Thema: Goldene Tage
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Alt 03.10.2011, 19:09   #2
Falderwald
Lyrische Emotion
 
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Servus larin,

ich denke, dieses Gedicht ist auf zwei Ebenen interpretierbar.
Es spricht für die Natur im Allgemeinen und die Natur im Speziellen, genauer gesagt für die des Menschen.
Nun, das eine schließt das andere ja durchaus ein, denn der Mensch ist ja auch ein natürliches Wesen (obwohl es auch solche Exemplare gibt, für die sich die Spezies eigentlich schämen müsste ) und daher natürlichen Ursprungs.

Steigen wir nun in der ersten Strophe in einen schönen Herbsttag ein, der dem Spätsommer alle Ehre machen würde und erklimmen dann in seinem goldenen Lichte die Höhen der Berge, um die Schönheiten der Natur und hier die Ästhetik der Landschaft zu betrachten. Da kann man schon ins Schwärmen geraten und die Vollendung dieser bewundern und sich fragen, wie all dies nur möglich sei und ob und welchen Platz der Mensch dort einnehmen könnte, um damit sorgsamer umzugehen, es besser und klüger zu verteilen und das, was es hergibt, zu verwalten.
Aber statt in Demut vor dieser Pracht zu versinken, entwickelt sich der Mensch rücksichtslos weiter und findet bei all seinem Fortschritt kein Mittelmaß.
Es will kein Ende nehmen, die Gier nach Wissen wird immer größer und dabei wird manches in Kauf genommen, was vielleicht besser nicht geschehen würde.
Immer mehr Rassen sind vom Aussterben bedroht, weil der Mensch ihnen den Lebensraum streitig macht, indem er sie entweder für sich in Besitz nimmt oder schlicht und ergreifend vernichtet, weil er sie zerstört, vergiftet und verstrahlt.
Da ist es wohl anzunehmen, daß die schönen, goldenen Tage immer seltener werden.
Doch solange sie da sind, sollte man nicht dumm sein und sie auch genießen, denn was auch immer geschehen mag, die Ursachen dafür sind längst vorhanden und so wird es kommen, wie es kommen muss.
Daran sollte man nicht verzagen und das was ist unbeschwert wahrnehmen, mit welcher Aussage wir in der letzten Strophe wieder aussteigen.

Ich aber bin klammheimlich und ganz alleine noch einmal in der ersten Strophe an einem schönen goldenen Herbstag auf die Berge gestiegen und sehe mir all dies noch einmal an.
Und ich denke mir so: "Ja, das ist wunderschön, doch es ist gerade gut genug für mich. Wäre es nur etwas schlechter, dann könnte ich nicht sein, zumindest nicht so, wie mir alles dies jetzt erscheint.
Mich hat ja sowieso keiner gefragt, ob ich diese Existenz haben will.
Nein, ich wurde ausgestattet mit einem Intellekt, der Angst, Schmerz und Leid zu ertragen hat, ich wurde der Unendlichkeit entrissen und zu einem zeitbegrenzten Wesen degradiert und muss nun zusehen, wie ich damit zurecht komme.
Ausgerüstet mit dem Fortpflanzungs- und dem Selbsterhaltungstrieb muss ich meine Aufgabe, dieses Leben hier, erfüllen.
Zudem bin ich neugierig, ich will möglichst alles wissen, auch über die Grenzen hinaus, weil ich ein metaphysisches Bedürfnis besitze, denn ausgerechnet mir wurde das Wissen über den Tod mitgegeben, der das einzig Sichere ist, was ich für die Zukunft vorhersagen kann.
Für all das soll ich dankbar sein, womöglich demütig, wie ein Knecht seinem Herren gegenüber, der ihm dienen muss?
Was ist denn schön, was ist denn ein goldenes Maß? War nicht jedes Zeitalter das Moderne?
Mich hat es heute hierhin verschlagen und was nach mir kommt, kann mir völlig gleichgültig sein, genau wie das, was vor mir war.
Das klingt egoistisch und selbstsüchtig?
Ja, aber genau so ist es, ob ich nun irgendwelchen hehren Idealen oder göttlichen Dogmen diene, es bleibt sich alles gleich, das ist nur zur Befriedigung meines eigenen Egos und entspringt der Sorge, all dies könne einmal ein Ende haben.
Nein, diese Welt ist nur für mich geschaffen und ich nehme davon in Besitz, was ich nur bekommen kann, genau wie alle anderen."
Und so steige ich aus der letzten Strophe doch wieder etwas gnädiger aus, weil ich ganz bestimmt nicht dumm sein werde und die Tage, die es noch zu genießen gibt, auch nutzen werde.
Ich bin wirklich unbesorgt und unbeschwert, denn alles kommt, wie es kommen muss, keine Frage.

Und die Menschen?
Sie haben es selbst in der Hand, ein jeder wird das tun, was er tun will.

Es gibt da nämlich noch das Märchen vom freien Willen, aber das ist eine andere Geschichte...


Gerne gelesen, nachgedacht und kommentiert...


Liebe Grüße

Bis bald

Falderwald
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Oh, dass ich große Laster säh', Verbrechen, blutig kolossal, nur diese satte Tugend nicht und zahlungsfähige Moral. (Heinrich Heine)



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