28.05.2014, 06:54 | #1 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Ich glaube nicht
Ich glaube nicht
Ich glaube nicht, dass wir uns wiedersehen, die Zeit vergeht und kehrt nicht wieder, mein Herz will es noch immer nicht verstehen, ihm klingen noch die alten Lieder. Verzweifelt bin ich hier zurückgeblieben, versteinert in mir selbst und hinter der Maske weinte still ein leeres Lieben sich tränenweiß in meinen Winter. Wie lange habe ich mich selbst betrauert im Kerker meiner Welt, die Zelle besaß kein Fenster und war zugemauert im Zentrum jener Kältequelle. Ein kleiner Keim des Lebens aber drängte durch der Gefühle enge Gassen ans Licht aus dem Verlies, dass ihn beengte, und hat die Mauern brechen lassen. Ich glaube nicht, dass wir uns wiedersehen, doch einmal endet alles Klagen, darum will ich durch diese Welt jetzt gehen und dich im Herzen bei mir tragen. ---
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant) Geändert von Narvik (28.05.2014 um 14:36 Uhr) Grund: Punkt gesetzt |
28.05.2014, 12:25 | #2 |
ADäquat
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Hallo Narvik,
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28.05.2014, 16:31 | #3 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Narvik,
Dein Gedicht drückt den Verlust einer wahrscheinlich nicht mehr wiederkehrenden Liebe bzw. starken Zuneigung aus und die Gedanken, die sich daraufhin einstellen. Neben der einprägsamen Tragik sind in den beiden letzten Strophen aber auch Anzeichen erkennbar, die der Hoffnung einen Raum lassen. Und noch ein anderer Eindruck drängt sich mir auf. Hier liegt ein Gedicht vor, daß man gut vertonen könnte. Schon beim Lesen der ersten Zeile wird es einem bewußt: "Ich glaube nicht, daß wir uns wiedersehen". Ein solcher Liedtext würde ganz bestimmt gut angenommen werden. Das verleiht Deinem Gedicht einen zusätzlichen Reiz. Liebe Grüße Justin |
30.05.2014, 09:22 | #4 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Chavali,
es dauert eine ganze Weile, die Gefühle zu verarbeiten, die beim Verlust eines geliebten Menschen entstehen. Aber es ist eine unumstößliche Tatsache, nichts kann diese ungeschehen machen. Es ist, als falle man in ein tiefes Loch, aus dem es keine Wiederkehr mehr gibt. Es ist das eigene, innere Gefängnis, in das man einfährt, und aus dem ein Entkommen unmöglich scheint. Die Erinnerungen aber streben immer wieder ans Licht und wollen sich ihre Bahn brechen. Wenn man sie annimmt, wird es leichter und das eigene Leben geht ja nun mal weiter. Man sollte dankbar sein für die Zeit, die man hatte. Vielen Dank für deine netten Worte. Den Punkt habe ich gesetzt. Herzliche Inselgrüße Narvik --- Hallo Justin, ja, es geht um den endgültigen Verlust einer geliebten Person. Da Schlimme daran ist, nicht die Liebe ging verloren, sondern der geliebte Mensch. Die Hoffnung lebt im Herzen weiter, auch wenn man sich mit den Tatsachen abfinden muss. An ein Lied hatte ich dabei gar nicht gedacht, aber man könnte sicherlich eines daraus machen. Sei bedankt für deinen netten Kommentar. Herzliche Inselgrüße Narvik
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant) |
30.05.2014, 20:45 | #5 |
Slawische Seele
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Hallo Narvik,
um bei Justins Idee zu bleiben: Ein sehr schönes Gedicht in Moll, das in den letzten zwei Sätzen einen leisen Auftakt bekommt. Die Verdichtung ist wunderschön, die "Geschichte" berührt, so dass man mit dem "vertrauten" Trost gar nicht kommen mag: "Das Leben geht weiter." Bei deinem Gedicht ist mir der Wert dieses Spruchs erst richtig bewusst geworden. Oft benutzt aber kein bisschen abgenutzt. Das Leben geht weiter und weil es so einmalig ist, sollte es lichtumflutet weiter gehen. Sehr viele Gedanken kreisten in meinem Kopf. Unser Leben ist ein Teil der Natur. Dieses Streben nach Licht kann man besonders gut bei Pflanzen beobachten. Aus Schatten, aus Mauern und aus Asphalten - alles rankt zum Licht hin und will leben. Sehr gern gelesen und mit ein paar Gedanken bedacht. Liebe Grüße Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben. (Frederike Frei) |
01.06.2014, 09:32 | #6 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Dana,
ein Lied ausschließlich in Moll wirkt sehr eintönig und langweilig, so sollte ein Abschluss in Dur eigentlich die logische Konsequenz sein. Der Trost von außen mag hilfreich sein, doch das innere Gleichgewicht muss jeder für sich selbst erst wieder herstellen. Das gelingt, wenn man das kleine Licht am Ende des Tunnels wahrzunehmen bereit ist und es sich zum Ziele setzt, es auch zu erreichen. Denn wem nützt letzten Endes das Trauern? Weder dem Trauernden noch dem Betrauerten. So geht es weiter, ob man will oder nicht, das ist die Natur der Dinge. Vielen Dank für deine freundlichen Worte. Herzliche Inselgrüße Narvik
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant) |
12.06.2014, 12:00 | #7 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo Narvik,
dein Gedicht ist an ein lyrisches Du gerichtet. Offenbar besteht theoretisch noch die Möglichkeit des Wiedersehens, denn das lyrische Ich weiß nicht um die Unmöglichkeit, es glaubt nur nicht daran. HTML-Code:
Ich glaube nicht, dass wir uns wiedersehen Eine interessant Situation hast du geschildert. Viele Grüße poetix
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Lineam rectam sequere |
13.06.2014, 13:45 | #8 |
Erfahrener Eiland-Dichter
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Hallo poetix,
deine Interpretation ist sehr schön und prinzipiell optimistisch ausgelegt, lässt sie doch einen möglichen Ausweg offen. Doch hier geht es um den endgültigen Verlust eines Menschens und die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, die im Zurückgebliebenen dadurch ausgelöst wurde. Es hat lange gedauert, dass er sich aus dieser Situation befreien konnte, bis er wieder neuen Lebensmut gefasst hatte und damit umgehen konnte. Es ist immer schwierig, einen geliebten Menschen zu verlieren und so ginge diese neue Konstellation nur ohne ihn. Einfacher gesagt: Das Leben geht weiter. Bis man das aber in einer solchen Situation begreift, muss ein wenig Zeit vergehen. Vielen Dank für deinen netten Kommentar. Herzliche Inselgrüße Narvik
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Nur der fröhliche Mensch allein ist fähig, Wohlgefallen am Guten zu finden. (Kant) |
13.06.2014, 21:38 | #9 |
TENEBRAE
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Hi, Narvik!
Ein sprachlich höchst gelungenes Elaborat aus deiner würdigen Feder! Was sofort auffällt sind die gleichmäßig wechselnden Zeilenängen: Heberzahl in den Strophen 5-4-5-4. Die "zu kurzen" Zeilen unterstreichen kongenial die durch den gegangenen Menschen entstandene Lücke - man hat während des Lesens, auch wenn an diesem Rhythmus ja nichts falsch ist, doch immer den Eindruck einer Leere, vor allem wenn ein Satz am Ende einer vierhebigen Zeile endet. Das fehlende Element - die letzten Heber in den Zeilen 2 und 4 - wühlt zwar die Sprachmelodie auf, aber auch das korreliert wunderbar mit dem emotionalen Ungleichgewicht des LyrIch. Kurz: Auch wenn ich persönlich kein allzu großer Freund solcher Wechsel der Hebungszahlen bin - hier passt es und wirkt mit an einem wunderbar eindringlichen Bild erst verzweifelter, dann stiller Trauer, die endlich in ein gelöstes Sichabfinden mündet. Kein Vergessen wohlgemerkt: Ein würdiges Im-Herzen-Tragen des geliebten Wesens, in einem Herzen, das nicht zerfressen ist von Gram, sondern erfüllt von liebendem Angedenken, in dem es - gestärkt von den Erinnerungen an das Gemeinsame - aufgeht und Kraft findet für den neuen Lebensabschnitt. Sehr gelungen! Sehr gern gelesen! LG, eKy
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen. Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen! Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind. Dummheit und Demut befreunden sich selten. Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt. Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit. |
14.06.2014, 08:33 | #10 |
Kiwifrüchtchen
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Beiträge: 945
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Hallo Narvik,
ein sehr berührender Text, wunderbar sanft und poesievoll geschrieben. Ich liebe gelungene Enjambements und hier komme ich auf meine Kosten. Mit dem schwermütigen Inhalt versöhnt die letzte Zeile. Den geliebten Menschen für immer im Herzen tragen. Niemand kann ihn dort herausreissen und es liegt am Hüter, ob er die Türe jemals wieder öffnen möchte, sodass jemand dort eintreten und vllt Platz nehmen kann. Sehr gerne gelesen und darüber nachgedacht. Ein angenehmes WE wünscht und lG schickt Lailany
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.................................................. ........................................... "Manchmal ist es so demütigend, ein Mensch sein zu müssen..." Erich Kykal |
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