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Alt 12.12.2011, 17:48   #9
Carlino
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Registriert seit: 04.03.2009
Beiträge: 357
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Liebe Stimme,

eine mögliche Variante Deines großartigen Werkes, das mich stark beschäftigt hat, stelle ich hier ein:


Thalassophobia

Die Sonne scheint und verbrennt mir die Haut
bevor Regen fällt, sie zu heilen.

Ich hab meine Burg bloß aus Sand gebaut,
sie sinnend mir dann angeschaut
wollt’ so eine zeitlang verweilen,
doch wieder kam des Meeres Flut
und zwang mich zu enteilen,
die Wellen brachen jeden Mut.

Des Meeres Gewalt
entzog mir den Halt.

Mein Bauwerk bestand nur aus Sand,
der Sand hielt den Wellen nicht stand.


Am Horizont dort ein kleines Schiff,
viel zu klein, ich seh´s noch nicht klar,
jetzt kommt es näher – Achtung, ein Riff!
Schau hin wie es sinkt, jetzt wird´s klar

ich sehe Gestalten, die hilflos versinken,
doch niemand kann helfen, was hilft da das Winken
der Sog ist zu groß und die Wogen zu mächtig,
das macht mir das Brüllen des Meers so verdächtig.

Ach hätt ich das Schwimmen beizeiten erlernt!

Die Gestalten, dort draußen, so weit noch entfernt
Selbst wenn ich verstünde zu schwimmen, würd´s helfen
Wenn ich mit ihnen im Tiefen ertränke
im Meer selbst auf halber Strecke versänke?

Nichts.
Nichts käme ins Lot.
Alle wär’n tot.


Mensch, du bist ein Narr!
Niemand muss ertrinken,
niemand muss versinken,
niemand Abschied winken,
nicht in meinen Weiten,
nicht zu allen Zeiten,
hör doch einmal her:
Ich bin nur das Meer!
Hör auf meine Stimme,
schwimme!
Steh nicht einfach da, steh nicht stumm und starr!

Du wirst, dort am Ufer, die Klarheit nicht finden,
wirst weder die Weisheit noch Wahrheit ergründen.

Reite auf den Wellen,
lass dich einfach tragen,
tauche an den Stellen,
die es zu dir sagen,
treibe in der Weite,
denn im Auf und Nieder
und auf jeder Seite
findest du dich wieder,
wirst du neu geboren,
in den fernen Tiefen
gehst du nicht verloren!
Wünsche, die nur schliefen,
warten auf Erweckung,
Träume, die vergingen,
warten auf Entdeckung,
Stimmen, die erklingen,
singen dir: Nur Mut,
alles, alles wird jetzt wieder gut!

Denn ich bin in dir
und du bist in mir.

Hast du die Weiten des Meeres erwählt,
erkenne: Es ist nicht der Sand, der hier zählt.

Ich sitze am Ufer und blicke aufs Meer,
es scheint mir so weit und die Weite so leer,
ich sitze am Ufer und bleibe am Strand

und bau mir erneut eine Burg nur aus Sand.

Liebe Grüße von Carlino, der besonders das nächliche Schwappen des ruhigen Sommermeeres mag und sich am liebsten immer am Meer aufhielte
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