Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 09.06.2014, 16:36   #3
Falderwald
Lyrische Emotion
 
Benutzerbild von Falderwald
 
Registriert seit: 07.02.2009
Ort: Inselstadt Ratzeburg
Beiträge: 9.908
Standard

Servus Erich,

dieses "anstatt als" wollte ich unbedingt vermeiden, ich hatte eine ähnliche Version, die ich wieder verworfen habe. Hingegen klingt "posieren" tatsächlich schöner.
Was hältst du davon?

...ich stoße lieber selbst mich vom Podest,
anstatt in hoher Tugend zu posieren.

In Strophe 2 gibt es zum einen die Kavaliere.
Das sind die Leute, die sich an den Konventionen der Gesellschaft und dem Urteil der anderen orientieren. Auch Biedermänner, Kleinbürger oder Spießer genannt. Das sind wir alle auf unsere Art und Weise. Wir empfinden uns als charakterfest und bleiben uns selbst möglichst treu.

Zum anderen gibt es den Dichter (aus der 1. Strophe) und der will genau dasselbe Recht für sich in Anspruch nehmen und zwar in der Form, dass er eben kein edler Dichter sein will, der sich nur der schönen und romantischen Lyrik verschrieben hat und dass er sich den Teufel darum schert, was man von ihm erwartet. Seine Scham kennt keinen Anstandsrest, d.h. bei jedem ist irgendwann eine Grenze erreicht, bei ihm aber nicht, er lässt sich durch kein (schlecht gemachtes) Gewissen zensieren.

Und er wird auch ganz bestimmt nicht in freudiger Erwartung vor dem moralischen Serviertisch stehen und dabei artig wie ein Hündchen mit dem Schwänzchen wedeln, nur um gutes Wetter zu machen. (Büfett ist übrigens die korrekte deutsche Bezeichnung und der einzige Eintrag beim Duden. Dort wird Buffet lediglich als besonders österreichisch und schweizerisch erwähnt. Klingt aber wirklich schöner, doch wenn die deutsche Variante mir den Reim gibt...)

Und das zweite Terzett spricht ja eigentlich auch für sich, er ist und bleibt eben bis zu seinem Ende ein Spottvogel.

Du liegst richtig, denn wer für sich in Anspruch nimmt hemmungslos über alles schreiben zu dürfen, der darf sich selbst dabei nicht vergessen. Er ist schließlich ein Teil dieser Welt, die er ins Visier genommen hat. Da ist es nur recht und billig, auch ab und zu mal in den Spiegel zu schauen.

Sehr schön kommentiert, vielen Dank dafür...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald


__________________


Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



Falderwald ist offline   Mit Zitat antworten