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Alt 03.04.2011, 21:18   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo Stimme der Zeit,

das ist ein wortgewaltiger Text, der mich sehr anspricht, doch fangen wir vorne an.

Hochinteressant ist schon der Titel, der als unvollendeter Satz in den Schlussversen mündet. So etwas nenne ich mal eine Innovation, denn bisher kannte ich das noch nicht. Eine ausgezeichnete Idee.

Wir existieren in einer schnelllebigen Zeit dank der modernen Massenmedien und da ist es beileibe nicht leicht, den Überblick zu behalten.
Die Eindrücke stürmen von allen Seiten auf das Individuum ein und es sind nicht die natürlichen, sondern die künstlich geschaffenen Dinge, welche die Aufmerksamkeit auf sich lenken und letztendlich für Verwirrung sorgen.

Früher nannte man es Inferno, wie wahr, doch da heute niemand mehr an den "feurigen Pfuhl" glaubt, schaffen wir uns die Hölle eben selbst.
Viele Verlockungen liegen auf dem Weg, jeder verspricht jedem das einzig wahre Heil und die Auswahl ist so groß, daß es schwer fällt, sich zu entscheiden und einen eigenen Pfad einzuschlagen.
Dies umso mehr, als daß die heutigen Medien doch sehr manipulierend auftreten. Jeder weiß das, doch kaum jemand kann diesen vorgefertigten Meinungen auf die Dauer entrinnen, was ja auch viel leichter und bequemer vonstatten geht, so daß letztendlich der wahre Sinn des Lebens dabei verlorengeht. (Wobei die Frage erlaubt sei, ob es wirklich einen Sinn gibt?)

Einen solchen werden wir auch wohl allgemein niemals definieren können, das kann jeder nur für sich selbst entscheiden und zwar aus seiner eigenen Lebensanschauung heraus.
Niemand wird einem den persönlichen Weg weisen können und die ganze Hektik des Alltags mit seinen Ablenkungen sorgt dafür, daß sich manch einer verirren wird und sich selbst nicht zu definieren weiß, vor allem, da die natürlichen Dinge weiterhin ebenfalls ihren Lauf nehmen.
Menschen kommen und gehen, doch die Menschheit entfernt sich immer weiter von ihrem Ursprung.

Besonders gefallen hat mir die vierte Strophe, die sehr imponierend ist und die Zustände der modernen Welt bildlich darstellt.
Der Riese Argos ist eine tolle Metapher, ebenso die tausend blinden Scheiben, hinter denen sich alles abspielt, die alles mitbekommen und doch nichts sehen, was außen vor sich geht.

Allerdings findet sich in dieser Strophe auch die einzig auffallende Metrikunebenheit, nämlich die "Betondämpfe", die nicht in den dort vorkommenden Jambus passen wollen.
Betondämpfe = xXxx. Dieser Begriff wäre also daktylisch zu verwenden.

Zitat:
Früher, da nannte man es Inferno. Wir ...

... betraten diesen Ort.
Was wollten wir bewahren?
Die Hoffnung, sie ist fort.
Wann ließen wir sie fahren?
Das scheint mir die Kernfrage zu sein: Was wollten wir bewahren?

Ich glaube, das Problem liegt im Menschsein an sich. Mit der Entwicklung des Intellekts, der es erlaubte, abstrakte Gedanken zu entwickeln und dem Individuum den eigenen Tod bewusst machte, begann ein auf dieser Welt noch nie dagewesener Egoismus, der alles bisher Dagewesene in den Schatten stellte.
Kein Ideal, kein Dogma und somit auch keine der unzähligen früheren und heutigen Religionen war und ist in der Lage, diese Hoffnung aufrecht zu erhalten.
Die Hoffnung schwand mit ihrem Bewusstwerden und dem Rückgang der Instinkte zugunsten des Intellekts.
Ein Tier lebt nur in der Gegenwart und ist sich somit als ewig bewusst.

Nur der Mensch kann in die Vergangenheit zurück- und in die Zukunft ausblicken.
Und damit schwinden auch alle Hoffnungen, wenn man es genau betrachtet.


Ein sehr tiefsinniger Text, der mich nachdenklich machte und mit dem ich mich gerne auseinandergesetzt habe, obwohl ich selbst eine eigene Anschauung besitze, die jedoch nicht verallgemeinert werden kann.


In diesem Sinne gerne gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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