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19.07.2015, 18:37 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Beiträge: 3.375
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Fast nichts
Fast nichts
In ihrer Stimme schwingt seit jenem Tag von Zeit zu Zeit ein Anflug dieser Traurigkeit. "Es geht mir gut", das klingt wie Augen, die geöffnet scheinen und hinter Fensterscheiben weinen. Version von Erich Kykal In ihrer Stimme schwingt seit jenem Tag von Zeit zu Zeit ein Anflug dieser Traurigkeit, die seltsam schweigen macht und aller Sinne sachtes Gut erkühlt in jene Trauer tut. "Es geht mir gut", das klingt wie Augen, die geöffnet scheinen und hinter trüben Scheiben weinen.
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller Geändert von Thomas (20.07.2015 um 12:13 Uhr) |
19.07.2015, 19:43 | #2 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, Thomas!
Ein interessanter Duktus, der durch die rhythmische Heberverteilung in den Zeilen erreicht wird: 3-4-4-3-4-4 Kein Komma nach "klingt" in Z4. Stilistischer/satzmelodischer Vorschlag für Z6: "die hinter trüben Scheiben weinen." In Z3 wird von "dieser Traurigkeit" gesprochen, was eine spezielle Art von Traurigkeit impliziert. Leider wird nicht erklärt, worin diese spezielle Traurigkeit denn nun besteht oder wurzelt. Also entweder die Zeile ändern: "ein Anflug sanfter Traurigkeit." oder so ... - oder eine einleitende Strophe vor- oder zwischenstellen, die auf diese Art der Traurigkeit eingeht und sie erläutert. Am passensten erschiene mir eine Fortführung des Satzes mittels eines dreizeiligen mittigen Einschubs von der gleichen Hebungsfolge wie die Zeilen 1-3 und 4-6. In etwa so: In ihrer Stimme schwingt seit jenem Tag von Zeit zu Zeit ein Anflug dieser Traurigkeit, die seltsam schweigen macht und aller Sinne sachtes Gut erkühlt in jene Trauer tut. "Es geht mir gut", das klingt wie Augen, die geöffnet scheinen und hinter trüben Scheiben weinen. Sehr gern gelesen und beklugfummelt! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. Geändert von Erich Kykal (19.07.2015 um 19:51 Uhr) |
20.07.2015, 12:12 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Lieber Erich,
vielen Dank. Du hast eine schöne Version geschaffen. Sie ist, wie es für dich nun mal typisch zu sein scheint, sehr schön rund. Ich würde dagegen ehr sogar noch die ersten 3 Zeilen weglassen, wenn ich nicht befürchtet, dass das Ganze dann doch etwas zu offen bliebe. Liebe Grüße Thomas
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© Ralf Schauerhammer Alles, was der Dichter uns geben kann, ist seine Individualität. Diese seine Individualität so sehr als möglich zu veredeln, ist sein erstes und wichtigstes Geschäft. Friedrich Schiller |
20.07.2015, 15:58 | #4 |
TENEBRAE
Registriert seit: 18.02.2009
Ort: Österreich
Beiträge: 8.570
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Hi, Thomas!
Was denn, NOCH mehr weglassen? Ei, warum bist du lyrisch derzeit gar so kurz angebunden? Du weißt doch: Zu wenig und zuviel, so geht der Narren Spiel! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
02.09.2015, 09:53 | #5 |
Gast
Beiträge: n/a
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mir gefällt die erste Version in ihrer Verknappung besser, zumal es verdichtet. Das "trübe Scheiben " wäre jedoch ein sinnvoller Vorschlag, weil es noch einmal bildlich den Schluß verstärkt.
Das stille Leiden der starken Menschen hast du hier gut rübergebracht, lieber Thomas. LG von Agneta |
02.09.2015, 16:28 | #6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
Registriert seit: 24.04.2011
Beiträge: 3.375
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Liebe Agneta,
sei herzlich willkommen! Vielen Dank für deine Meinung. Ich habe mir Erichs Vorschlag genau angesehen, und auch die "trüben Scheiben". Das Bild, das ich hervorrufen möchte sein eigentlich nicht trübe Scheiben, sondern Fensterscheiben, die undurchsichtig und getrübt sind, weil sie von innen beschlagen sind, wie das in feuchten Räumen tatsächlich vorkommt. Liebe Grüße Thomas
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02.09.2015, 16:51 | #7 |
Gast
Beiträge: n/a
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ja, so hatte ich es auch empfunden. Da will ja der Prot oder die Protagonistin nicht, dass jemand reinschaut. Man stellt sich vor wie das Fenster vom Atmen, nah an der Außenwelt und doch gewollt verschlossen, seine Ruhe haben will. Sein Leid mit sich selber ausmachen. Trübe wäre mehr unbeabsichtigt...
ja, beschlagen wäre genau das richtige Wort. Vielleicht kann man, wenn man noch feilen will, noch irgendwas mir perlen; Tränen und beschlagen einbauen. Auch der harmonische Wechsel zwischen Dreier-und Viererhebung kommt gut. Musst du entscheiden. Nötig ist es nicht, finde ich, aber es würde den Schluß noch mehr pointieren. Auf keinen Fall würde ich es länger machen. Es wirkt gerade durch seine Knappheit und Kürze. LG von Agneta |
02.09.2015, 17:37 | #8 |
Gesperrt
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Beiträge: 351
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Hallo Thomas,
dank Agneta bin ich auf diese Zeilen gestoßen und finde auch, dass das von dir erstrebte Bild in den ursprünglichen sechs Versen ausreichend skizziert wurde. Meiner Meinung nach wird im von Erich vorgeschlagenen Mittelteil zuviel erklärt, das nimmt den Reiz der Selbstentdeckung. Auch habe ich es nicht so mit Füllwörtern (hier "sachte" und "seltsam"). Dafür gefällt mir die Gliederung in "Dreierblöcke". So hat halt jeder seine Vorlieben... lg Bodo |
02.09.2015, 21:38 | #9 | |
Slawische Seele
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Beiträge: 5.637
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Zitat:
ich lese sechs wunderbare Verse und erkenne ein ganzes Leben. Nur ganz nebenbei: (Immer wieder eine interessante Diskussion ...???) Die tiefste Wahrheit sprechen "immer/oft/meist" Dichter aus. Dichterinnen sind darin rar. Wie kommt das nur? Wirklich gern und berührt gelesen. Die Fragezeichen ergaben sich von selbst. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
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03.09.2015, 19:39 | #10 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Liebe Dana,
herzlichen Dank für deinen ermutigenden Kommentar. Liebe Grüße Thomas
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