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Alt 21.02.2018, 00:08   #1
Felix
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Standard Lieblingsgedichte

An die Parzen (Hölderlin)

Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!

Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,

Daß williger mein Herz, vom süßen

Spiele gesättiget, dann mir sterbe.



Die Seele, der im Leben ihr göttlich Recht

Nicht ward, sie ruht auch drunten im Orkus nicht;

Doch ist mir einst das Heilge, das am

Herzen mir liegt, das Gedicht, gelungen,



Willkommen dann, o Stille der Schattenwelt!

Zufrieden bin ich, wenn auch mein Saitenspiel

Mich nicht hinab geleitet; Einmal

Lebt ich, wie Götter, und mehr bedarfs nicht.
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Alt 28.02.2018, 22:05   #2
Chavali
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Standard Mondnacht

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

...so einfach die Sprache, so wunderbar gefühlvoll...


Joseph (Karl Benedikt) Freiherr von Eichendorff

geboren
am 10.3.1788 auf Schloß Lubowitz bei Ratibor/Oberschlesien
gestorben
am 26.11.1857 Neisse/Schlesien


__________________
.
© auf alle meine Texte
Die Zeit heilt keine Wunden, man gewöhnt sich nur an den Schmerz

*
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Alt 02.03.2018, 21:33   #3
Felix
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Standard Selige Sehnsucht

Goethe Johann Wolfgang von

Westöstlicher Divan
Moganni Nameh - Buch des Sängers

Selige Sehnsucht

Sagt es niemand, nur den Weisen,
Weil die Menge gleich verhöhnet,
Das Lebend'ge will ich preisen,
Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebesnächte Kühlung,
Die dich zeugte, wo du zeugtest,
Überfällt dich fremde Fühlung,
Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen
In der Finsternis Beschattung,
Und dich reißet neu Verlangen
Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig,
Kommst geflogen und gebannt,
Und zuletzt, des Lichts begierig,
Bist du, Schmetterling, verbrannt.

Und solang du das nicht hast,
Dieses: Stirb und werde!
Bist du nur ein trüber Gast
Auf der dunklen Erde.

Tut ein Schilf sich doch hervor,
Welten zu versüßen!
Möge meinem Schreibe-Rohr
Liebliches entfließen!
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Alt 04.03.2018, 17:40   #4
Felix
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Standard Schillers Nänie

Nänie

Auch das Schöne muß sterben! Das Menschen und Götter bezwinget,
Nicht die eherne Brust rührt es des stygischen Zeus.
Einmal nur erweichte die Liebe den Schattenbeherrscher,
Und an der Schwelle noch, streng, rief er zurück sein Geschenk.
Nicht stillt Aphrodite dem schönen Knaben die Wunde,
Die in den zierlichen Leib grausam der Eber geritzt.
Nicht errettet den göttlichen Held die unsterbliche Mutter,
Wann er, am skäischen Tor fallend, sein Schicksal erfüllt.
Aber sie steigt aus dem Meer mit allen Töchtern des Nereus,
Und die Klage hebt an um den verherrlichten Sohn.
Siehe! Da weinen die Götter, es weinen die Göttinnen alle,
Daß das Schöne vergeht, daß das Vollkommene stirbt.
Auch ein Klaglied zu sein im Mund der Geliebten ist herrlich;
Denn das Gemeine geht klanglos zum Orkus hinab.
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Alt 09.03.2018, 01:03   #5
Felix
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Standard [B]Der Gott und die Bajadere[/B]

Johann Wolfgang von Goethe

Indische Legende

Mahadöh, der Herr der Erde,
Kommt herab zum sechsten Mal,
Dass er unsersgleichen werde,
Mitzufühlen Freud und Qual.

Er bequemt sich, hier zu wohnen,
Lässt sich alles selbst geschehn.
Soll er strafen oder schonen,
Muss er Menschen menschlich sehn.

Und hat er die Stadt sich als Wandrer betrachtet,
Die Großen belauert, auf Kleine geachtet,
Verlässt er sie abends, um weiter zu gehn.

Als er nun hinausgegangen,
Wo die letzten Häuser sind,
Sieht er, mit gemalten Wangen,
Ein verlornes schönes Kind.

"Grüß' dich, Jungfrau!" - "Dank der Ehre!
Wart, ich komme gleich hinaus."
"Und wer bist du?" - "Bajadere,
Und dies ist der Liebe Haus."

Sie rührt sich, die Cymbeln zum Tanze zu schlagen;
Sie weiß sich so lieblich im Kreise zu tragen,
Sie neigt sich und biegt sich und reicht ihm den Strauß.
Schmeichelnd zieht sie ihn zur Schwelle,
Lebhaft ihn ins Haus hinein.
"Schöner Fremdling, lampenhelle
Soll sogleich die Hütte sein.
Bist du müd, ich will dich laben,
Lindern deiner Füße Schmerz.
Was du willst, das sollst du haben,
Ruhe, Freuden oder Scherz."

Sie lindert geschäftig geheuchelte Leiden.
Der Göttliche lächelt; er siehet mit Freuden
Durch tiefes Verderben ein menschliches Herz.

Und er fordert Sklavendienste;
Immer heitrer wird sie nur,
Und des Mädchens frühe Künste
Werden nach und nach Natur.

Und so stellet auf die Blüte
Bald und bald die Frucht sich ein;
Ist Gehorsam im Gemüte,
Wird nicht fern die Liebe sein.

Aber sie schärfer und schärfer zu prüfen,
Wählet der Kenner der Höhen und Tiefen
Lust und Entsetzen und grimmige Pein.

Und er küsst die bunten Wangen,
Und sie fühlt der Liebe Qual,
Und das Mädchen steht gefangen,
Und sie weint zum erstenmal;
Sinkt zu seinen Füßen nieder,
Nicht um Wollust noch Gewinst,
Ach! und die gelenken Glieder,
Sie versagen allen Dienst.

Und so zu des Lagers vergnüglicher Feier
Bereiten den dunklen, behaglichen Schleier
Die nächtlichen Stunden, das schöne Gespinst.

Spät entschlummert unter Scherzen,
Früh erwacht nach kurzer Rast,
Findet sie an ihrem Herzen
Tot den vielgeliebten Gast.

Schreiend stürzt sie auf ihn nieder;
Aber nicht erweckt sie ihn,
Und man trägt die starren Glieder
Bald zur Flammengrube hin.

Sie höret die Priester, die Totengesänge,
Sie raset und rennet und teilet die Menge:
"Wer bist du? was drängt zu der Grube dich hin?"

Bei der Bahre stürzt sie nieder,
Ihr Geschrei durchdringt die Luft:
"Meinen Gatten will ich wieder!
Und ich such ihn in der Gruft.
Soll zu Asche mir zerfallen
Dieser Glieder Götterpracht?
Mein! er war es, mein vor allen!
Ach, nur eine süße Nacht"

Es singen die Priester: "Wir tragen die Alten,
Nach langem Ermatten und spätem Erkalten,
Wir tragen die Jugend, noch eh sie's gedacht.

"Höre deiner Priester Lehre:
Dieser war dein Gatte nicht.
Lebst du doch als Bajadere,
Und so hast du keine Pflicht.
Nur dem Körper folgt der Schatten
In das stille Totenreich;
Nur die Gattin folgt dem Gatten:
Das ist Pflicht und Ruhm zugleich.

Ertöne, Drommete, zu heiliger Klage!
O nehmet, ihr Götter! die Zierde der Tage,
O nehmet den Jüngling in Flammen zu euch!"

So das Chor, das ohn Erbarmen
Mehret ihres Herzens Not;
Und mit ausgestreckten Armen
Springt sie in den heißen Tod.

Doch der Götterjüngling hebet
Aus der Flamme sich empor,
Und in seinen Armen schwebet
Die Geliebte mit hervor.

Es freut sich die Gottheit der reuigen Sünder;
Unsterbliche heben verlorene Kinder
Mit feurigen Armen zum Himmel empor.
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Alt 11.03.2018, 22:53   #6
Felix
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Standard Vor Gericht

Von wem ich es habe, das sag ich euch nicht,
das Kind in meinem Leib.
„Pfui!“ speit ihr aus: „die Hure da!“
Bin doch ein ehrlich Weib.

Mit wem ich mich traute, das sag ich euch nicht.
Mein Schatz ist lieb und gut,
trägt er eine goldene Kett am Hals,
trägt er einen strohernen Hut.

Soll Spott und Hohn getragen sein,
trag’ ich allein den Hohn.
Ich kenn ihn wohl, er kennt mich wohl,
und Gott weiß auch davon.

Herr Pfarrer und Herr Amtmann ihr,
Ich bitte, lasst mich in Ruh!
Es ist mein Kind, es bleibt mein Kind;
ihr gebt mir ja nichts dazu.


Goethe schrieb dieses Gedicht als 26-jähriger während seiner Sturm-und-Drang-Zeit. Es war in dem Jahr, in dem er erstmals nach Weimar kam (im November 1775), aber auch noch in Frankfurt eine Anwaltskanzlei führte.
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Alt 14.03.2018, 08:36   #7
Eisenvorhang
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H. Hesse

Gestutzte Eiche, Juli 1919

Wie haben sie dich, Baum, verschnitten
Wie stehst du fremd und sonderbar!
Wie hast du hundertmal gelitten,
Bis nichts in dir als Trotz und Wille war!
Ich bin wie du, mit dem verschnittnen,
Gequälten Leben brach ich nicht
Und tauche täglich aus durchlittnen
Roheiten neu die Stirn ins Licht.
Was in mir weich und zart gewesen,
Hat mir die Welt zu Tod gehöhnt,
Doch unzerstörbar ist mein Wesen,
Ich bin zufrieden, bin versöhnt,
Geduldig neue Blätter treib ich
Aus Ästen hundertmal zerspellt,
Und allem Weh zu Trotze bleib ich
Verliebt in die verrückte Welt.
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Alt 06.04.2018, 22:09   #8
Terrapin
Erfahrener Eiland-Dichter
 
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Hakodate

Leb wohl denn, Murasaki!
Dein Blick ist tränenschwer,
nun teilen Bett und Saki
wir zwei nicht mehr.

Der Kaiser läßt marschieren,
die Sonnen leuchten klar:
nun gilt es zu verlieren,
was lieb uns war.

Mach's kurz, das ist am besten -
es bleibt des Glücks Beschluß,
daß ich im fernen Westen
mich schlagen muß.

Und jede, die sich frei sah,
die freute es wie dich...
du kriegst 'nen tapfren Taisa
als Tausch für mich.

Ihr reizenden Geschöpfe,
uns allen Schmuck und Zier,
wir schneiden Russenköpfe
und Rosen ihr.

Drum schaut nicht nach der See aus
und nicht den Strand hinab,
die Geisha kommt ins Teehaus -
der Mann ins Grab.

Stuttgart, März 1905.


[Die Gedichte sind aus der Zeit des Russisch-Japanischen Krieges, den Kalckreuth sehr interessiert über die damaligen Medien verfolgte und in etlichen lyrischen Stücken habhaft wurde.]

Abschied

Der Fuji glimmt im ganzen Kreis
vom roten Abendstrahle,
im Dämmerwinde wogt der Reis
im grüngestuften Tale.
Des Tages letzte Feuer fliehn,
rings hüllen graue Schleier ihn,
ein fernes Rauschen hör ich
im Röhricht.

Da ist im Wehn des kühlen Winds
ein Funkeln aufgeglommen.
Es sind die Truppen der Provinz,
die dort vom Berghang kommen. -
Sie ziehen durch den Abendtau,
Gamaschen weiß und Röcke blau,
zu finstren Heerkolossen
geschlossen.

In weitem Bogen rollt das Meer
um Yamatos Gefilde.
Vom Höhenkamme staunt das Heer
vor dem gewalt'gen Bilde.
Vom abenddunklen Flutenschwall
hebt sich der rote Sonnenball,
und Feuergluten weht er
zum Äther.

Die weite Fläche liegt besonnt,
und Well und Eiland blinken,
bis in den düstren Horizont
die Flammen jäh versinken.
Und über der verglommnen Pracht
hebt sacht sich die Azurne Nacht,
und deckt in blauem Bogen
die Wogen.

Da ringt ein Stahlgeklirr sich los
aus der Kolonnen Tiefe,
als ob die Seele Yamatos
zu seinen Kriegern riefe:
Mein Flammengruß ist im Verglühn,
die Schwerter fest – und tretet kühn
den Weg zu Tod und Grab an
für Japan!

Stuttgart, 5. April 1905.
__________________
Das Leben ist eines der schwierigsten.
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Alt 21.04.2018, 11:53   #9
Eisenvorhang
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„Misanthropologie" von Erich Kästner:

Schöne Dinge gibt es dutzendfach.
Aber keines ist so schön wie diese:
eine ausgesprochen grüne Wiese
und ein paar Meter veilchenblauer Bach.

Und man kneift sich. Doch das ist kein Traum.
Mit der edlen Absicht, sich zu läutern,
kniet man zwischen Blumen, Gras und Kräutern.
Und der Bach schlägt einen Purzelbaum.

Also das, denkt man, ist die Natur?
Man beschließt, in Anbetracht des Schönen,
mit der Welt sich endlich zu versöhnen.
Und ist froh, dass man ins Grüne fuhr.

Doch man bleibt nicht lange so naiv.
Plötzlich tauchen Menschen auf und schreien.
Und schon wieder ist die Welt zum Speien.
Und das Gras legt sich vor Abscheu schief.

Eben war die Landschaft noch so stumm.
Und der Wiesenteppich war so samten.
Und schon trampeln diese gottverdammten
Menschen wie in Sauerkraut herum.

Und man kommt, geschult durch das Erlebnis,
wieder mal zu folgendem Ergebnis:
Diese Menschheit ist nichts weiter als
eine Hautkrankheit das Erdenballs.
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Alt 21.04.2018, 14:49   #10
Chavali
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Beiträge: 13.001
Standard

...was für eine geniale Menschenstudie, lieber EV

toll, dass du das ausgegraben hast, ich kannte es noch nicht.
Danke fürs Einstellen - hab weise lächelnd mit dem Kopf genickt: So isses!

LG Chavali
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