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Alt 11.05.2011, 11:01   #3
Hans Beislschmidt
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Hey Erich,

vielen Dank für Kommentar und Gedanken - auch für das mühevolle Herausschreiben des Textes.

Deine Sorge um meinen gesundheitlichen Zustand freut mich sehr, aber ich darf dich beruhigen: - ich leide mitnichten an einer vorübergehenden Interpunktionsamnesie, sondern habe bewusst auf Beistriche etc. weitgehend verzichtet.

Warum habe ich das getan?
Es handelt sich bei dem Gedicht um eine besondere Darstellungsform. Man nennt das neuzeitlich Picture&Poetry und ist etwa vergleichbar mit der altehrwürdigen Form des Sgraffito. Das bildnerische Element sollte mit dem Text korrespondieren, ihn unterstützen und verdeutlichen. In solch einem Falle benutzt man nicht die Stilmittel eines Print-Mediums, sondern setzt den Text frei nach künstlerischen Gesichtspunkten in die Bildlandschaft. Als Kunsterzieher weißt du sicher über Sgraffito bestens Bescheid, trotzdem habe ich für unbedarftere Leser ein Beispiel für Sgraffito ausgesucht. Der Text muss nicht unbedingt in einem chronologischen oder kausalen Zusammenhang im Sinne „Zeile für Zeile“ stehen, sondern benutzt mitunter Satzfragmente, welche einen gewissen Interpretationsspielraum des Lesers einfordern. Aus eben diesem Grunde möchte ich das Werk ohne Strichgehagel sehen und so stehen lassen. Ich habe aber in einer neuerlichen Variante zum besseren Leseverständnis ein paar Gedankenstriche eingefügt und ansonsten alle Interpunktion, bis auf ein Fragezeichen rausgenommen. Bei der Gelegenheit habe ich das Bild noch einmal bearbeitet, andere Lichtpunkte gesetzt und eine Calligraph-Schrift verwendet. Bei so viel Engagement deinerseits, sollte es an Mühe und Zeit meinerseits nicht fehlen.


Da es sich nun aber doch um ein gereimtes Werk handelt, obliegt es natürlich dem vorgegebenem Korsett einer, wie auch immer gearteten Lyrik.

Und nun zur Textarbeit und deinen Vorschlägen:

S1/
und du warst nur noch Leinwandhaut, Zusammen besser.In der neuen deutschen Rechtschreibung (gilt nicht für Österreich) ist es zwar nicht zwingend vorgeschrieben aber empfohlen, längere Doppel-Substantive mit einem Bindestrich ohne Leerzeichen zu trennen. Das war aber ursprünglich von mir nicht der Rechtschreibung gehorchend, sondern als eine Form einer Latenzpause und Steigerung gedacht. Deshalb auch nun zwei Leerzeichen dazwischen.

S2/
besah ich lange deine Bilder,
sprang tief durch deinen Stacheldraht. Wortwiederholung "ich" vermeiden.
Ein blutig Kochen, immer wilder, Neuer Satz. Komma.
durch Runenschwerter Kriegersaat. Zusammen!

Z2 Vorschlag ist auch eine gute Variante (übernommen), wobei „tief“ in Verbindung mit „durchspringen“ etwas gewöhnungsbedürftig ist, weil man üblicherweise tief in etwas hineinspringt.
Z4/ die Runenschwerter gibt es in dem Sinne nicht, lediglich Schwerter, auf denen Runen eingraviert sind. Ich habe die drei aufeinanderfolgenden Elemente mit Gedankenstrichen verdeutlicht.

S3/
Um deine Waden rankten Lilien, Neuer Satz.
der Rücken wild umkämpft von Drachen. Schöner Deutsch.
Mit Horusaugen, gleich Fossilien, Neuer Satz. Zusammen besser.
die Wölfe mit den weiten Rachen. Da die Wölfe die Augen haben und nicht die Rachen, so sprachlich richtig.

Z2/ gefällt mir auch gut und würde im (b) Reim auch ein Trochäus mit Z4 einbringen. Sähe also besser aus im Wechsel Jambus/Trochäus. Ich habe meine Version aber stehen lassen, vielleicht im Bewusstsein einer empathischen Unordnung.
Z3/ Horusaugen oder Horus’(ssens) Augen? Einfacher ja aber ob schöner? Ich weiß es nicht.
Z4/ die Wölfe mit den weiten Rachen – auch nicht schlecht! Aber „weit“ finde ich nicht so stark wie „aufgerissen“. Zum besseren Verständnis habe ich es anders gelöst, nämlich: - sah Wölfe aufgerissner Rachen – damit bleibt auch S3 durchgängig jambisch.

S4/
Ich zählte langsam deine Ringe Neuer Satz.
und schraubte auf den Labia Steg, Was soll das denn sein?
als ob es um Verbotnes ginge, Kommasetzung!
dann endlich frei der Silberweg. Das Verb ist immer noch "schraubte" - schraubte frei der Silberweg? Das ergibt keinen Sinn! ...DEN Silberweg? Trotzdem Gefasel. Bitte um Erklärung.

Hehe, jetzt muss ich doch deutlicher werden, denn Gefasel geht ja gar nicht. Zunächst handelt es sich bei einem Labia Steg um eine Form von Intimschmuck (ausnahmsweise ohne Abbildung). Ein etwa drei cm langer Steg/Stift mit einem Gewinde an jeder Seite wird durch die vorgepiercten Löcher der Labien (siehe wiki hehe) geschoben und anschließend an beiden Seiten mit einer großen Ziermutter verschlossen. Das Material besteht meistens aus Silber – wie auch die in Z1 angeführten Ringe. Also nichts für Leut’, die’s eilig haben, denn erst das Aufschrauben macht den Weg frei zum (Z4) „Silberweg“ – ist also „part of the game“.

S5/
Hast mich umschlungen, Kreuz des Ankh, Neuer Satz. Kürzung wegen Überlänge.
mit deinen grünen Schuppenbahnen, So würde es sich reimen.
als ich auf deinen Körper sank Kürzung wegen Überlänge.
im Zauber keltischer Schamanen. Punkt.

Z2/ dich stört der Unreim Armen/Schamanen. Die „Bahnen“ sind zwar auch nicht exakt aber besser als Armen – wohl wahr (übernommen).

S/6
Wo waren wir, in Schmerz und Lust? Sprachlich schöner.
Dämonisch losgelöst im Brande? Sprachmelodisch runder.
Gesäugt von Lupas Mutterbrust
im Geisterwald von Broceliande.

Z2/ losgetreten find ich stärker als losgelöst, weil es an eine Naturgewalt erinnert. Eine Lawine wird losgetreten. Man spürt, da passiert was. Losgetreten passt auch besser zu der Analogie von Romolus und Remus in der folgenden Zeile, die ja auch losgetreten/ausgesetzt wurden. Auch der Foret de Pauimpont (Broceliande) in Z4 war und ist für spiritualisierte „Ausgetretene“ eine Größe.

Bliebe noch die Frage, warum sich Menschen von Kopf bis Fuß tätowieren?
Früher dacht ich mal
Tattoos sind asozial

Diese Meinung habe ich aber nach jüngsten Erfahrungen gründlich geändert. Aber das wäre ein anderes Thema.

Danke noch einmal für deine Mühe, Erich. Die übernommenen Vorschläge habe ich in einer zweiten Ausfertigung hinter die „alte“ Version im Eingangsthread gestellt.

Gruß vom Hans
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chorch chorch

Geändert von Hans Beislschmidt (11.05.2011 um 13:13 Uhr)
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