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Alt 28.09.2015, 18:51   #3
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Moin wolo,

ich weiß nicht, ob alternierende Metren wissenschaftlich eindeutig erklärbar und begründbar sind.
Es handelt sich dabei doch eigentlich nur um spezielle Rhythmen aus betonten und unbetonten Silben. Daraus ergeben sich mehrere theoretische Metrikkonstrukte, u. a. der hier angesprochene Jambus.
Je nach Region und Mundart können die Silbenbetonungen unterschiedlich ausfallen und schon ist die ganze schöne Theorie dahin.
(Ich persönlich habe mir angewöhnt, den Duden im Zweifelsfall als Referenz heranzuziehen.)
Darüber hinaus habe ich mich vor einigen Jahren sehr intensiv mit der theoretischen Technik beschäftigt und einige Dinge dabei für mich gelernt, mit denen ich bisher relativ gut gefahren bin.
In allen regelmäßigen Metrikkonstrukten kommen weder drei unbetonte Silben noch zwei gleichmäßig stark betonte hintereinander vor.
Geschieht dies eindeutig doch, dann ist die Metrik nicht mehr regelmäßig und das ist eine Abweichung.
Nur ist es im natürlichen Sprachgebrauch so, dass bei drei hintereinander stehenden unbetonten Silben die in der Mitte liegende leicht angehoben wird, so dass man sich diesen Trick, diese kleine Schlamperei, durchaus einmal in einem ansonst regelmäßigen Jambus zunutze machen darf.
Das las ich so oft, denn das haben die Alten auch gemacht.
Und so geht es auch mit zwei betonten Silben. Die zweite davon ist meist schwächer zu betonen.
Bei einem eindeutigen "Hebungsprall" ist wieder eine Abweichung gegeben und die Regelmäßigkeit dahin.

Nehmen wir uns mal den Beispieltext nach dem obigen Schema vor, so wie ich ihn metrisch interpretieren würde:

Da hatt ich einen Kerl zu Gast,
xXxXxXxX
Der war mir eben nicht zur Last;
xXxXxXxX
Ich hatt just mein gewöhnlich Essen,
xXxXxXxXx (mit viel Augenzudrücken)
Hat sich der Kerl plumpsatt gefressen,
XxxXxXxXx
Zum Nachttisch, was ich gespeichert hatt.
xXx,xXxXxX
Und kaum ist mir der Kerl so satt,
xXxXxXxX
Tut ihn der Teufel zum Nachbar führen,
XxxXxxXxXx
Über mein Essen zu räsonieren:
XxxXxxXxXx
»Die Supp hätt können gewürzter sein,
xXxXxxXxX
Der Braten brauner, firner der Wein.«
xXxXx,XxxX
Der Tausendsackerment!
xXxXxX
Schlagt ihn tot, den Hund! Es ist ein Rezensent.
XxXxX! xXxXxX

Prinzipiell liest es sich wunderbar, wenn man das Schema einmal raushat.
Aber wie man sieht, ist dies eindeutig kein regelmäßig jambischer Text.

Und das ist eben oft die strittige Frage.
Wenn der Autor ein metrisch einheitliches Gewand wählt, dann wird er darauf achten müssen, das so etwas wie in diesem Text nicht vorkommt.
Legt er darauf keinen Wert und "redet", wie ihm der Schnabel gewachsen ist, kommt so etwas dabei heraus und das kann seinen ganz eigenen Charme besitzen, wie man an diesem Beispiel gut erkennen kann.

Zitat:
Zitat von wolo
Nun frage ich euch: Ist das folgende Werk noch zu retten? Was soll ich tun,...
Tja, was kannst du da machen?
Wahrscheinlich hilft da nur intensives Beten und auf ein Wunder zu hoffen, dass der olle JWG ein "posthumanes" Einsehen mit deinem strapazierten Jambusgefühl hat und dir per Geistesblitz eine diesbezüglich überarbeitete Version zukommen lässt.

Lassen wir es so, wie es ist. Es ist gut so.


Liebe Grüße

Falderwald


Servus Erich,

du hast das zwar vollkommen korrekt umgesetzt, aber glaube mir, das besitzt in dieser Version den Charme eines erdrosselten Eichhörnchens. Da würden JWG und wohl auch RMR sich im Grabe rumdrehen.


Liebe Grüße

Falderwald


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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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