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Alt 24.03.2012, 20:08   #2
Dana
Slawische Seele
 
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Lieber Thomas,

Schiller hatte und hat bis heute recht.

Zitat:
Zitat von Schiller
Wäre das Faktum wahr - wäre der außerordentliche Fall wirklich eingetreten, daß die politische Gesetzgebung der Vernunft übertragen und wahre Freiheit zur Grundlage des Staatsgebäudes gemacht worden, so wollte ich auf ewig von den Musen Abschied nehmen und dem herrlichsten Kunstwerke, der Monarchie der Vernunft, alle meine Tätigkeit widmen. Aber dieses Faktum ist es eben, was ich zu bezweifeln wage.

Und:

Zitat:
Zitat von Schiller
Wenn ich meine Meinung sagen darf, so gestehe ich, dass ich jeden Versuch einer Staatsverfassung aus Prinzipien so lange für unzeitig und jede darauf gegründete Hoffnung für schwärmerisch halte, bis der Charakter der Menschheit von seinem tiefen Verfall wieder emporgehoben worden ist... Man wird zwar unterdessen von mancher glücklichen Reform im einzelnen hören, aber was hier zehn große Menschen aufbauten, werden dort fünfzig Schwachköpfe wieder niederreißen.
Wie groß muss der Traum sein, um immer noch daran fest zu halten - wenn die Realität eben so ist, wie es seine letzten Zeilen sagen.

Man braucht gar nicht landesweit oder gar weltweit zu denken. Schon im engsten Kreis sorgen die unterschiedlichen Charaktäre für Uneinigkeit und jede noch so glückliche Reform wird in kürzester niedergerissen, weil es nicht die eigene gewesen ist. Die Schwachköpfe sind auch überzeugte Idealisten.

Es ist nicht einzig Schwachsinn:

Zitat:
Zitat von von Hoven
die republikanische Verfassung werde früher oder später in Anarchie übergehen, und das einzige Heil der Nation werde sein, dass ein kräftiger Mann erscheine, er möge herkommen, woher er wolle, der den Sturm beschwöre, wieder Ordnung einführe, und den Zügel der Regierung fest in der Hand halte, auch wenn er sich zum unumschränkten Herrn nicht nur von Frankreich, sondern auch von einem Teil von dem übrigen Europa machten sollte.
Der einzelne "kräftige Mann" sucht sich erst sein Gefolge (heute sind es Fans oder Parteimitlieder).
Er verspricht der Masse (und lügt evtl. bewusst), weil er weiß, dass sie gerne glauben will - besonders in miesen Zeiten.

Manchmal denke ich, auch in der "Rückwärtsgeschichte", dass jene Reformer und "Weltverbesserer" selbst an ihre Ideale glaubten.
Gerät man aber erst in den "Machtapparat" bekommt man einen anderen und einen unbekannten Einblick in Verknüpfungen, die einen zwingen, dem Versprechen untreu zu werden.

Manchmal denke ich, je mehr man sich damit auseinandersetzt, desto desillusionierter muss man werden - und genau das will ich nicht.

Vielleicht müssen Träume von einer glücklicheren Zukunft anders verstanden werden. Sie müssen evtl. Jahrhunderte überdauern:
Schulpflicht für alle Kinder, Frauen dürfen wählen, Sozialzahlungen ....
Doch dann bemerkt man, dass diese Errungenschaften nicht für alle gelten. In anderen Ländern (und das heute noch) wird darüber noch nicht einmal diskutiert.
Muss ich mich dann nicht noch schlechter fühlen? Denn es ging dem "Träumer" ja nie um sein persönliches Anliegen.
Heute bekommt man einen anderen und tieferen Einblick in Sitten, Rituale und Gesetze anderer Länder.
Hier rege ich mich auf, weil ein gegangener Bundespräsident einen Ehrensold bekommt, der die Hartz IV - Empfänger schmäht, während nebenan Kinderarbeit, Kindesmissbrauch und Steinigungen stattfinden.

Ich vermische absichtlich die Relationen und fühle mich fast betroffen, wenn ich an die "Macht der schönen Kunst" appeliere - wohlwissend, dass es keine andere gibt.

(Verstehe bitte richtig. Wieder drückt mich Traurigkeit und Hilflosigkeit nieder. Ich möchte weder Schiller, von Hoven noch dir widersprechen - ganz im Gegenteil.)

Der Aufenthalt im Salon tat mir gut.

Liebe Grüße
Dana
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Ich kann meine Träume nicht fristlos entlassen,
ich schulde ihnen noch mein Leben.
(Frederike Frei)
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