2
Lailany
Kiwifrüchtchen
 
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Der schöne Faden liegt schon viel zu lange brach, drum möchte ich ihn wieder aufleben lassen mit einem Werk von R.M.Rilke.

Der Panther

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf - dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.

Wer bei einem Gedicht noch nie geweint hat, der lasse die letzte Zeile ins Gemüt einsinken.
So schlicht, so banal die Wortführung und dennoch beinhaltet sie die stumme Trauer und das Leid aller gequälten Kreaturen dieser Welt.
Dieses Werk von Rilke kannte ich noch nicht, hab es eben erst entdeckt und gleich bei meinen Lieblingsgedichten eingereiht.
__________________
.................................................. ...........................................
"Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal

Geändert von Lailany (06.03.2016 um 11:48 Uhr)
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Alt 06.03.2016, 19:31   #3
Chavali
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Ja, Lai, *Der Panther* ist auch eines meiner Lieblingsgedichte


Wie findet ihr das:

Orphische Hymnos

„An Nemesis“ deutlich:


Ich rufe Dich, Nemesis!
Höchste!
Göttlich waltende Königin!
Allsehende, Du überschaust
Der vielstämmigen Sterblichen Leben.
Ewige, Heilige, Deine Freude
Sind allein die Gerechten.
Aber Du hassest der Rede Glast,
Den bunt schillernden, immer wankenden,
Den die Menschen scheuen,
die dem drückenden Joch
Ihren Nacken gebeugt.
Aller Menschen Meinung kennst Du,
Und nimmer entzieht sich Dir die Seele
Hochmütig und stolz
Auf den verschwommenen Schwall der Worte.
In alles schaust Du hinein,
Allem lauschend, alles entscheidend.
Dein ist der Menschen Gericht.
__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 07.03.2016, 13:44   #4
Agneta
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ein schöner Faden, in dem ich gerne mal wieder schnuppern werde.
Der Panther ist auch mein Lieblingsgedicht, ich hätte ihn auch eingestellt.
Sehr schön finde ich auch die Gedichte von Kalkreuth. da muss ich noch mal stöbern! und natürlich alles von Rilke, was Erich eingestellt hat.
LG von Agneta
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Alt 07.03.2016, 16:23   #5
Falderwald
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Fresko Sonett an Christian S. von Heinrich Heine

II.

Gib her die Larv', ich will mich jetzt maskieren
In einen Lumpenkerl, damit Halunken,
Die prächtig in Charaktermasken prunken,
Nicht wähnen, ich sei einer von den Ihren.

Gib her gemeine Worte und Manieren,
Ich zeige mich in Pöbelart versunken,
Verleugne all die schönen Geistesfunken,
Womit jetzt fade Schlingel kokettieren.

So tanz ich auf dem großen Maskenballe,
Umschwärme von deutschen Rittern, Mönchen, Kön'gen,
Von Harlekin gegrüßt, erkannt von wen'gen.

Mit ihrem Holzschwert prügeln sie mich alle.
Das ist der Spaß. Denn wollt ich mich entmummen,
So müßte all das Galgenpack verstummen.


__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 07.03.2016, 23:20   #6
Agneta
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Da ich neben Rilke immer auch schon eine Schwäche für satirische Humoristen hatte, mochte ich immer auch Eugen Roth .
Hier eines meiner Lieblinge von ihm:

"Immer höflich - von Eugen Roth

Ein Mensch grüßt, als ein Mann von Welt,
wenn man ihm einmal vorgestellt.
Er trifft denselben äußerst spärlich,
wenn´s hochkommt, drei- bis viermal jährlich

und man begrinst sich, hohl und heiter,
und geht dann seines Weges weiter.
Doch einmal kommt ein schlechter Tag,
wo just der Mensch nicht grinsen mag.

Und er geht stumm und starr vorbei,
als ob er ganz wer andrer sei.
Doch solche Unart rächt sich kläglich:
Von Stund an trifft er jenen täglich!
-------


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Alt 13.04.2016, 08:45   #7
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Caspar Hauser singt

Als schlichter Waise, reich genug
an meiner Augen stillem Scheine,
kam ich zur Stadt, fremd und alleine,
die Männer fanden mich nicht klug.

Mit zwanzig Jahren wurde ich
im Feuer der verliebten Sinne
der Weiber süßer Schönheit inne:
doch freilich schön fand keine mich.

Wenn auch in keines Königs Sold,
ich Heimatloser Ruhm erworben,
wär' gern ich doch im Krieg gestorben,
doch hat der Tod mich nicht gewollt.

Kam ich zu früh, kam ich zu spät
in diese Welt voll herber Trauer?
Was soll mir, ach, des Lebens Dauer?
Denkt an mich Armen im Gebet!

Paul Verlaine

Übertragung von Wolf von Kalckreuth



La Chanson de Gaspard Hauser

Je suis venu, calme orphelin,
Riche de mes seuls yeux tranquilles,
Vers les hommes des grandes villes :
Ils ne m’ont pas trouvé malin.

À vingt ans un trouble nouveau
Sous le nom d’amoureuses flammes
M’a fait trouver belles les femmes :
Elles ne m’ont pas trouvé beau.

Bien que sans patrie et sans roi
Et très brave ne l’étant guère,
J’ai voulu mourir à la guerre :
La mort n’a pas voulu de moi.

Suis-je né trop tôt ou trop tard ?
Qu’est-ce que je fais en ce monde ?
Ô vous tous, ma peine est profonde :
Priez pour le pauvre Gaspard !
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.

Geändert von Terrapin (13.04.2016 um 11:54 Uhr)
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Alt 13.04.2016, 10:47   #8
vedena
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Danke @Lailany - Der Panther ist auch mein großer Favorit.

Falls jemandem gerade romantisch zumute ist, mir gefällt auch das hier:

Der Asra

Täglich ging die wunderschöne
Sultanstocher auf und nieder
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weißen Wasser plätschern.

Täglich stand der junge Sklave
Um die Abendzeit am Springbrunn,
Wo die weißen Wasser plätschern;
Täglich ward er bleich und bleicher.

Eines Abends trat die Fürstin
Auf ihn zu mit raschen Worten:
Deinen Namen will ich wissen,
Deine Heimat, deine Sippschaft!

Und der Sklave sprach: Ich heiße
Mohamet, ich bin aus Yemmen,
Und mein Stamm sind jene Asra,
Welche sterben, wenn sie lieben.

Heinrich Heine


__________________
Mein Buch "Leitersprossen"

ISBN-10: 3853060501
ISBN-13: 978-3853060506 - oder per PN !
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Alt 18.02.2017, 16:02   #9
Chavali
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Standard Emmanuel Geibel

Hier etwas Passendes zur Jahreszeit:



(Emmanuel Geibel 1815-1884)

Und dräut der Winter noch so sehr
Mit trotzigen Gebärden,
Und streut er Eis und Schnee umher,
Es muß doch Frühling werden.

Und drängen Nebel noch so dicht
Sich vor den Blick der Sonne,
Sie wecket doch mit ihrem Licht
Einmal die Welt zur Wonne.

Blast nur ihr Stürme, blast mit Macht,
Mir soll darob nicht bangen,
Auf leisen Sohlen über Nacht,
Kommt doch der Lenz gegangen.

Da wacht die Erde grünend auf,
Weiß nicht, wie ihr geschehen,
Und lacht in den sonnigen Himmel hinauf,
Und möcht vor Lust vergehen.

Sie flicht sich blühende Kränze ins Haar
Und schmückt sich mit Rosen und Ähren,
Und läßt die Brünnlein rieseln klar,
Als wären es Freudenzähren!

Drum still, und wie es frieren mag,
O Herz, gib dich zufrieden,
Es ist ein großer Maientag
Der ganzen Welt beschieden.

Und wenn dir oft auch bangt und graut,
Als sei die Höll' auf Erden:
Nur unverzagt auf Gott gebaut,
Es muß doch Frühling werden.




Schaut mal genau hin:

Lesen wir diese Gedichte-Schreibart nicht auch
desöfteren auch heutzutage und hier?
__________________
.
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Alt 01.11.2017, 22:13   #10
mallarme
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Ort: Ostsachsen
Beiträge: 303
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Also ich hätte drei Lieblingsgedichte beizusteuern und wenn ich
mich nicht vertan habe sind sie auch noch nicht gekommen.

Das ist zum ersten von Rilke, der ja durchaus gut vertreten ist:

Nachthimmel und Sternenfall

Der Himmel, groß, voll herrlicher Verhaltung,
ein Vorrat Raum, ein Übermaß von Welt.
Und wir, zu ferne für die Angestaltung,
zu nahe für die Abkehr hingestellt.

Da fällt ein Stern! Und unser Wunsch an ihn,
bestürzten Aufblicks, dringend angeschlossen:
Was ist begonnen, und was ist verflossen?
Was ist verschuldet? Und was ist verziehn?


Dann etwas ganz Gegensätzliches von meinem "Freund" Trakl:

Untergang

Über den weißen Weiher
Sind die wilden Vögel fortgezogen.
Am Abend weht von unseren Sternen ein eisiger Wind.

Über unsere Gräber
Beugt sich die zerbrochene Stirne der Nacht.
Unter Eichen schaukeln wir auf einem silbernen Kahn.

Immer klingen die weißen Mauern der Stadt.
Unter Dornenbogen
O mein Bruder klimmen wir blinde Zeiger gen Mitternacht.


Und zum Schluss eine neue Entdeckung für mich und ganz begeisternd,
hatte es auch schon mal in anderem Zusammenhang erwähnt,
ein Gedicht von Wolfenstein:

Städter

Dicht wie Löcher eines Siebes stehn
Fenster beieinander, drängend fassen
Häuser sich so dicht an, daß die Straßen
Grau geschwollen wie Gewürgte stehn.

Ineinander dicht hineingehakt
Sitzen in den Trams die zwei Fassaden
Leute, wo die Blicke eng ausladen
Und Begierde ineinander ragt.

Unsre Wände sind so dünn wie Haut,
Daß ein jeder teilnimmt, wenn ich weine.
Flüstern dringt hinüber wie Gegröhle:

Und wie stumm in abgeschlossner Höhle
Unberührt und ungeschaut
Steht doch jeder fern und fühlt: alleine.


Gibt natürlich noch mehr Texte die mich begeistern, aber das sind
schon ganz wichtige die mich immer wieder begleiten.
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