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Alt 31.12.2013, 16:01   #1
Erich Kykal
TENEBRAE
 
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Standard ER und ICH

Eine Momentaufnahme, eine Mutmaßung, ein Verdacht.

Im Tankstellenshop steht ER hinter der Kasse, so als hätte er nichts anderes mehr zu tun. Sein ausgebeinter Ehrgeiz klebt überall ringsum an den Wänden, rinnt verwesend, sich zersetzend hinab hinter die Regale mit den überteuerten Süßigkeiten und abgelaufenen Zeitschriften, die nur so aussehen, als enthielten sie Interessantes.
Da steht er nun mit seinem leeren Blick, der in nebligen Fernen einer abgebrochenen Vergangenheit nach Rechtfertigung stochert wie die Hände ertrinkender Matrosen, halb schicksalsergeben schon und entrückt im Eismeer treibend, aber immer noch lose zappelnd und zuckend, als hoffte ein allerletzter Funken Gehirntätigkeit noch auf Rettung in letzter Sekunde vor einem endgültigen Geschick.
Er fragt verloren, ob man eine Bonuskarte wolle, und es klingt tatsächlich ein wenig nach: "Hilfe, ich habe noch Träume - holt mich hier raus!", aber nicht sehr. Das meiste davon riecht nur noch streng nach verpassten Gelegenheiten und vertanen Chancen. Das hier ist sein Leben. Das ist alles, was geblieben ist von den hochherzigen Hoffnungen und edlen wie gierigen Zielen: Eine Endstation mit schmierigen Händen und eiskalten Zehenspitzen. Eine Abstellkammer des Schicksals, aus der heraus er die Welt auch noch freundlich anlächeln und höflich bedienen soll. Und was kommt danach?
Er redet sich seit Jahren ein, dass das keine Rolle mehr spielt, und je älter und unansehnlicher er wird, desto erfolgreicher scheint er darin zu sein. Er ordnet die verstaubten Zeitschriften, dreht die Etiketten der ungekühlten Bierdosen nach vorne und möchte daran glauben, dass er es eigentlich gut hat. Es gelingt ihm nicht wirklich.
Ich sehe ihn nur an und frage mich frierend: An welcher Art Tankstelle arbeite ICH wohl...?
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Weis heiter zieht diese Elend Erle Ute - aber Liebe allein lässt sie wachsen.
Wer Gebete spricht, glaubt an Götter - wer aber Gedichte schreibt, glaubt an Menschen!
Ein HAIKU ist ein Medium für alle, die mit langen Sätzen überfordert sind.
Dummheit und Demut befreunden sich selten.

Die Verbrennung von Vordenkern findet auf dem Gescheiterhaufen statt.
Hybris ist ein Symptom der eigenen Begrenztheit.

Geändert von Erich Kykal (06.07.2015 um 00:27 Uhr)
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Alt 16.01.2014, 13:28   #2
Falderwald
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Servus Erich,

DU in der Prosaecke? Es geschehen noch Zeichen und Wunder...

Vorab: Was hast du gegen Tankstellen?
Ist doch ein ehrenwerter Beruf, dort zu arbeiten Du knöpfst den Leuten zu überteuerten Preisen für die verschiedensten Dinge, die sie eigentlich gar nicht brauchen, Geld ab und kannst dich über alle Doofen freuen, die trotz Ölkonzernverarsche fröhlich immer wieder tanken kommen und alle Spritpreise so hinnehmen, wie sie eben ausfallen.

Nun gut, die Tankestelle ist hier ja lediglich eine Metapher, ebenso hätte es der Supermarkt, die Fließbandproduktion oder jede andere Arbeitsstätte sein können.
Wirklich jede andere Arbeitsstätte?
Ist wirklich jeder (in Arbeit Befindliche) auf seiner Tankestelle eingesperrt?

Ich komme bei dem vorliegenden Text nicht so ganz klar mit der dort transportierten Allgemeingültigkeit, die uns quasi der letzte Satz vermitteln soll. So kommt es zumindest bei mir an.

Ich glaube aber, dass nicht jeder unglücklich, ausgebrannt oder ohne Ergeiz ist, der seinen Job an "seiner" Tankestelle macht.

Viele Leute wären froh, hätten sie überhaupt eine Arbeitsstelle und andere widerum sind sogar mit der ihren noch zufrieden, wofür es die unterschiedlichsten Gründe geben mag.

Ganz so pauschal kann man das m. M. n. nicht betrachten, wie es der Protagonist in dieser Geschichte tut.

Er scheint nämlich selbst ein Problem mit seiner Existenz zu haben und so erscheint ihm die Welt und alle darin vorkommenden Personen in einer ebensolchen Lage zu stecken.
Ich halte das für vermessen und es entbehrt nicht einer gewissen Arroganz, das Schicksal eines anderen Menschen nach den eigenen Maßstäben zu beurteilen.

Natürlich darf jeder behaupten, dass dieser oder jener Job nicht das Richtige für ihn sei. Dafür gibt es vielerlei Gründe, aber trotzdem brauchen wir Menschen, die auch solche Dinge erledigen, ohne dass die anderen von oben auf ihn herabsehen.
Sonst müssen wir unseren Müll nämlich selbst entsorgen und das verstopfte Klo eigenhändig von festsitzenden Stoffwechselprodukten befreien.

Irgendwie komme ich also mit dieser Geschichte nicht ganz zurecht, den wie schon o. a., wird hier irgendwie ein Urteil gefällt:

"Das meiste davon riecht nur noch streng nach verpassten Gelegenheiten und vertanen Chancen."
"Das hier ist sein Leben."
"Das ist alles, was geblieben ist..."

Woher willst du das wissen?
Woraus schließt man so etwas?

Das ist mir nicht ganz klar.


Trotzdem gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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Alt 16.01.2014, 16:54   #3
Erich Kykal
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HI, Faldi!

Dein erster und gravierender Denkfehler ist hier, dass du mir unterstellst, am Ende eine Art "Allgemeingültigkeit" aussagen zu wollen. Mitnichten! Es ist dies lediglich eine gedankliche Momentaufnahme, die nur für mich, das LyrIch, von Belang ist und sich auch am Ende nur auf mich bezieht.

Nirgendwo wird ausgesagt, ALLE müssten so ausgebrannt sein wie hier offenbar das LyrIch, dass derlei aus seinem persönlichen Dunst heraus offensichtlich auch dem gelangweilten Tankstellenpersonal unterstellt.
Um ehrlich zu sein, diese Szene ist wirklich so passiert, als ich nach einem langen und aufreibenden Schultag mit vielen lästigen Klassen nach Hause fuhr und tanken musste. Da erschien mir dieser dröge Tankstellenfuzzi wie ein Abziehbild meines eigenen Lebens, des Scheiterns der eigenen Träume und Ideen.
Auch ich als Lehrer muss immer verständnisvoll, höflich und nett bleiben, wie der Typ dort mir gegenüber, egal, wie ich mich als Kunde aufführe. Die Karrierechancen verteilen sich in etwa auch gleich. Ich beklage mich letztlich nicht über meinen Mangel an Ehrgeiz, ebensowenig wie der Tankstellentyp - zumindest wollte ich es in diesem Moment so betrachten.
Ich fühlte damals eben bloß eine gewisse innere Verbundenheit mit der Leere in seinen Augen.

Mehr ist nicht dahinter.

LG, eKy
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Alt 16.01.2014, 17:41   #4
Falderwald
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Servus Erich,

ich weiß nicht, ob es einen Denkfehler darstellt, wenn der Leser eine Geschichte erst einmal als rein fiktiv ansieht und dem Autor kein persönliches Erlebnis dabei unterstellt (Die Tankstelle hatte ich als Metapher und nicht wortwörtlich angenommen).
Somit wäre es ja auch eine Erzählung, quasi eine Nacherzählung eines tatsächlichen geschehenen Ereignisses.

Aber woraus geht das in dieser Geschichte hervor?

So wie du es darstellst, nehme ich es gerne als Selbstreflexion an, das ist schon klar, und ehrlich gesagt, hatte ich mir das auch schon gedacht.

Mein etwas kritisch betrachtender Beitrag erfolgte deshalb, weil diese Geschichte eben durch das Fehlen bestimmter Hinweise eindeutig geradezu eine Missinterpretation herausfordert.

Du schreibst:

Zitat:
Es ist dies lediglich eine gedankliche Momentaufnahme, die nur für mich, das LyrIch, von Belang ist und sich auch am Ende nur auf mich bezieht.
Das akzeptiere ich, aber das geht aus dem Kontext nicht hervor.
Dort steht lediglich die Beobachtung und die daraus resultierenden Schlussfolgerungen.
Und am Ende spiegelt sich das nur insofern, dass der Protagonist quasi unterstellt, der Tankestellenmitarbeiter hat genau so ein Schicksal hinter bzw. vor sich.
So könnte es natürlich sein, mein Einwand bezog sich allerdings darauf, dass hier eine Beurteilung vorliegt, die eine Möglichkeit darstellt, aber nicht unbedingt den Tatsachen entsprechen muss.
Das meinte ich auch mit der Arroganz. Und diese Arroganz ist nicht persönlich zu nehmen, sondern als rein menschliche Arroganz zu betrachten, weil wir eben alle nur nach subjektiven Gesichtspunkten urteilen.

Nachdem wir das Inhaltliche jetzt erörtert haben, muss also die Kritik hier lauten, dass es in dieser Geschichte dem unbedarften Leser an Hinweisen mangelt, es fehlt etwas, denn die wahre Intention des Autors geht aus ihr alleine nicht hervor. Dazu bedurfte es deiner Erklärung.


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Geändert von Falderwald (16.01.2014 um 19:24 Uhr) Grund: Fehlerteufel korrigiert
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Alt 17.01.2014, 12:19   #5
Chavali
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Hi Erich,

kann es sein, dass ich zum ersten Mal Prosa von dir lese?
Mir scheint, der Ausflug ist dir recht gut gelungen, denn im Gegensatz zu Faldi
finde ich es legitim,
Spekulationen und Mutmaßungen anzustellen und Vergleiche zu ziehen.

Das ist hier eine Geschichte - wenn sie auch auf Tatsachen beruht, wie du schreibst -
in der man etwas hinzufügen oder weglassen kann.
Schließlich soll der Text ja kein journalistischer Bericht sein - wobei man sich auch dabei nicht immer auf
sachliche Tatsachen verlassen kann

Also:
Mir gefällt dieser Mischmasch aus Beobachtung und melancholischer und enttäuschter,
ja geradezu wütender Reflexion.
Ich finde nicht, dass es dazu einer Erklärung bedarf.
Der Leser mag sich selbst darin wiedererkennen oder auch nicht.
Er mag es verstehen oder den Kopf schütteln.

Auf alle Fälle vergnüglich zu lesen!

Lieben Gruß,
Chavali

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Alt 17.01.2014, 12:53   #6
Erich Kykal
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Hi, Chavi!

Allerliebst, dein schmusiges Grußkätzchen! Da möchte man nur noch knuddeln und knuddeln...

Vielen Dank für deine diverse Sicht der Dinge. So sehe ich es auch, aber Faldi zuliebe habe ich oben eine Art Untertitel eingefügt - für die reglementierenderen Gemüter...

LG, eKy
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Geändert von Erich Kykal (17.01.2014 um 12:57 Uhr)
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Alt 17.01.2014, 20:29   #7
Falderwald
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Servus Erich,

so ist brav...

Liebe Grüße

Falderwald
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Alt 17.01.2014, 23:08   #8
Erich Kykal
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Scherzkeks!
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Alt 18.01.2014, 11:33   #9
Chavali
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Hi Erich,

jetzt muss ich aber schmunzeln:
Zitat:
[...]aber Faldi zuliebe habe ich oben eine Art Untertitel eingefügt [...]

Ich denke, das wär nicht nötig gewesen - nimmt der Story ihren Reiz und ihre Spannung.

Euer kleines Geplänkel ist SPAM

Lieben Gruß aus Frühlingsbrücken!
Chavali mit 2 neuen Miezekatzen (siehe Album ) ist erstmal nur der Kater

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Alt 18.01.2014, 13:51   #10
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