Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 13.11.2015, 17:17   #23
charis
/ Bil-ly /
 
Registriert seit: 02.10.2015
Beiträge: 435
Standard

Zitat:
Zitate von Falderwald: Servus Charis,

natürlich sind wir ein Poesie-Forum, aber Stefan Heym hat einmal gesagt, ein Dichter müsse auch politisch sein.
Das kann man natürlich sehr weit auslegen, aber wenn ich z. B. an Heine oder Tucholsky denke, dann trifft diese Aussage wohl eher zu.

Beide haben auch in sogenannten Krisenzeiten gelebt und geschrieben, auch wenn sie nichts ändern konnten.
Kurt Tucholsky hat mir mit seinen Gedichten die Situation in der Weimarer Republik und die Anfänge des Dritten Reichs viel näher gebracht, als es alle Geschichtsbücher vermocht haben.
Um seine Texte vollkommen zu verstehen, musste man sich über die dort benannten Personen informieren.
Da bin ich ganz bei dir.

Zitat:
Ich gebe zu bedenken, dass auch diese Politiker aus der Mitte des Volkes stammten und von ihrer Gesellschaft und der damaligen Zeit erzogen worden sind.
Es hat aber alles nichts genützt und konnte, wie wir heute wissen, die Machtergreifung Hitlers nicht verhindern.
Genau das meinte ich mit meinen Worten. Wir müssen unser Denken ändern und unsere Kinder anders erziehen, sodass sie in der Lage sind das Löffelgleichnis auch breits am Anfang zu hinterfragen. Wie Eky schön angemerkt hat, kommt man beim Lesen nicht unmittelbar auf die Idee, dass man sich gegenseitig füttern könnte, mir ist es jedenfalls so ergangen, genau deshalb habe ich es hier eingestellt.

Zitat:
Und ich habe einfach die Befürchtung, dass die Rechten wieder erstarken könnten, zumal auch die derzeitige wirtschaftliche Situation nicht unbedingt als stabil zu bezeichnen ist.
Richtig, aber deshalb muss man auch alles daran setzen, nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Allerdings mit der Einschränkung, dass man auch seiner Empörung Ausdruck verleihen darf, aber das bedarf auch eines gewissen Fingerspitzengefühls, wenn man das in einem öffentlichen Forum tut. Es stimmt ja wirklich, dass sich im Moment herausstellt, dass unsere Politiker "Schönwettertypen" sind, und wir "Schönwetterhumanisten". In Krisenzeiten braucht man aber Eier und eine klare Linie, man sollte nicht beschönigen und heucheln; wenn wie wie jetzt keiner eine Plan hat und die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut und ständig nur nach der Wählergunst geschielt wird und die rechten Populisten natürlich in ihrem Metier sind, ist das mehr als traurig. (Du hast du ja in einem anderen Faden so schön über Helmut Schmid geschrieben: Das war ein Politiker mit Profil, wenn auch nicht unfehlbar, das ist aber menschlich. Solche Leute gehen uns ab, so wie unser Bruno Kreisky; vielleicht liegt das aber daran, dass diese Politiker in der (Vor)kriegszeit "gelernt" haben.

Zitat:
Und wenn es wieder einen Börsencrash wie am schwarzen Freitag (25.10.1929) geben sollte, der eine neuerliche Weltwirtschaftskrise auslöst, dann könnte das übel ausgehen. Die Folgen wären ein starker Rückgang der Industrieproduktion, des Welthandels, der internationalen Finanzströme, eine Deflationsspirale, Schuldendeflation, Bankenkrisen, Zahlungsunfähigkeit vieler Unternehmen und Massenarbeitslosigkeit, was soziales Elend und politische Krisen bewirken würde.
Ob die sogenannte Demokratie vieler Staaten dabei bewahrt werden kann, bleibt zumindest fraglich.
Ich bin der Meinung, dass dies zumindest in Erwägung gezogen werden sollte, denn was eine Destabilisierung der Wirtschaftsmacht Deutschland für Europa bedeutet, sollte jedem klar sein.
Das hat aber nichts mit der Flüchtlingskrise zu tun. Ich persönlich denke, das es viel größere drängendere Probelme gibt. Deutschland steht zwar noch halbwegs gut da, aber innerhalb der EU gibt es da ein extremes Ungleichgewicht. Die Flüchtlinge können höchstens ein psychologischer Auslöser für einen Kollaps sein, aber nicht einer auf der tatsächlichen Ebene. Wir Österreicher zB buttern Millarden in den politisch verursachten Hyposkandal, wogegen sich die Ausgaben für die Flüchtlinge geradezu wie ein kleines Zusatztaschengeld für Unterstufengymnasisten ausnehmen.

Zitat:
Du hast ein sehr schönes Gleichnis über die „Hölle“ hier gebracht, das gefällt mir sehr.
Danke!!

Zitat:
Ich gebe jedoch zu bedenken, dass wenn alles zusammenbricht, und das ist nur noch eine Frage der Zeit, die Hölle in Deutschland liegen wird, denn niemand wird uns hier füttern, weil keiner solch langen Löffel besitzt.
Ja, wer weiß. Wir und Deutschen wurden ja schon einmal von den anderen Staaten gefüttert, nachdem sie erkannt haben, was sie nach dem Ersten Weltkrieg mit ihren "Friedenverträgen" angerichtet haben.

Allerdings sollte dieses Gleichnis eher das spiegeln, was immer schon geschah und wir haben nichts daraus gelernt. Die Welt hört nun einmal nicht an der deutschen Grenze auf und diese Erkenntnis holt uns nun sprübar wieder ein. Wir müssen unsere weltweite Koexistenz anders gestalten, darum geht es in diesem Gleichnis.

Zitat:
Allerdings habe ich zu Himmel und Hölle auch eine ganz andere Einstellung:
Ein verstorbener Protestant wird an der Himmelspforte von Petrus empfangen. Dieser eskortiert ihn durch einen langen Gang.
An dessen Ende gibt es zwei Türen. Auf der einen steht „Himmel“, auf der anderen „Hölle“.
Die Türen kommen immer näher und dem Protestanten wird es schon ganz heiß.
Schließlich wird er von Petrus durch die Himmelstür geführt, worauf er sich sichtlich erleichtert zeigt.
Als Petrus ihn fragt, warum er denn so besorgt ausgesehen hätte, antwortet der Protestant:
„Ich wusste ja nicht, durch welche Türe du mich führen würdest.“
„Aber das war doch sonnenklar“, erwiderte Petrus.
„Na ja“, meinte der Protestant, „der Weg führte ja direkt an der Höllentür vorbei.“
„Ach so“, lachte Petrus, „nein, nein, da mach dir mal keine Sorgen. Das steht da lediglich so drauf, denn die ist nur für die Katholiken, die glauben ja daran.“

In diesem Sinne dankefein für deinen Beitrag...
Diesen Witz kenne ich. Ich bin kein gläubiger Mensch, aber dieser Witz zeigt deutlich, wie die Indentfikation mit einer bestimmten Glaubensrichtung dazu führt, dass andere abgewertet werden: Die die anders denken und glauben sind die Dummen.

In Wahrheit sind wir alle die Dummen, weil wir uns gerne an der einen oder anderen Denk- und Glaubensweise festhalten, damit wir unser kleines Gehirn nicht zu sehr bemühen und über den Tellerrand hinaus(denken)sehen müssen. Für mein Empfinden gehört das alles zum "Faulbett der Bequemlichkeit und der Dummheit".

Und darüberhinaus - der Angriff Beiselschmidts auf Wolo ist ein wunderbares Beispiel - geht es oft auch um nichts weiter als persönliche Animositäten und um eigenen Eitelkeiten und die bloße Lust am Streit - vor allem bei den Herren der Schöpfung.

Mein Gleichnis verwendet "Himmel" und "Hölle" also nicht in einem religiösen Sinn (aber durchaus im Sinne der ursprünglichen Wortbedeutung "religio"), sondern bloß als Metaphern. Das wollte ich nur klarstellen, weil ich in deinem Kommentar gewisse Angrifflust auf eine vielleicht von dir bei mir vermutete religiöse Einstellung oder gar das im Moment so verpönte Gutmenschentum herausgelesen habe. Es ist als Verdichtung unseres Grundproblems zu verstehen, dass das jetzt nicht unbedingt zur Lösung des gegenwärtigen Probleme beiträgt, die vernünftige Sachpolitik erfordern, ist mir aber durchaus bewusst.

In diesem Sinne einen schönen Abend und lieben Gruß!
charis

Geändert von charis (13.11.2015 um 17:23 Uhr)
charis ist offline   Mit Zitat antworten