Thema: Romanze
Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 29.07.2011, 06:46   #2
Stimme der Zeit
Erfahrener Eiland-Dichter
 
Benutzerbild von Stimme der Zeit
 
Registriert seit: 15.03.2011
Ort: Stuttgart
Beiträge: 1.836
Standard

Guten Morgen, liebe larin,

das ist ein Gedicht mit einem sehr schönen Thema. Leider ist es sehr selten so, meist hat man eher neutrale oder sogar negative Erinnerungen.

Aber eine Liebe erlebt zu haben, die zu Ende ging und trotzdem in der Gegenwart noch Licht spendet, sogar Trost, wenn das LI alleine ist, das ist etwas ganz Besonderes. Ich hörte allerdings (persönlich-privat) in einem Fall bereits davon, dass es so gewesen sei. Was mich doch ein wenig erstaunt, ist die Tatsache, dass das Erlebte ebenfalls "kurz" war. Prägen sich kurze, positive Erlebnisse stärker ein? Ist es so, wie du in Strophe 1 beschreibst - berühren sie "tiefer", da sie rückblickend in der Erinnerung Ähnlichkeit mit einem schönen Traum haben, in dem Bewusstsein, dass es wirklich geschah und eben doch kein Traum war?

Ich bin selbst beim Lesen ein bisschen "ins Träumen" geraten, besonders durch die Metaphern, die du verwendet hast.

Zitat:
Ein Flügelschlag,
so traumverwoben mit Unendlichkeiten
berührte tief!
Zitat:
Gleich einem Spätherbsttag,
der leuchtet, eingedenk der Nebelzeiten.
Die "Wirklichkeit" (und ihre Schattenseiten) war vorhanden, aber ihr wurde der "Einlass" verwehrt.

Zitat:
Nur blühen wollten wir! In seinen Rosenschatten
versanken nachtgeboren Kraft und Seelenruh.
Zitat:
Als ob wir allen und auch keinen Grund je hatten,
schloss Liebesglück der Düsternis die Türen zu.
Ja, nur die Liebe durfte "herein". Und mit ihr die Hingabe, denn es war eine Zeit, in der Schwäche zu zeigen "erlaubt" war, ohne dass sie Schaden zufügte. Der "Verlust der Seelenruhe" wurde als etwas "Gutes" empfunden, da er kein Verlust war ...
Eine Zeit ungetrübten Glücks, für die es keinen "fassbaren Grund" brauchte, eine Zeit, die einfach durch ihr "Dasein" gut und richtig sein konnte.

Zitat:
Wie tief begründet mancher zarte Glockenklang
selbst Jahre später Farben in die Herzen flicht!
Ein kleines "Ereignis", das Erinnerungen weckt, eine "zarte" Assoziation genügt, und die Erinnerung an diese Zeit wird wieder lebendig. So "farbig", als ob es gestern erst stattgefunden hätte.

Zitat:
Ich denk an dich zurück, weiß wohl mein Leben lang:
Bin ich auch ganz allein - du bleibst mir ewig licht.
Eine wunderbare Erinnerung, die das LI sein Leben lang begleitet und Mut und Kraft schenkt, in Zeiten des Alleinseins - und, obwohl nicht erwähnt, auch sicher in "dunklen" Momenten.

Sowohl "handwerklich" als auch inhaltlich finde ich die beiden Enjambements "berührte tief!" und "Nur blühen wollten wir!" sehr gelungen.

Als Gesamtheit finde ich es sehr gut gemacht. Auch die Platzierung der Doppelpunkte. Ein besonderes Lob möchte ich noch "ewig licht" widmen. "ewig licht", "ewig Licht" und "ewig lich(t)". Die Möglichkeit, die Lesart selbst zu bestimmen, fiel mir auf. Schön!

"Formal" ist es ebenfalls gelungen. Zuerst der Fünfhebige Jambus - im Sinne von "kurz", eine "lebhaftere" Strophe. Dann der Übergang zum sechshebigen Jambus, eine "Verlangsamung" beim Lesen, die "Zeit der Erinnerung"; und in Strophe 3 die "Bekräftigung" durch die rein männlichen Kadenzen.

Ich habe dieses Liebesgedicht mit Freude und sehr gerne gelesen. Du weißt ja, wenn nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form überzeugt, kann ich buchstäblich ins "Schwärmen" geraten.

Liebe Grüße

Stimme
__________________
.

Im Forum findet sich in unserer "Eiland-Bibliothek" jetzt ein "Virtueller Schiller-Salon" mit einer Einladung zur "Offenen Tafel".

Dieser Salon entstammt einer Idee von unserem Forenmitglied Thomas, der sich über jeden Beitrag sehr freuen würde.


Stimme der Zeit ist offline   Mit Zitat antworten