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TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, Charis!
Mit einem Male ist das Laute still. Die Chöre der Zikaden schweigen. Nichts tönt mehr drängend schrill, und alles will sich vor dem Mond verneigen, Hebungsschema S1: 5435 der mürrisch blass am Himmel blüht, die Wasser zieht wie schwarze Laken, die träge nun, sich wiegen, müd den kahlen Fels zu schlagen. Hebungsschema S2: 4443 Das blasse Licht ist seltsam heimatlos und fremd das Glitzern auf den Wogen. Wie Engelscharen in den dunklen Schoß gezogen, gefallen wohl, vom Mond belogen. S3: 5455 (letzte Zeile Senkungsprall "gezogen, gefallen") Die Wellen gurgeln, klatschen leis, auf Zehenspitzen scheinen sie zu schleichen um diese rauhen Küsten als Beweis, dass Weiches nie wird Hartem weichen... S4: 4554 (letzte Zeile Inversion) Und dieses Schauen mag den Schmerz geduldig heilen, doch dein Kuss schmeckt bitter nach Lavendel, und in meinem bangen Herz trifft Licht auf Diamantensplitter. S5: 4564 (betonter Auftakt in Z3) Keine 2 Strophen halten dasselbe Schema - von Ebenmaß ganz zu schweigen! Für musikalische Menschen mit "Taktgefühl" ist dies hart zu lesen, so schön auch die Sprache ist! Das Kadenzenschema ist interessanterweise sauber und ebenmäßig: Alle Strophen haben mwmw. Ich versuche mal eine Version mit gleichmäßig 4 Hebern pro Zeile: Ganz plötzlich ist das Laute still, die Chöre der Zikaden schweigen. Es tönt nicht mehr so drängend schrill, und will sich vor dem Mond verneigen, der mürrisch blass am Himmel blüht und Wasser zieht wie schwarze Laken, die träge nun sich wiegen, müd an jeden kahlen Fels zu schlagen. Das Licht ist seltsam heimatlos und fremd das Glitzern auf den Wogen, wie Engel, in den dunklen Schoß gezogen und vom Mond belogen. Die Wellen gurgeln, klatschen leis, behutsam scheinen sie zu schleichen um diese Küsten, zum Beweis, dass Zarte nie dem Harten weichen. Und dieses Schauen mag den Schmerz geduldig heilen, doch zu bitter schmeckt dieser Kuss. Im bangen Herz trifft Licht auf Diamantensplitter. Auch Hebungsprall und falscher Auftakt sind korrigiert. Nimm, was dir brauchbar erscheint. Sehr gern gelesen. (Die Conclusio kommt mir bekannt vor - habe ich das schon mal anderswo kommentiert?)LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (18.11.2015 um 15:59 Uhr) |
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