Thema: Der Rabe
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Alt 06.03.2012, 19:22   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Hallo Thomas,

ich bin beeindruckt und du hast es geschafft, daß ich mir jetzt wirklich hier alles durchgelesen habe und das ist ja schon eine ganze Menge Stoff...

"The Raven" war mir bekannt, wenn auch nicht als Text, so wusste ich doch, daß es von E. A. Poe ist, denn selbstverständlich bin ich im Besitz der Platte "Tales Of Mistery And Imagination - Edgar Allan Poe" von "The Alan Parsons Project" aus dem Jahre 1976.
Ich wusste aber nicht, daß es sich bei "The Raven" um ein Gedicht handelt, ich dachte, es sei eine Geschichte.
Umso angenehmer war ich überrascht, diese "Geschichte" hier nun als Gedicht vorzufinden und das auch noch in einer so gekonnten Übersetzung.

Das ist eine wunderschöne und tieftraurige Ballade, die aber in jeder Strophe zu überzeugen weiß und faszinierend im Bann hält.

Ich persönlich finde es auch nicht tragisch, das "nevermore" in der Originalsprache beizubehalten, es hat sogar etwas Besonderes und Geheimnisvolles.
Und natürlich habe ich immer den Refrain des gleichnamigen Liedes dabei im Ohr. Dort hieß es: Thus quoth the raven, nevermore

Darf ich ein paar Anmerkungen zu deinem Text hierlassen?

Mitternacht war längst vorüber, als ich müde grübelnd über
Einem Buch studierend saß und längst vergess‘ne Lehren las –
Schläfrig wurde mir im Kopfe, plötzlich dachte ich es klopfe,
Als ob jemand leise pochte, pochte an des Hauses Tor.
'Ein Besucher', sprach ich murmelnd, 'ein Besucher vor dem Tor?'
Etwas seltsam kam mir‘s vor. ("Etwas seltsam kam's mir vor.")

O, ich kann mich klar entsinnen an den trostlos, öden Winter.
Jede Glut wob im verglimmen ihren Geist im Boden ein. (im Verglimmen)
Sehnlich wartend auf den Morgen, suchte Linderung von Sorgen
Ich durch lesen zu erborgen, von den Sorgen um Lenor –
Dieses reine, holde Mädchen nennen Engel nun Lenor –
Engel, den ich hier verlor.

Und das seidensachte Schwanken meines Purpurvorhangs plagte,
Jagte rasend mich mit Ängsten, Ängsten nie gekannt zuvor.
Ich erhob mich, um mein schlagend Herz zu stillen, nochmals sagend:
'Einlass fordert ein Besucher, spät noch, vor des Hauses Tor –
Was erklärte sonst das Pochen, spät noch, vor des Hauses Tor?
Ein Besucher steht davor!'

Meine Seelenkräfte wuchsen. Und ich konnte eilig rufen:
'Dame oder Herr, ich bitte herzlich um Entschuldigung.
Ihr habt schlafend mich getroffen und so leise war das Pochen,
Ein verschwindend leises Pochen hörte ich an meinem Tor,
Schwach nur, aus der Ferne klingend.' – und ich öffnete das Tor.
Dunkle Leere fand ich vor.

Lange in das Dunkel starrend, stand ich bange, fragend harrend, (Komma nach "starrend")
Träumte Träume, die zu träumen keiner je gewagt zuvor.
Doch die Stille wollt' nicht weichen. Nirgends gab die Nacht ein Zeichen.
Nur ein Wort durchbrach das Schweigen, flüsternd klang das Wort 'Lenor?'
Antwort, leiser als zuvor, gab mein Echo mir 'Lenor?'
Stille war es, wie zuvor.

Meine wunde Seele brannte, als ich mich zur Kammer wandte.
Da vernahm ich das bekannte Pochen lauter als zuvor.
Sicher glaubt' ich zu erraten, kommt es von dem Fensterladen:
'Lass mich das Geheimnis sehen, dass mir seltsam täuscht das Ohr.
Rasend Herz, hör auf zu jagen, ein Geräusch nur täuscht das Ohr,
Schreckt dich schon der Wind, du Tor?'

Und ich öffnete den Laden. Flatternd und mit Flügelschlagen
Kam ein stattlich großer Rabe aus der Dunkelheit hervor.
Ohne Gruß und ohne Stocken sprang er, um sich hinzuhocken,
Auf die Büste an der Tür, schwang zur Büste sich empor.
Gravitätisch flügelschlagend schwang der Rabe sich empor.
Saß – und still war’s wie zuvor.

Und der schwarze Vogel machte, dass ich für mich selber lachte,
Sein gewichtiges Gebaren löste meiner Trauer Flor.
'Euer Helmbusch ist geschoren, dennoch scheint ihr hochgeboren.
Welch' plutonisch fernes Ufer, sagt mir, brachte Euch hervor?
Sagt mir eurer Lordschaft Namen, die sich in der Nacht verlor?'
Sprach der Rabe 'Nevermore'.

Staunend hörte ich ihn sprechen, eines Rabens Radebrechen.
Ohne Sinn sind ihm die Worte, doch er bringt sie klar hervor.
Sicher werden Sie gestehen, sprechend, einen schwarzen Raben
Stehn auf weißer Pallas-Büste, das sah nie ein Mensch zuvor,
Solche ein Biest, solche einen Raben, das sah nie ein Mensch zuvor, ("Solche" ? 2 x)
Mit dem Namen 'Nevermore'.

Doch der Rabe sprach alleine dieses Wörtchen, nur das eine,
Ganz als wäre seine Seele mit dem Worte ausgehaucht.
Keine Silbe von sich gebend, keine Feder mehr bewegend, (Komma nach "bewegend")
Saß er nun, bis ich gemurmelt: 'Andre Freunde floh’n zuvor,
Und auch ihn werd‘ ich verlieren, wie die Hoffnung ich verlor.'
Sprach der Rabe 'Nevermore'.

Als die Stille nun gebrochen, als so passend er gesprochen,
Sprach ich: 'Dieses Wort alleine – zweifellos sein ganzer Schatz –
Hat er dort wohl aufgelesen, wo sein Herr verfolgt gewesen
Von des Schicksals bösen Mächten. Als die Hoffnung er verlor
Und als Ausdruck der Verzweiflung dieses dunkle Wort erkor.
Dieses 'Never-nevermore''.

Mit verführerischer Fessel band der Rabe meine Seele.
Sachte rückte ich den Sessel Richtung Türe weiter vor,
Sank in samtne Kissen nieder, der Gedankenketten Glieder
Gaukelten mir immer wieder düst're Rabenbilder vor,
Bis mein Geist in dunkeln Kreisen bei der Frage sich verlor,
Was er meint, mit 'Nevermore'?

Brütend saß ich da und schweigend, nicht die kleinste Regung zeigend,
Als des Vogel Feuerauge tief sich in mein Herz gebohrt.
Suchend nach dem tiefsten Wissen, lehnte ich den Kopf ins Kissen,
In des Sessels samtnes Kissen, dessen purpurnes Dekor
Strahlte in der Lampe Schimmer. – Bei dem purpurnen Dekor
Sitzt sie nie mehr wie zuvor.

Dichter war die Luft und dichter. Lichter schienen und entschwanden,
wie wenn Weihrauchfässer schwingend, niedersinkt ein Engelchor.
'Kerl', rief ich, 'ob Gott ob Engel dich zu mir herniedersandte,
Gib mir Ruhe, gibt Befreiung vom Gedenken an Lenor! (ohne "t")
Gib die Droge des Vergessens für die Trauer um Lenor!'
Sprach der Rabe 'Nevermore'.


'Ein Prophet bist du ohn' Zweifel, Vogel bist du und ein Teufel.
Ob dich der Versucher sandte, ob der Sturm dich trug hervor,
In Verlassenheit zu stranden – meiner Seele Wüstenlanden –
Wo nur Schreckgespenster hausen, gieße Balsam mir ins Ohr!
Sag mir, gibt es Trost auf Erden? Trost für die, die ich verlor?'
Sprach der Rabe 'Nevermore'.

'Ein Prophet bist du ohn' Zweifel, Vogel bist du und ein Teufel.
Sage, ob in Himmels Weiten an des Paradieses Tor –
Bei dem Gott, zu dem wir beten! – sage, ob ich einst in Eden
Wiederfinde dieses Wesen, dessen Namen ist Lenor? (ohne "n")
Jemals finde dieses Wesen, dessen Name ist Lenor?'
Sprach der Rabe 'Nevermore'.

'Unhold geh, wir sind geschieden!' rief ich, 'Lasse mich in Frieden!
An plutonisch fernem Ort verglimme, wie ein Meteor!
Keine Feder lass hier liegen, geh mit deinen schwarzen Lügen!
Geh, verlass die Pallas-Büste, Nimm den Schatten mir vom Tor! ("nimm" klein)
Nimm den Schnabel aus dem Herzen, lass mein Herzen mir wie zuvor!' ("Herzen"?)
Sprach der Rabe 'Nevermore'.

Und der Rabe sitzt noch immer, ohne Regung, sitzt noch immer
Auf der Büste in dem Zimmer, die als Thorn er sich erkor. (Thron)
Um die Augen glüht im Dunkeln ein dämonenhaftes Funkeln.
Aus dem Boden rings im Zimmer tritt sein Schattenbild hervor.
Meine Seele hebt sich nimmer aus dem Rabenschwarz empor,
Hebt sich nimmermehr empor.

Also, wie schon gesagt, meine Hochachtung für diese Leistung, das ist ein ganz toller Text, der mich in seinen Bann gezogen hat.
Das hatte eine Würdigung verdient.


Gerne gelesen, auch drüber gelesen und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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