Thema: Himmelslauf
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Alt 01.06.2016, 20:21   #6
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Moin Nachteule,

Die Idee gefällt mir ausgesprochen gut, die Umsetzung weniger.

Zwar sind alle inhaltlichen und formalen Vorgaben vorbildlich eingehalten worden, doch die bisher vorgebrachten Kritikpunkte an der sprachlichen Umsetzung kann ich nur vorbehaltlos bestätigen.

In Z1 wird die Sonne beschrieben, was sie vermag, wie die Menschen sie empfinden und ihre Wirkung auf die Erde. Das gefällt mir.

In Z2 wird ihr der Mond gegenübergestellt, seine Eigenschaften als indirekte Lichtquelle dargestellt und dessen Wirkung beschrieben, zudem ist er als steter Begleiter der Erde unterwegs. Das weiß auch zu gefallen.

In Z3 treffen sie sich zwei mal täglich am Himmelszelt und erzeugen blaue Stunden, wenn sie sich um den Erdball jagen?
Ich denke, die Sonne erzeugt die blauen Stunden ganz allein und braucht dafür den Mond nicht, denn die blauen Stunden fallen nicht zwangsläufig auf ein Treffen der beiden Himmelskörper am Firmament.
Außerdem ist die Sicht, dass sie sich um den Erdball jagen eine ziemlich schlichte Betrachtungsweise, denn eigentlich jagt nur der Mond um den Erdball im eigentlichen Sinne.

In Z4 schließlich wird ein Fazit gezogen, zumindest so, wie es auf den Betrachter wirkt. Die beiden Himmelskörper verbindet nichts (Sichtbares), weil sie frei über das Firmament schweben. Die nächsten beiden Zeilen allerdings scheinen Rätsel aufzugeben, doch irgendwas muss sich der Autor ja wohl dabei gedacht haben.
Aus den Worten alleine werde ich als Leser nicht schlau, ich kann nur eine gewagte Interpretation versuchen: Es geht bei den Ehrenrunden um die Konstellation der Bahnen dieser beiden Himmelskörper, die zu einer Sonnenfinsternis führen. Und wenn der Mond sich langsam vor die Sonnenscheibe schiebt, so sieht es aus, als ob er an ihr nagt.
Das „nagende“ Bild an sich gefällt mir allerdings nicht besonders, da er eben an ihr nagt und nicht die Sonne nagt, das ist sehr unglücklich formuliert.

Soweit, so gut.

Die „goldnen Wärmestrahlen“ in S1/Z2 lasse ich im Gedicht noch gerne durchgehen, (M. Claudius „Das Abendlied“ ...die goldnen Sternlein prangen) aber mich wundert es, dass der krasseste Fehler noch niemandem aufgefallen ist, denn in Z1/S4 stirbt der Planet den Akkusativtod, denn der lautet: den (blauesten) Planeten. Und wieso „blauesten“?
Gibt es noch andere blauen Planeten und sind die weniger blau? Weiß man das wirklich?

Ich frage mich, welche glänzenden Opale in S2/Z3 gemeint sind, da ja von den glänzenden Opalen die Rede ist. Das erschließt sich nicht.
Zudem kann nicht die Rede davon sein, dass der Mond uns umkreist, sondern vielmehr die Erde. Das hat er nämlich schon getan, als wir noch gar nicht da waren und wird es vorrausichtlich auch noch machen, wenn wir gar nicht mehr da sind.

„Eine blaue Stunden“ im ersten Terzett geht wirklich nicht und dass die beiden das nicht gemeinsam beim Händereichen erzeugen, habe ich schon weiter oben erläutert.
Diese Strophe müsste noch einmal komplett überarbeitet werden.

Das zweite Terzett ist, wie schon erwähnt, nicht sehr stringent und verständlich formuliert und weist in der letzten Zeile erhebliche sprachliche Mängel auf, zumindest als Abschluss für einen lyrischen Text.

Ich denke, da solltest du alles in allem noch einmal ran.

Ein paar Vorschläge kann ich hier lassen:

Die Sonne scheint, erhellt den Tag beständig
Und schenkt uns ihre goldnen Wärmestrahlen,
In denen wir uns sommers gerne aalen.
Sie hält den blauen Wandelstern lebendig.

Der Mond erleuchtet zwar nicht eigenständig,
Doch kann er silberblau die Nacht bemalen,
Umrandet wie von glänzenden Opalen.
Getreu umkreist er den Planeten wendig.

Sie reichen zwei Mal täglich sich die Hände
Zum Farbenwechselspiel der blauen Stunde,
Wenn sie sich um den ganzen Erdball jagen.

Es wirkt, als ob die beiden nichts verbände,
Doch drehen sie auch manche Ehrenrunde.
Dann scheint der Mond die Sonne anzunagen.


In diesem Sinne gern gelesen und kommentiert und hoffentlich dieses Mal genug Beilage zum Senf hinterlassen...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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