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Alt 04.01.2014, 09:29   #31
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Registriert seit: 07.02.2009
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Hallo Schamansky,

die grammatischen Ausführungen sind sehr überzeugend und lassen keinen Widerspruch zu.

Jedoch möchte ich anmerken, dass es sich m. E. bei Morgenrot oder Abendrot keinesfalls um ein Ziel oder eine Richtung handelt, sondern wohl eher um einen Zustand (die rötliche Färbung des westlichen Himmels) oder meinetwegen eine Zeitangabe (die abendliche Färbung des w. H.).

Natürlich kann sich ein Beobachter in Richtung Abendrot bewegen, auch ein Vogel kann in Richtung Abendrot fliegen (also in westliche Richtung bei Abendrot).
Dass der Tag aber in Richtung Abendrot verglimmen können soll, erscheint mir sehr weit hergeholt.

Zitat:
Etwas sinkt in Vergessenheit. (Richtung, Resultat)
Resultat ja, aber Richtung? Ist Vergessenheit wirklich eine Richtungsangabe?
Könnte man hier nicht auch sagen: Etwas sinkt in die Vergessenheit?

Zitat:
Es geht in die Geschichte ein. (Richtung)
Akzeptiert. Kann man dann auch sagen: Es geht in Geschichte ein?

Zitat:
Etwas verbrennt in einen Haufen Asche. (Resultat einer Transformation)
Hm ja, aber schlechtes Deutsch (zu einem Haufen Asche). Aber kann man das übertragen und sagen: Etwas verbrennt in Haufen Asche?

Zitat:
Etwas mutiert in ein ekliges Schleimmonster. (Resultat einer Transformation)
Meinetwegen (schlechtes Deutsch s.o.). Aber: Etwas mutiert in ekliges Schleimmonster?

Zitat:
Etwas vergammelt in einen übelriechenden Haufen. (Resultat einer Transformation)
Ok (schlechtes Deutsch s.o.): Etwas vergammelt in übelriechenden Haufen?

Zitat:
Etwas erstarrt in eine teuflische Fratze. (Resultat einer Transformation)
Na ja (ebenso schlechtes Deutsch s. o.): Etwas erstarrt in teuflische Fratze?

Bei fast all diesen Beispielen ist ein bestimmter oder unbestimmter Artikel notwendig, bzw. kann beim ersten Exempel eingesetzt werden.

Wie sieht das denn bei dem kritisierten Satz nun aus?

"Der Tag verglimmt in Abendrot"

Kann man hier auch sagen: Der Tag verglimmt in ein Abendrot?

Und wenn das so nicht möglich ist, warum sollte der Ausgangsatz dann richtig sein?


Etwas kann durchaus in Vergessenheit sinken. In wen oder was sinkt etwas? In Vergessenheit.
Es kann in die Geschichte eingehen. In wen oder was geht es ein? In die Geschichte.
usw.

Der Tag kann sich meinetwegen gerne in (ein) Abendrot verwandeln, aber das Verglimmen ist keine Verwandlung im eigentlichen Sinne, sondern ein (physikalischer) Vorgang, der über die ganze Zeit des Abendrots anhält und dessen Endzustand (wie bei allen angeführten Beispielen) nicht das Abendrot selbst ist. Das Abendrot ist also lediglich ein Begleitzustand des Verglimmens.
(Ist das Verglimmen vorüber, ist auch das Abendrot vorüber

Aber nehmen wir einmal an, der Tag könne in Abendrot verglimmen.

Dann kann der Tag auch in Abendrot vergammeln.
Er kann in Abendrot mutieren.
Er kann in Abendrot eigentlich alles machen.

Und wenn der Tag in Abendrot ist, dann befindet er sich in einem Zustand des Abendrots, also im Abendrot.

Und in diesem Zustand, kann er dann meinetwegen alles gerne machen.

So sehe ich das.

Vielleicht ist das grammatisch ja alles durchaus möglich und erlaubt, aber dann ist es m. E. ganz schlechtes Deutsch (wie die z. T. o. a. Beispiele) und damit sicherlich keine schöne Poesie im eigentlichen Sinne mehr.


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


Edit:

Das lässt mir keine Ruhe.

Das Abendrot ist ein Substantiv.

Liege ich damit richtig?


Zitat:
Kasuslehre ist mehr als korrekte Flektion oder Subjekt/Obkjekt. Der Akkusativ ist der Richtungskasus, er bezeichnet Ziel und Richtung auch einer intransitiven Handlung sowie die Richtung oder das Resultat einer Transformation.
Wenn dies eine unumstößliche Regel ist, müsste sie in allen äquivalenten Sätzen Gültigkeit besitzen.

Wir ersetzen den Begriff "Tag" durch den Begriff "Blume", das Verb "verglimmen" durch "verblühen" und das Substantiv "Abendrot" durch "Blüte" (wobei "Blüte" die Richtung bzw. das Resultat einer Transformation darstellen soll.)

Die Blume verblüht in Blüte. (Die Blume ist nicht gleich die Blüte, die Handlung ist intransitiv)

...doch ist auch sie in Blüte verblüht...

Das müsste dementsprechend richtig sein.

Weitere Beispiele:

Der Ton verklingt in Schall. (Der Ton ist nicht gleich der Schall, die Handlung ist intransitiv)

...doch ist auch er in Schall verklungen...

Der Mensch verstirbt in Alter. (s.o.)

...doch ist auch er in Alter verstorben...

Das Leben endet in Tod. (s.o.)

...doch ist auch es in Tod geendet...

Der Strom mündet in Meer. (s.o.)

...doch ist auch er in Meer gemündet...

usw.

???

Zitat:
Aber andere Präpositionen, darunter "in", lassen durchaus die Wahlfreiheit zwischen Dativ und Akkusativ und somit der Akzentuierung von Ort bzw. Richtung/Ziel/Resultat.
Tja, wenn meine o.a. Beispiele alle richtig sind, dann habe ich das jetzt verstanden und muss meine Deutschkenntnisse wohl von Grund auf erneuern.

Und ich hoffe sehr, dass ich mich nicht in Ton vergriffen habe.
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)




Geändert von Falderwald (04.01.2014 um 12:55 Uhr) Grund: Nachtrag
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